Yabby You meets King Tubby „Walls Of Jerusalem“ (Pressure Sounds)

Yabby You meets King Tubby
„Walls Of Jerusalem“
(Pressure Sounds – 2019)

Das Cover der Platte war blank, die Auflage sehr limitiert. Der König und sein Prophet kamen sich nicht dabei in die Quere – auf der einen Seite waren Yabby Yous Vocal-Versions, auf der anderen die Dubs von King Tubby. Sechs an der Zahl jeweils. Überhaupt, die Kollaboration zwischen den beiden war viel harmonischer als die ihrer biblischen Vorbilder. König David hatte nämlich nicht so viel Glück mit dem Propheten Natan.

Osbourne Ruddock AKA King Tubby (photo by Beth Lesser)

Und überhaupt gab es eine Fülle von biblischen Anspielungen auf dem Album. Beginnend mit dem Titel „Walls Of Jerusalem“, den Stadtmauern, die dem Ansturm der Assyrer nicht standhielten und dadurch die ganze tragische Geschichte mit dem Babylon erst ihren Lauf nahm. Doch in „Chant Down Babylon“ wird gleich im Anschluss des gleichnamigen Titelsongs zum Angriff gegen Babylon geblasen. Es ist ein radikales und tief religiöses Album mit einem überdimensionalen Sound aus archaisch klingenden Flauten- und Bläsermelodien, dass den Begriff deep roots am besten demonstriert.

Vivan Jackson AKA Yabby You (Wikimedia / Fair Use)

Die Städte brennen darin lichterloh, begleitet von ominösen Sätzen wie ‚fire, fire and we have no water‘ („Fire Round Town“), die sich mit apokalyptischen Bibelversen zu einem düsteren, aber auch sehr spirituellen Gesamtbild fügen. In „Plague On the Land“ wird an die sieben Plagen, die auf den ägyptischen Pharao losgelassen wurden, erinnert. Aber der Yabby You, bürgerlich Vivian Jackson genannt, den sie auch Jesus Dread nannten, weil er den Haile Selassie als Gott ablehnte und stattdessen als Rasta in seiner christlichen Tradition blieb, setzte gekonnt diese uralten und allseits bekannten Geschichten in einen zeitgenössischen Kontext ein. Überall sah er dazu Parallelen von Unterdrückung, Leid und Befreiungskampf, die er sowohl in diesen biblischen Erzählungen, als auch in seiner Gegenwart, der Jamaika der 70er Jahre vorfand.

Es waren kurzerhand gesagt Fanatiker. Der eine im Sound und Mix, der andere in seiner Musik und Ideologie. Stundenlang vereinnahmten die beiden Tubbys Studio oder den Channel One und tüftelten an der richtig klingenden Basslinie, den Riddims oder anschließenden Dubs.

Und sie neigten auch zur Überproduktion, wie man an dieser neuen, erweiterten Ausgabe des Albums erkennen kann. Die Zahl der unveröffentlichten Tracks, sei es Dubs oder Vocals, reichte aus, um daraus schließlich ein Doppelalbum zu machen! Folglich war nicht alles erste Sahne und zurecht anfänglich verworfen. Die damals ausrangierten Tracks wie „The Man Who Does The Work“ oder „Valley Of Joesasaphat“ passen mit ihren leichtfüßigen Arrangements so gar nicht in die einschlägige Gesamterscheinung des Albums. Dieses wurde später für den englischen Markt neu aufgelegt und in „Chant Down Babylon“ umbenannt. Es war auch auf Mono runter gemixt worden, anders als diese Originalaufnahmen, die ursprünglich in Stereo aufgenommen wurden, was eine Ausnahmeerscheinung und ziemlich wagemutig zu dieser Zeit war.

Zum ersten Mal hört man hier das Album also so, wie es seine Macher damals 1976 beabsichtigt hatten. Am meisten kommt es den Dubs zugute, die somit in ihrer Urfassung ihre ganze Kraft und Wucht entfalten können. Die Echos und Reverbs fliegen wie Lichtstrahlen von einer Seite zur anderen, getragen von fleischigen Bässen. Wie kein anderer vor oder nach ihm, schaffte es Osbourne Ruddock alias King Tubby, Dubs in 3D zu mixen. Hier ist der Beweis.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)