Lee “Scratch” Perry
“Rainford”
(On-U Sound – 2019)
Der großartige Adrian Sherwood lässt zu diesem Album verlauten: “It is the most intimate album Lee has ever made, but at the same time the musical ideas are very fresh. I’m really proud of what we’ve come up as a piece of work”. Na dann, was ist dran an dem neuen Wurf?
Lee Perry ist einer meiner besonderen Favoriten. Sein Input ist nicht zu unterschätzen – vor allem auch sein Mut für Innovationen in seinen frühen Jahren. Nachdem er allerdings als Produzent im Verlauf seiner Karriere immer weiter in den Hintergrund getreten ist und sich selbst als Artist präsentierte, gab und gibt es immer wieder Mittelmaß zu hören. Es hängt also maßgeblich von den beteiligten Produzenten ab, ob das Gestammel von dem alten Mann auf der bereiteten Musik und im Mix funktioniert. Auf dem Album Lee “Scratch” Perry” & Subatomic Sound “Super Ape Returns To Conquer” hat das z.B. prima geklappt, bei vielen anderen aber weniger.
Jetzt hat sich Adrian Sherwood wieder einmal dem Altmeister angenommen. “Rainford” ist das Resultat. Die Tracks wurden in Brasilien, Jamaika und London aufgenommen. Und, um es kurz zu machen, wäre da ein so versierter Produzent wie Adrian Sherwood nicht federführend dabei gewesen, würde ich mir das Getippe an dieser Stelle wahrscheinlich sparen. Nun war er aber dabei und ist zur Höchstform aufgelaufen. Wild und mit einem feinen Gefühl für gut eingesetzte Ecken und Kanten hat der Dubmeister mit den Spuren gespielt (großartig z.B. bei “Makumba Rock”). Lee Perry durfte seinen Beitrag beisteuern und hat das auf den bereiteten, musikalischen Betten auch gut getan. Wären diese und der souveräne Mix nicht so überzeugend, würde das ganze Projekt sehr wahrscheinlich in der Belanglosigkeit versinken.
Es zeichnet Adrian Sherwood über die Jahre aus, dass er es immer wieder vermag, ausgelatschten Pfaden neue, mitunter überraschende Wendungen hinzuzufügen. Das ist ihm auch hier wieder gelungen. Lee “Scratch” Perry setzt hier sicher deutliche Akzente, ist aber unterm Strich nur ein Bestandteil des gesamten Prozesses. Ob es sich aber um das “most intimate” Album von Lee “Scratch” Perry handelt, sei hier mit einem Fragezeichen in den Raum gestellt.
Karsten Frehe
Greetings!
Rainford Hugh Perry aka Lee Scratch Perry und Adrian Maxwell Sherwood (AMS) haben wieder ein gemeinsames Werk unter die Leute gebracht. Das Cover ist (stark) an Albrechts Dürrers Holzschnitt “Die vier apokalyptischen Reiter” angelehnt, das sich thematisch auf die Öffnung der ersten vier Siegel der Offenbarung des Johannes bezieht. Die in einer Phalanx dahinjagenden Reiter fegen alles sich ihnen Entgegenstellende hinweg.
Naja, ob das wirklich so ist, sei jedem Hörer selbst überlassen. Auf alle Fälle kann unter der Führung von AMS generell nichts schlechtes herauskommen. Alleine was dieser Querdenker AMS bereits in der Vergangenheit aus Lee Perry rausgekitzelt hat, zählt für mich zum Besten von Lee Perry nach der glorreichen “Schwarzen Arche”, die Scratch leider zu schwarzer Asche machte. Ich schwanke immer noch ob “Time Boom X Devil Dead” oder “From The Secret Laboratory” das bessere Album aus den Spätachtzigern ist. Wurscht, super sind ohne Zweifel beide…dank Mr. Sherwood.
Nicht zu vergessen Lee Perry & Adrian Sherwood – Dubsetter!
Die neue Collaboration ist jetzt sicherlich kein absolutes Meisterwerk geworden und würde vielleicht keinerlei größere Beachtung finden, wenn da nicht der Name dieser 83 jährigen, lebenden Legende auf dem Cover prangen würde. Lee Perrys zusammenhangloses Gebrabbel kann manchmal schon richtig auf den Geist gehen (“rain in my brain”?!) aaaaber AMS Mixing ist wie immer mehr als überzeugend. Was AMS seit Jahrzehnten qualitativ abliefert, verdient allergrößten Respekt. Seine herausragende Stellung und überragende Qualität unterstreicht AMS für mich am überzeugendsten in “Autobiography Of The Upsetter”, wo er es tatsächlich fertig bringt, den legendären Sound des “Black Ark Studios” 1:1 wieder aufleben zu lassen. Chicken Skin…..Well done Mr. Sherwood!!!
PS: Habe AMS am Mixing Desk Anfang der 90er mit Dub Syndicate und African Head Charge gesehen. ON-U Sound in Konzertlautstärke ist atemberaubend und unvergesslich.
Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich die Kommentare von den Reggaeveteranen höre bzw. lese, die schon seit gut 40 Jahren infiziert sind. Ich habe euren Ausführungen nix mehr hinzu zu fügen. Auch wie wir Lee Perry empfinden ( meistens hui aber oft auch pfui ) gleicht sich doch sehr. Adrian Sherwood ist wirklich ein Mixing Dub Gott für eure und auch meine Generation. Seine selbst zusammengeschustereten riddims ….. naja, nobody is perfect.
Ich arbeite hier ja in einem Labor und ich konnte es mir nicht verkneifen, ein kleines Schild an der Tür anzubringen, mit der Inschrift :
Secret Laboratory / Scientific Dancehall. Wurde seit sechs Jahren nicht moniert.
Die haben hier immerhin auch einen gewissen Sinn für meinen Humor. Oder ich bin bei den meisten hier eh schon in der Schublade, wo Lee “Scratch” Perry spätestens seit dem Brand in seiner Schwarzen Arche, auch abgelegt wurde.
“Come On Dog And get Your Bone” …………. lemmi