Seeed
- Music Monks
Interview - 4.07.03 - Summerjam, Köln
Sie
singen, tanzen und reiten weiter durch ihre mit dicken Beats
bestückten Riddims. Ihre Stimmung war trotz des etwas langweiligen
und sich in die Länge ziehenden Nachmittags doch sehr positiv
und die Vorfreude auf den abendlichen Auftritt beim Summerjam
2003 in Köln war deutlich zu spüren. Vincent aka DJ
Illvibe (Turntables) und Jerome (Posaune) stellten sich jedenfalls
am Freitag den 4. Juli für ein Interview mit Miss Sundance
doch gerne zur Verfügung und beantworteten die Fragen sehr
entspannt und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen
...
Nach eurem spektakulären Debütalbum und der entsprechenden
Resonanz, der Erkrankung von Pierre und der dadurch entstandenen
Pause, ging's an die Arbeit zum zweiten Album. War es für
euch belastend, mit einem derart tollen Debüt und den hohen
Erwartungen der Fans im Rücken an die Arbeit zu gehen?
Jerome:
Ne, es war...es war kein Alptraum...es war... (lacht)
Es hat Spaß gemacht, weil wir im Jahr 2002 gar nicht so
viel gemacht haben. Deswegen war es gut, dass wir da Ende des
Jahres mit dem Album angefangen haben. 2002 haben wir nur auf
ein paar Festivals im Sommer gespielt und wir waren auf jeden
Fall scharf drauf, so weiterzumachen!
Über
die Titel von eurem neuen Album wurde immer wieder geschrieben,
dass ihr die Tunes klarer zwischen Reggae mit Roots-Einflüssen
und Dancehall unterscheidet. Ist es so was wie ein erklärtes
Ziel, die Melange des ersten Albums in Zukunft ein wenig mehr
in ihre Bestandteile zu zerlegen und klarer Unterschiede zu
setzen und deutlich zu machen?
Jerome: (lacht) Äh, vielleicht kann Vincent mehr dazu
sagen.
Vincent: Also wenn du meinst, dass es jetzt auf dem neuen
Album mehr so klingt, als würden wir es jetzt nicht mehr
so mischen... Ich finde nicht, dass es auf dem alten Album unbedingt
gemischt klang. Es ist ja schon so, dass wir meistens 50-50
prozentig Dancehall Tracks oder einfach auch Roots-Reggae Stücke
haben und das unterscheidet sich eben. Also die ganzen Roots
Tracks sind eigentlich nur mit Band aufgenommen und bei den
Dancehall Sachen ist es schon so, dass wir die größtenteils
programmieren und ich glaub', das mit der Mischung kommt dann
eher daher, dass wir mit Live-Instrumenten teilweise auch was
bei den Dancehallsachen machen oder auch mal einen elektronischen
Sound bei einem Roots-Stück haben. Aber es ist jetzt nicht
so, dass wir das eine nur ganz pur halten wollen, dass wir nur
noch elektronische Dancehall-Stücke und dann irgendwelche
Band-Roots-Tracks drauf haben, sondern, dass wir das schon mit
den unterschiedlichen Elementen mischen. Aber jetzt von den
Stilen her ist es schon klar, dass es Roots-Tracks gibt und
Dancehall-Tracks, wie man es auch immer nennen will. Es gibt
dann auch auf dem neuen Album ein paar Tracks, wo man vielleicht
nicht so ganz klar sagen kann, was es jetzt eigentlich genau
ist.
Nun,
und auf dem neuen Album gibt es deutlich mehr Titel zu hören,
die das gewohnte Mischmasch aus Deutsch, Englisch und ein bisschen
Patois zugunsten von Englisch aufgeben. Ist Seeed jetzt verstärkt
in Richtung internationaler Markt unterwegs?
Vincent: Also das ist auf jeden Fall was... ich schreib
ja nicht die Texte, aber ich weiß, dass Pierre auf jeden
Fall mehr Lust in letzter Zeit hat, englische Sachen zu machen
und auch, dass wir alle als Band jetzt gerne mal woanders spielen
wollen. Wir haben jetzt auch schon angefangen. Wir haben in
Amsterdam gespielt und jetzt am Sonntag spielen wir in Udine
in Italien und so ne Sachen ... ist auf jeden Fall, was wir
jetzt tun wollen Eben weiter aus Deutschland, Österreich,
Schweiz rauszukommen...
Da
tut sich für mich die Frage auf, warum ihr nicht mal auf
weiteren Sprachen singt, vielleicht Spanisch, Französisch,
Italienisch... Es gibt doch noch so viel anderes. Habt ihr mal
darüber nachgedacht?
Vincent: Eh, Naja... das ist ja jetzt nicht die Muttersprache
von irgendeinem von uns, insofern macht das jetzt nicht wirklich
Sinn, glaube ich...
Ihr wollt also lieber bei eurer Muttersprache bleiben...
Vincent: Ja, außerdem mit Patois, Englisch und Deutsch...
sind ja schon drei Sprachen. Also ich glaube, wenn man jetzt
mehr da machen würde, wäre das auch Schwachsinn.
