Che Sudaka – Interview mit Leon und Kachafaz am 28.1.2011 vor ihrem Konzert in der Fabrik Altona, HH

Che Sudaka
Interview mit Leon und Kachafaz am 28.1.2011 vor ihrem Konzert in der Fabrik Altona, Hamburg.

Ihr kommt fast alle aus Lateinamerika und habt in den Straßen Barcelonas angefangen Musik zu machen. War das der Grund, nach Spanien zu kommen, oder gab es andere?

Leon: Also, am Anfang sind wir nach Europa, also hauptsächlich nach Barcelona, gekommen, weil wir die soziale Situation in unseren Ländern, wo wir nicht als Musiker arbeiten konnten, ein bisschen satt hatten. Es war sehr kompliziert. Wir hatten die Band und alles, aber wir konnten nicht von der Musik leben. Deswegen waren wir überzeugt, dass es unser Weg war und ohne uns wirklich gegenseitig zu kennen haben wir entschieden, auf einen anderen Ort zu setzen. Und die Wette ist gut ausgegangen, denn sobald wir ankamen, haben wir ohne Probleme in den Straßen gespielt. Und auch ohne Papiere. Es war also sehr gut, wir haben uns nicht vertan, die Musik war der Grund warum wir kamen.

Wie lief der Wechsel vom Straßenmusiker zum professionellen Studio- und Konzertmusiker ab?

Kachafaz: Also, auf der Straße Musik zu machen ist auch professionell, weil wir arbeiten. Auch auf der Straße. Du spielst ein Lied und die Leute geben dir eine Münze, weil sie dein Lied mögen. Darum geht’s als professioneller Musiker, dass man davon leben kann. Und das verändert sich auch nicht. Was sich verändert sind die Bedingungen, in denen du spielst. Man spielt nicht auf der Straße, sondern auf einer Bühne mit Aufnahmegerät und einem Haufen Technik. Du reist mit dem Flugzeug oder Bus, wie auch immer. Aber in Wirklichkeit, die Veränderung ist nicht in dir selbst, sonder in dem um dich herum. Aber professionell – das immer. Von Anfang an.

Gab es irgendeinen Moment, in dem ihr entdeckt wurdet oder sonst einen Schlüsselmoment für eure Karriere?

Leon: Als wir in Barcelona ankamen, spielten wir fast jeden Tag, aber manchmal als Arbeit und manchmal nicht, sondern aus Spaß. Und an so einem Tag, als wir gerade nicht arbeiteten, bot uns ein Freund, der ein Studio hat, an, bei ihm ein paar Aufnahmen zu machen, aber nicht irgendwie offiziell. Und so ist unsere Geschichte fast immer, aber ohne zu wollen, eigentlich.

Als ihr anfingt zu spielen, wie wurdet ihr von den Leuten in Barcelona behandelt?

Kachfaz: Gut, die Leute haben uns nie schlecht behandelt, überhaupt nicht. Also das gilt für die Leute. Das ist ein großer Unterschied zu den Gesetzen und den Grenzen und der Politik. Oder die Polizei. Aber die Leute haben uns sehr gut behandelt.

Also fühlt ihr euch als Teil der spanischen Gesellschaft?

Leon: Ja, denn wir bezahlen Steuern in Spanien. Wir sind keine Illegalen Einwanderer und bezahlen Steuern in Spanien. Also müssen wir uns zumindest Teil der Gesellschaft fühlen. Und als wir keine Papiere hatten, fühlten wir uns auch als ein Teil der Gesellschaft, weil wir menschliche Wesen sind und innerhalb einer Stadt leben. Wir sind nicht antisozial und glauben auch nicht, dass wir eine andere Realität leben. Wir sind einfach Arbeiter.

Als ihr ohne Papiere ankamt, gab es irgendeine Art von Ausländerfeindlichkeit gegen euch? Dass Leute euch sagen, dass ihr nicht willkommen seid?

Kachafaz: Aber warum sollten sie das tun? Weil es das, grade in letzter Zeit, viel in Deutschland gab.
Leon: Aber Hitler ist doch schon tot oder? (lachen beide)

Ja aber trotzdem sagen Leute, dass alle Einwanderer das Land wieder verlassen sollten…

Leon: Aber dumme und alberne Leute wird es immer geben. Wir glauben, dass alle Menschen überall gleich sind. Niemand hat uns so etwas ins Gesicht gesagt, das nicht, kein einziges Mal. Die Leute haben uns sehr gut behandelt. Das was du sagst, der Rassismus, ist überall, nicht nur in Spanien oder Deutschland, in der ganzen Welt. Nicht nur mit den illegalen Einwandereren, sondern auch mit der Hauptfarbe oder die Art zu denken, mit einem Haufen an Sachen. Aber gut, wir fühlen uns wirklich sehr gut in Barcelona.

Relativ oft findet sich politischer Inhalt in euren Texten. Habt ihr außerhalb der Musik noch irgendein Projekt oder ähnlich um eure Ziele zu erreichen, von denen ihr in den Lieder redet?

Leon: In unseren Texten sprechen wir über die Politik, aber es sind keine politischen Texte. Wir sind anti-politisch. Das liegt daran, dass wir nicht an die Art und Weise wie die Politik heute funktioniert, glauben. Zum Beispiel heutzutage: die meisten Politiker verfallen dem, was ich grade in der letzten Frage gesagt habe. Der Diskriminierung der Menschen ohne Papiere. Deswegen sind wir nicht einverstanden mit der aktuellen Politik. Was wir aber erreichen wollen ist, die Menschen zum Denken bewegen, dass sie die Macht haben zu entscheiden wie sie leben wollen. Wir glauben eher an die Freiheit der Menschen und des Individuums als an die Politik.

