R.I.P. Lee “Scratch” Perry (1936-2021)

Lee “Scratch” Perry (1936-2021)

Lee “Scratch” Perry ist tot. Er starb am 29. August im Alter von 85 Jahren in einem jamaikanischen Krankenhaus. Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich rasant über den Globus. Die Reggaewelt ist in tiefer Trauer um einen Mann, der ohne Zweifel zu den bedeutendsten Persönlichkeiten in diesem Genre zählt. Er hat (fast) alles mitgemacht und war an vielen Ecken und Kanten innovativ tätig. Seine Freude am Experimentieren hat unzählige Blüten hervorgebracht und ihm dadurch auch einen guten Ruf in ganz anderen Genres eingebracht. Kein Wunder also, dass u.a. Paul McCartney, die Beastie Boys, The Clash und Brian Eno seine Nähe suchten.

Lee “Scratch” Perry war Produzent, Songwriter und Sänger. Als Produzent arbeitete er mit vielen bedeutenden Künstlern seiner Zeit zusammen, wie z.B. Junior Murvin, The Congos, Bob Marley, Junior Byles, The Silvertones, Augustus Pablo und vielen mehr. Zeitlose Tunes sind dabei entstanden. Nebenbei nahm er immer wieder eigene Stücke auf oder schrieb welche für andere Sänger. In Sachen Produktion war er immer auf der Suche nach neuen technischen und klanglichen Visionen – und das, zumindest in der ersten Phase, mit den einfachsten Mitteln. So ist zum Beispiel nicht komplett geklärt, wie er in seinem Black Ark-Studio einen so einzigartigen und komplexen Sound geschaffen hat, der bis heute bewundert wird. Neben oder vielmehr zusammen mit King Tubby gilt er außerdem als Erfinder des Dubs.

Später hat er sich vom eigenen Produzieren weitestgehend verabschiedet. Bei Mad Professor, Adrian Sherwood, Daniel Boyle, Dubblestandart, The Orb, dem Subatomic Sound System und vielen anderen mehr fand er für weitere Alben ein passendes Zuhause.

Lee “Scratch” Perry war zeitlebens ein Exzentriker, der nicht nur durch seine äußerst eigenwillige Kleidung auffiel, sondern auch, vor allem in seinem Spätwerk, mit einem “Gesangsstil”, der offenbar spontan und assoziativ Gedanken und Zitate aneinanderreihte – mal gesprochen, mal gesungen. Ein “Voodoo-Meister” und genialer Geist für viele Fans, ein verwirrter, schräger Mensch für etliche andere Ohren.

Unterm Strich sollte man sich vor dem Schaffen dieses außergewöhnlichen Künstlers auf jeden Fall verneigen. “Wer nicht wagt, der nicht gewinnt”, mag möglicherweise seine Devise gewesen sein. Nicht alles traf dabei den Geschmack der Mehrheit, dennoch gehört das Ausloten von Grenzen gepaart mit Mut, Spiel und Visionen immer dazu, wenn es um Weiterentwicklungen geht. Und genau das ist ein Teil, aber eben nur einer, seines mehr als beachtenswerten Vermächtnisses.

Text: Karsten Frehe, Fotos: Dorothee Georg (Reggae Jam 2013)

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.