Judah Eskender Tafari “Long Suffering” (Rhygin Records)

Judah Eskender Tafari
“Long Suffering”
(Rhygin Records – 2019)

Das neue Album von Judah Eskender Tafari als ein lang erwartetes zu bezeichnen ist pure Untertreibung. Sein vermeintliches Debüt für den englischen Produzenten Gussie P liegt fast gute 25 Jahre her. Vermeintlich insofern, da es angeblich bereits ende der 70er ein fertiggestelltes, aber nie veröffentlichtes Studio One-Album gab. Nicht zuletzt dank der eigensinnigen Geschäftsführung des Studio One-Cheffs Coxsone Dodd, brach damals der junge Ronald Merrills seine Sängerkarriere im Keim ab und es blieb alles bei einigen Songs und neuerdings auch einer handvoll Single Veröffentlichungen.

Eine der frühesten davon war „Rastafari Tell You“, das in neuer Version in dem neuen Album für einen gelungenen Anfang sorgt. Das neue Werk dieses Twelve Tribes-Mitglieds mit dem Titel „Long Suffering“ ist zusammen mit dem kalifornischen Label Rhygin Records entstanden und besticht durch seine radikale Roots-Orientierung. Anders als das erwähnte Debütalbum, das eher Computer-technisch unterwegs war – und bei dem ihn Gussie P letztendlich auch über den Tisch gezogen hat – hat das neue Album den charakteristischen Studio-One Vibe mit pumpenden Bässen, viel melodiösen Harmonien und analoge Wärme im Sound.

Es ist so, als würde Tafari dieses als sein erstes Album betrachten. Eine Art Studio One-Reloaded. Der treibende Beat und die hüpfenden Gitarren-Skanks in „No Gold, No Diamond“ erinnern sogar an die frühen Black Ark-Aufnahmen. Und in dem Titelstück „Long Suffering“, einem Instrumental eigentlich, flattert eine funkige Bläser-Melodie, begleitet von Vintage-artigen Keyboard-Strängen und quirligen Gitarrenspiel. Die oft temporeichen Stücke stehen im Kontrast zum Tafaris lässigen Gesangsstil. Während in „Jehovah“ die Drums immer wieder zum Marschrhythmus ausholen, stimmt er ein behutsames Gebet an den Most High.

Obwohl Judahs tief verwurzelte Spiritualität überall vorzufinden ist, sickern auch hin und wieder ein paar autobiografische Details durch, wie im psychedelisch betäubten Song „Farmer Man“, mit traumwandlerischer Gitarrenbegleitung und surrealen Bässen. Darin verarbeitet Judah womöglich auch Erinnerungen an seine Eltern, die einfache Bauern waren. Sozial-kritisch macht sich Judah Eskender Tafari auch stark in Stücken wie „Wicked Man“ und fragendem „Why?“.

Auch wenn sein neues Album nicht ohne „Das kenne ich von irgendwo her“-Effekt auskommt, ist es doch eine schöne, rückwärtsgewandte Zeitreise zu einem Reggae, der darauf bedacht ist, das zu machen, was es am besten kann.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)