Das 2007veröffentlichte Album heißt „Mirando el mundo al reves“ (“Die Welt verkehrt herum ansehen”). Was sagt und das und hat es etwas mit dem Buch von Eduardo Galeanos zu tun, das den selben Titel trägt?

Leon: Also was es damit zu tun hat ist, dass wir Eduardo Galeano sehr zustimmen. In dem neuesten Album „Tudo E Posible“ gibt es ein Lied, das heißt „El Libro de los Abrazos“, welches genau der erste Teil eines Textes von Galeano ist. Also, Galeano, wenn wir schon von ihm reden, ist der einzige lebende Lateinamerikaner der sich dazu entschieden hat die Geschichte Lateinamerikas auf eine Art und Weise aufzuschreiben, wie sie nicht in der Schule unterrichtet wird. Wir bewundern ihn sehr und glauben, dass wir die Welt genauso wie er überkopf sehen.

Nun zur Musik. Könnt ihr uns eine Definition eure Stils geben?

Kachafaz: Also wir spielen viele verschieden Stile: Das geht von Hip-Hop, Ska, Rumba, Reggae, ein bisschen Salsa, Cumbia, es ist eine Mischung von alldem. Die Wahrheit ist, wir haben noch keine Möglichkeit unsere Musik offiziell zu definieren, was man braucht um in einem Club angestellt zu werden. Wir sind eine Band, der der Moment gefällt und die spielt, was sie mit einem Lächeln spielen kann und fertig.

Als ich euch das erste Mal gehört habe, dachte ich an Manu Chao. Habt ihr Kontakt mit ihm und wie ist eure Beziehung zu ihm? Ist er ein Mentor, Vorbild oder ein Freund?

Leon: Also, ein Vorbild ist eine gute Möglichkeit das auszudrücken. Denn er ist eine Person, die schon viele Jahre arbeitet, auf eine ordentliche und demütige Weise, ich glaube auf eine, mit der Welt verbundenen Weise. So dass man nicht nur auf seinen eigenen Bauchnabel guckt sondern schaut, wie die Wirklichkeit aussieht und versucht Bewusstsein zu wecken. Wir hatten das Glück ihn kennenzulernen, als wir gerade in Barcelona angekommen waren und wir haben gemerkt, dass er ein großes Vorbild ist und auch ein guter Freund.

Wie kann man das Publikum in Spanien mit dem Rest der Welt vergleichen? Gibt es Unterschiede?

Kachafaz: Es gibt Unterschiede, aber eigentlich sind alle Zuhörer verschieden, in Spanien gibt es verschiedene Regionen, in denen die Leute verschieden reagieren. Aber wir kommen sehr gerne nach Deutschland, weil die Leute hier gerne auf ein Konzert gehen um zu tanzen und Spaß zu haben. In Spanien gibt es häufiger, dass Leute an der Bar stehen, gucken und sagen „Ach das schon wieder, das sehen wir ständig“. Also hier in Deutschland ist es gut, weil die Leute zu einem Konzert kommen, um zu genießen und das Publikum ist wirklich gut hier.

Was ist euch wichtiger, dass die Leute auf eure Texte achten und darüber nachdenken oder, dass sie die Musik genießen?

Kachafaz (lacht): Beeeideeees!
Leon: Wenn du ein Lied veröffentlichst, hört es auf, deins zu sein, jetzt gehört es dem, der es hört. Wenn ich ein Lied von einer Band höre, kann mir der Text gefallen, oder die Musik oder beides. Aber wir machen einfach das was wir machen wollen und danach fliegt es, danach nimmt sich jeder was ihm was bringt, hoffentlich bringt es ihm etwas. Wir wollen, dass unsere Arbeit jemandem was bringt. Aber wenn es nichts bringt, ist auch nicht schlimm, was uns glücklich macht, ist die Tatsache es zu machen.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Beide (lachend): Gibt es eine Zukunft?? Du kannst nicht wissen ob es die Zukunft gibt!
Kachafaz: Das Problem der menschlichen Wesen ist, dass sie die einzigen Tiere sind, die Pläne machen. Wir denken lieber in der Gegenwart, denn die Zukunft existiert nicht, was existiert ist die Gegenwart.
Leon: Aber wir machen schon neue Sachen. Wir sind kurz davor ein Internetradio auf unserer Homepage zu veröffentlichen, Kacha macht das Programm mit Leuten aus der ganzen Welt, Leute aus Venezuela, Uruguay, Argentinien und Andalusien. Das ist etwas sehr Neues für uns, denn wir werden viel Musik spielen, die im normalen Radio nicht auftaucht. Außerdem nehmen wir gerade eine CD auf, die wir im Oktober fertig haben wollen. Außerdem haben wir viel visuelles Material, was wir bald veröffentlichen werden. Und übers ganze Jahr geben wir Konzerte, das sind die aktuellen Pläne.

Interview: Linus Haagen (01/2011)

http://www.chesudaka.com/

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King Toppa - Digital Dub Producer and Musician. i started my music with the irie ites soundsystem in the 90ies going on to produce dub and digital dancehall roots. I am part of the irie ites music label