The Senior Allstars feat. Ammoye „Soul From Dubdown – Darker Than Blue“ (Echo Beach)

dubdown cover

The Senior Allstars feat. Ammoye
„Soul From Dubdown – Darker Than Blue“
(Echo Beach – 2019)

Aus Kult, Klassik und – ja auch zum Teil – Oldie, mach einen Zeitgeist-Sound, der retro-futuristisch und doch wiederum ganz zeitlos erscheint. Zu viel aufgetragen? Wartet mal ab, bis ihr die Geschichte hinter dem neuen Album aus dem Hause Echo Beach aufgetischt bekommt! Denn die hat’s in sich. Vor gut zwanzig Jahren hatten die Leute aus Blood & Fire und PK Labels die Idee, alte Soul und R‘n‘B-Lieder, die in Jamaika in den 60ern und 70ern von Sängern wie Ken Boothe, Alton Ellis und anderen gecovert wurden, auf eine Compilation zu klatschen und nannten es „Darker Than Blue – Soul From Jamdown“. Es wurde ein unerwarteter Riesenerfolg. Fünfzehn Jahre später machten die Senior Allstars nach einer Idee von Nicolai Beverungen, dem Chef von Echo Beach, ihre Interpretation des Materials und lieferten ein Instrumental-Dub-Album mit dem Titel „Dub From Jamdown – Darker Than Blue“. Soweit so gut.

The Senior Allstars

Nun wird in dem neuen Album „Soul From Dubdown – Darker Than Blue“ noch eins drauf gesetzt, indem die Dubs und Instrumentals mit neuen Vocals bestückt wurden. Diese stammen von Ammoye, einer Kanadierin mit jamaikanischen Wurzen, die eher in R‘n‘B und Gospel unterwegs ist, als in Reggae. In diesem Fall macht es aber nichts aus, denn die Ammoye singt die alten Klassiker wie „Ain‘t No Love In The Heart Of The City“ (ursprünglich von Bobby Blue Band) oder „Baltimore“ (von Randy Newman) so emotionsgeladen und couragiert, als handele es sich um ihr eigenes Material. Sehr smooth und deep macht sie sich ran an die, manchmal wehmütige oder romantische, aber auch sozialkritische Songs aus einer aufgewühlten Ära der amerikanischen Musik. Kein Wunder auch, denn was Minderes von einer Juno-Award-Gewinnerin (das kanadische Gegenstück zum amerikanischen Grammy), ist auch nicht zu erwarten gewesen.

Ammoye (press photo)

Aber hier wurde gleich ein Schritt weiter gegangen und Ammoyes Vocals wurden mit dazu verdubbt. „Soul From Dubdown – Darker Than Blue“* ist also ein Hybrid-Album, das zugleich ein Vocal- und ein Dub-Album geworden ist. Die ohnehin schon starken Dub-Instrumentals des Vorgängers „Dub From Jamdown – Darker Than Blue“ wurden mit Ammoyes Rolle als Sängerin auf eine noch höhere Stufe gehievt. Wie ein zusätzliches Instrument geistert ihre dominante, vielschichtige Stimme in endlos erscheinenden Schleifen durch die Stücke. Die tiefen Bässe wummern und vermischen sich mit hypnotischen Beats zu einem weltentrückten Sound, in dem es keine Rolle mehr spielt, ob es ein Cover oder Original, ein Dub oder reines Instrumental ist. Es ist eher eine zähflüssige Klangmasse aus souligem und funky Gesang, verspielten Klaviermelodien und unwirklichen Gitarren, die blubbert, sich immer wieder ausbreitet und neu verdünnt. Ohne sich dabei an irgendeine Regel oder vorgefertigte Schablone zu halten. Es ist das bis dato radikalste Aus-dem-Kontext-Nehmen der jahrzehntealten Originale. Manchmal total verrückt und euphorisch oder ganz entspannt und verträumt. Aber jedenfalls immer sehr originell.

Zvjezdan Markovic

*erscheint am 12.07.2019

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)