Denise Sherwood
“This Road”
(On-U Sound / Evergreen Recordings – 2020)
Oktober ist’s, und somit der Sommer definitiv passé. Macht aber nix, denn was gibt es Schöneres, als sich in der goldenen Herbstsonne auf dem Balkon (oder wahlweise bei Kerzenschein auf der heimischen Couch) eine Tasse Heißgetränk zu gönnen und gute Musik zu genießen?
Den perfekten Soundtrack für die dunkle Jahreszeit liefert das heute erschienene Erstlingswerk “This Road” von Denise Sherwood. Klingelt da was? Sollte es auch, denn Denise ist die Tochter des UK-Dub-Giganten und On-U-Sound-Gründers Adrian Sherwood, und so wuchs sie zwischen Mischpult, Instrumenten und illustren Studio-Gästen wie Neneh Cherry, Big Youth, Style Scott oder Lee “Scratch” Perry auf. Klar dass solch eine Sozialisierung Spuren hinterlässt, aber “This Road” wirkt fast so, als hätte die Künstlerin jeden einzelnen Augenblick dieser Kindheit, jede kreative Begegnung in Töne gegossen. Das Album ist eine musikalische Offenbarung, und die Gänsehaut beim Hören hält die ganzen 11 Titel lang an.
Schon der erste Track “Music Shall Live” ist etwas ganz Besonderes. Zwischen sanften Streichern, jungeligen Drums und Zitaten des Veteranen Lee “Scratch” Perry schmiegt sich Denise’s Stimme, die wahrscheinlich das beeindruckendste Element des Albums ist. Zart und zerbrechlich aber auch kraftvoll und bestimmt und immer einen Hauch melancholisch versteht die Sängerin es, dieses ihr Instrument in allen Facetten auszukosten.
So auch in der ersten Single-Auskopplung “Let Me In”, geschrieben “about several people I felt disconnected to at the time, but really wanted a closeness with”, so Sherwood in der Pressemitteilung. Besonders berührt mich hier das Cello im Solo ab 2:25. Die klassische Instrumentierung zieht sich durch: ob Konzertgitarre im mystischen “Amnesia Moon” oder Klavier-Ouvertüre und Streicher-Duett in “Ghost Heart”, das zu meinen Lieblingsstücken zählt, hier waren Profis am Werk (an Komposition und Produktion mitgewirkt haben u.a. Adrian Sherwood selbst, Lee Perry, Mala, Mark Stewart, Skip McDonald und Doug Wimbish sowie der bereits verstorbene Style Scott), die gekonnt Genre-Grenzen überschreiten und etwas ganz Neues schaffen.
“Sweet Mary Jane” ist so ein unglaublich innovativer Track, aber auch das digital-minimalistische “Sweet Love” oder das fröhliche “Sunny Days”, das mit südafrikanisch anmutenden Gitarren-Mustern und jazzigem Saxophon Spaß macht.
Und auch wenn “This Road” kein explizites Reggae-Album ist, kommen die Genre-Fans trotzdem auf ihre Kosten. “Won’t Bow Down” zum Beispiel ist eine gelungene Steppas-Roots-Melange mit treibenden Drums und ballernden Bässen, aber auch mit filigranen Klavier-Soli und wieder dieser fantastischen Stimme… “I am a Queen of very rare kind”. Ein büschn langsamer lässt es “Toughen Up” angehen, das sich an im Liebeskummer Ertrinkende richtet, während “Uncertain Times” zur Vorsicht mahnt, aber auch rät, immer auf dein Herz zu hören.
“This Road” ist ein wunderschönes, energiespendendes und zugleich filigran gewobenes Album, das die grandiose Stimme und das kreative Schaffen von Denise Sherwood endlich der Welt zugänglich macht. Sehr empfehlenswert, nicht nur für den Herbst!
Gardy Stein
Mein Lieblings-Song des Albums ist “Music Shall Live” mit Lee “Scratch” Perry als Gast. Ein Meisterwerk!!!!