Jerome: Also klar, wenn wir jetzt nen Franzosen oder so
in der Band haben würden, der das machen würde, warum
nicht, aber wir haben jetzt ja nicht so richtig einen, insofern
macht das keinen Sinn glaube ich...
Schon
bei "It's A Pity" habt ihr mit Tanya Stephens zusammengearbeitet.
Jetzt auf der neuen Platte bei "Double Soul" schon
wieder. Was macht sie für euch offenbar so wichtig? Wo
liegen ihre besonderen Qualitäten?
Vincent: Also ich find' die hat ne super Stimme, eine
sehr spezielle Stimme, die man auf jeden Fall überall raushört...
ich hab' sie jetzt selber nicht kennen gelernt, aber Pierre
meinte, dass es auch echt cool ist, mit ihr zu arbeiten...
Jerome: Ja, die hat ja auch auf dem Splash letztes Jahr,
als wir da gespielt haben, bei "Waterpumpee" ihre
Strophe gesungen und da hat Pierre auch ein bisschen den Kontakt
aufgebaut.
Wo
wir nun schon von Riddims sprechen, was war euch die Inspiration
für den Pharao Riddim? Böse Zungen behaupten ja, ihr
würdet euch dabei an der derzeitigen Begeisterung und dem
Hype für orientalische Klänge orientieren, nennen
wir mal den Bollywood oder Diwali Riddim, die sehr großen
Anklang und zudem ihren Weg in die Charts gefunden haben. Der
orientalische Einfluss ist ja auf der neuen Platte verstärkt
zu hören...
Jerome: Ja... (lacht)
Vincent: (lacht) Das liegt glaube ich daran...
Jerome: (lacht immer noch)
Vincent: Also das ist jetzt nicht so, das wir...
Ist schon klar, dass es im Moment viel solche Sachen auch im
Hip Hop gibt, also gibt's jetzt auch schon seit ein-zwei Jahren
diese orientalischen Sachen und natürlich ist man irgendwie
davon beeinflusst. Bei uns war es zum Beispiel so, bei "Pressure",
das ist ja auch eins von den orientalisch angehauchten Stücken,
dass wir den Song eigentlich schon hatten, als wir die erste
Platte gemacht haben. Der ist da nur nicht draufgekommen und
... das entwickelt sich dann einfach so, dass man dann zusammen
was spielt. Zum Beispiel der Bläsersatz für den Pharao,
der ist dann im Proberaum entstanden... da haben wir mal was
zusammen versucht und dann klang es erst so ein bisschen "ritterlich"
und dann dachten wir, das ist jetzt irgendwie zu "Mittelalter
mäßig"...
Aber das war dann auch einfach, was am coolsten klang. Wir stehen
einfach auch auf den Sound, wie das klingt. Das war jetzt nicht
so: <Ok, wir müssen jetzt auch unbedingt so ein orientalisches
Ding machen, weil es jetzt "angesagt" ist!> Ich
meine, es ist natürlich schön, wenn es gerade angesagt
ist, aber das ist einfach auch so gekommen, weil wir es eben
gut finden.
Jerome: Ja...den Song haben wir schon 2002 gespielt...deswegen
ist das jetzt auch nicht unbedingt extra nur für die neue
Platte gemacht worden...
Nach
der langen Pause, die ja auch für Live -Auftritte galt,
geht's jetzt wieder ausgiebig auf die Bühnen dieser Welt,
wie ihr bereits erwähnt habt und ... war es schwer wieder
live aufzutreten, gab's da irgendwelchen Anlaufschwierigkeiten?
Vincent: Naja, es gab insofern ein bisschen Anlaufsschwierigkeiten...
- oder willst du was zu sagen, Jerome?
Jerome: Nee...was...
Vincent: (lacht) Es war schon ein bisschen schwierig.
Unser erster Auftritt, der war ein bisschen unglücklich,
weil Pierre und Frank gerade noch in New York beim Mastern waren
und deswegen konnten wir gar nicht alle zusammen proben... Die
Band hat geprobt, nur mit Demba, mit dem einen Sänger,
und es war alles voll die hektische Aktion, weil das natürlich
mit der Platte sich alles hinausgezogen hat und dann sind wir
so n' bisschen ungeprobt zu unserem ersten Gig in Zürich
gegangen. Aber so nach dem ersten Gig, wo alles so n' bisschen
chaotisch war, sind wir da schnell wieder reingekommen... war
so kein Problem eigentlich.
Jerome: Seit September 2002 hatten wir mit der ganzen,
kompletten Band ein Mal vor dem ersten Gig geprobt...das war
ein bisschen "aufregend"...
Laufen
derzeitig eigentlich Überlegungen für Projekte bezüglich
der Zusammenarbeit mit weiteren (jamaikanischen) Reggae/Dancehall
Artists? Mit wem würdet ihr denn besonders gern zusammenarbeiten
und was ist für euch undenkbar?
