Marley – ein Film von Kevin Macdonald

In den letzten Jahrzehnten erschienen unzählige Bücher, Artikel und Beiträge, meldeten sich massenhaft „Marley-Experten“ zu Wort und entstanden beinahe so viele Dokus, die versuchten ein Bild der Reggae-Legende Robert Nesta Marley zu zeichnen, wie es T-Shirts der Ikone weltweit an jedem zweiten Straßenstand zu kaufen gibt. Dass die Marley-Familie – allen voran Marley`s Witwe Rita – mit aller Kraft versucht(e) diese Welle an zum Teil zweifelhafter und irreführender Massenware (nicht zuletzt auch aus kommerziellen Zwecken) einzudämmen dürfte bekannt sein.

Umso schöner ist es, dass nun Ziggy Marley gemeinsam mit dem Marley-Clan das private Archiv geöffnet und Regisseur Kevin Macdonald zur Verfügung gestellt hat, um eine umfassende Dokumentation zur Person Bob Marley`s zu erstellen, die versucht mehr zu sein als die Biografie und weitere Erhöhung einer „Pop-Legende“. Und auch als begeisterter Marley-Fan, der seit Jahren versucht alle möglichen Infos, jeden Interviewschnipsel und Kommentar zu sammeln, um einem tiefergehenden „Bild“ des Menschen Marley näher zu kommen, muss man nach den knapp 140 Minuten, die wie im Fluge vergehen zugeben, dass es dem Regisseur durchaus gelungen ist viele Zeitzeugen zu gewinnen, die „Robbie“ sehr nahe standen und bisher unbekannte Geschichten und Eindrücke zum Besten geben. Viele der Interviewpartner zeigten sich, so Ziggy, natürlich vor allem durch die Mitarbeit und Hilfe der Familie so offen und ehrlich gegenüber dem Engländer, der nach über neunzig eigenen Interviews und der Sichtung des überraschenderweise gar nicht so umfangreichen Filmarchivs versuchte, die Essenz des Menschen Marley zu begreifen und nachvollziehbar darzustellen.

Dass der Film dabei in Cape Coast, Ghana beginnt, dem Ort von dem aus Millionen afrikanischer Sklaven in die Amerikas und die Karibik inklusive Jamaika verschifft wurden, stellt hierbei einen wichtigen Link her, der nicht zuletzt verdeutlicht aus welcher Erfahrung und welchem Hintergrund zu Beginn der 1930er Jahre die Rastafari-Bewegung auf der Karibikinsel entstand. Welchen Einfluss Rasta-Elders, allen voran Mortimer Planno auf den jungen Rebel und seine Botschaft hatten, kommt mir persönlich in dem Film etwas zu kurz und hätte dem Thema „Frauen“ ruhig die ein oder andere Minute abgewinnen können.

Nichtsdestotrotz ist der Zweieinhalb-Stunden-Film detailreich und anständig recherchiert, ohne dabei langwierig zu wirken, sodass selbst die älteren Marley-Kinder nach dem Ansehen mit Tränen in den Augen zugeben mussten ihren Vater jetzt besser zu kennen und viel über ihn gelernt zu haben. Und das ist es ja schließlich, was ein Dokumentarfilm neben brillanten Bildern und guter Unterhaltung leisten sollte. So wird am Ende des Films noch einmal deutlich, welche Bedeutung Robert Nesta Marley und seine Musik noch heute auf der ganzen Welt haben, wenn beispielsweise genau die Mauer eingeblendet wird, vor der sich ein Mann aus Protest selbst anzündete und den Beginn des Arabischen Frühlings auslöste. Auf den Steinen der Wand fanden sich kurz darauf die Worte:

„Get Up, Stand Up! Stand Up For Your Rights!“

Auf der DVD/Blue Ray befinden sich außerdem noch drei Songs aus dem Konzert im Manhattencenter, sowie die Möglichkeit einen Audiokommentar von Regisseur Kevin Macdonald und (Mit-)Produzent Ziggy Marley einzuschalten, wodurch noch einmal weitere interessante Anekdoten und Infos auftauchen. Es lohnt sich also allemal zuzugreifen – und das nicht nur für Reggaeheads! „One Love“

About Coltjah

roots & dub selector, filmmaker & photographer, interviews & live reviews