Jerome: Naja, mit wem überhaupt nicht...da denkt
man nicht mal wirklich drüber nach. Ist ja auch Schwachsinn,
zu denken: <Mit DEM mache ich auf keinen Fall was>. Mit
Elephant Man zum Beispiel hätten wir Bock und vielleicht
mit Tanya Stephens noch weitere Songs, weil... das passt ganz
gut...
Wie
steht ihr eigentlich zu "schwulenfeindlichen" und
insgesamt menschenverachtenden Texten, die ja vor allem in der
Dancehall Szene weit verbreitet sind?
Jerome: Nee ... also das ist so n' Ding... Ich verstehe
das nicht unbedingt, weil wir HIER leben und nicht auf Jamaika
und da ist es was anderes. Ich steh' eigentlich überhaupt
nicht auf solche Texte, aber ich kann auch nicht sagen, die
sollen das nicht machen, oder die sind "doof" oder
ich weiß nicht was ... Ich würde nie, oder besser
gesagt WIR würden nie so'n Text singen...
Habt
ihr eigentlich schon mal darüber nachgedacht, weitere Mitglieder
von Seeed ans Mikro zu lassen oder herrscht die klare Einigkeit,
dass Enuff, Eased und Ear die Einzigen Stimmen in der Band bleiben?
Jerome: Es gibt ja drei Sänger und die sind eben
Sänger und die anderen sind Musiker. Ja, ich meine, man
muss schon drauf haben, zu singen...also bei mir ist es zum
Beispiel so: Ich komme aus der Schweiz und meine Muttersprache
ist gewissermaßen Französisch...
Also kann hier doch jemand Französisch...
Jerome: (lacht) Ja ja, klar... aber so singen ist was
anderes. Aber vielleicht kann ich, wenn ich übe, in 10
Jahren dann mal ne Strophe auf Französisch bringen.
Von
welchen Musikern fühlt ihr euch persönlich am meisten
beeinflusst? Spielt diese Musik, die euch vielleicht bereits
in eurer frühen Jungend begeistert hat, bei der Entstehung
neuer Tunes eine gewisse Rolle?
Vincent: Ja klar, aber das ist bei uns in der Band so:
Das sind echt 11 verschiedene Leute und es ist auch ganz unterschiedlich,
wo die musikalisch herkommen. Es ist nicht so, dass wir das
Selbe in unserer Jugend gehört haben. Die meisten Songs
kommen von der ursprünglichen Idee her auch von Pierre.
Aber ich hab' früher viel Hip Hop gehört und unser
Gitarrist spielt auch noch in einer Metal Band und Jerome spielt
in einer Jazz Band. Wir haben alle so Sachen, die wir mit einbringen...
Na ja, mit Einbringen ist immer so'ne Sache, wenn wir jetzt
alle ganz viele verschiedene Stile mit einbringen würden,
dann wäre das auch nicht ganz so gut. Es geht ja auch darum,
eine klare Linie in dem Sound zu haben. Wir treffen uns schon
alle da, dass wir auch eben alle auf Dancehall/Reggae stehen
und klar, so was wie Turntables gibt es ja normalerweise nicht
in einer Reggae Band oder irgendwelche Sounds... Wir versuchen
schon immer wieder, was Neues zu machen und dabei hilft sicherlich
auch, dass man nicht nur Reggae und Dancehall hört. Immer
nur auf eine Sache beschränken, das tun wir nicht.
Und
wie seht ihr eure Musik in der Zukunft, wird es wieder eine
längere Pause geben um anschließend mit neu gesammelten
Kräften im Überraschungseffekt die Charts zu stürmen?
Vincent: Ja, also ich könnte mir vorstellen - wir
machen ja noch ne Tour im Herbst und danach brauchen wir alle
mal ein bisschen Urlaub. Also das letzte Jahr Platte machen
und jetzt Spielen im Sommer - und dann Herbsttour ... Aber dann
nächstes Jahr spielen wir auf jeden Fall auch wieder auf
Festivals, denke ich. Wann wir jetzt genau die nächste
Platte machen...wir haben uns vorgenommen, die ganze Zeit weiter
an neuen Stücken zu schreiben, aber nach dieser Herbsttour
wird auf jeden Fall erst Mal ein paar Monate Ruhe sein ... das
muss auch sein. Ich glaube aber nicht, dass es wie wegen Pierre's
Krankheit noch mal eine erzwungene Pause geben muss. Also das
nicht... Aber das wir über den Winter einfach mal für
ein bisschen länger wegfahren... Man bastelt ja auch ab
und zu, einfach wenn's gerade so kommt, an neuen Sachen rum.
Jerome: Es ist ja so, dass wir auch im Ausland weitermachen
wollen oder müssen... Im Winter, wenn es sich ergibt, dass
man in Frankreich oder so touren kann, machen wir das wahrscheinlich
auch, aber das ist alles noch nicht so klar und geplant...
Interview: Jamilah Sundance (jamilah_sundance@hotmail.com)
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Irie Ites-Review des Albums geht's HIER!