Dubblestandart
Immigration Dub

Ein Interview mit Paul Zasky.

 

Wie kommt es, dass ausgerechnet in Wien eine so hohe Affinität zu Downbeat/Dub anzutreffen ist?

In Wien sitzt man so irgendwie in der Mitte von Allem und bekommt die Rundumszene aus dem UK, den USA oder Jamaika gefiltert durch den Recorddealer oder Club deines Vertrauens mit. Mainstreammedien hier leben noch immer irgendwo den Poprockwahnsinn des Austropops. Das war Anfang 90 so und ist es nach wie vor. Dass es Bands wie Kruder & Dorfmeister, die Sofa Surfers oder uns gibt, die seit Jahren international touren, interessiert den ORF nicht die Bohne. Und die Indie Acts haben auch längst auf diese ganzen Oldschool-Pflaumen gepfiffen. Dadurch hat sich aber auch ein gewisser Trotz entwickelt. Gegen das oft ziemlich rechte Austrogehabe schafft die Konzentration auf Experiment, electronische Sounds, Heavy Dub Bass wohl einen gewissen rebellischen Abstand zu der ganzen Oberfläche hier. Der Österreicher ist ja obendrein auch ein Grübler und permanenter Hinterfrager, Zerleger und neu und anders Zusammenbauer und will sich aber dabei auch gut fühlen und ein wenig lazy bleiben können. Fazit: Wir konnten mentally nur nach Dub-Jamaica gehen....

Mittlerweile kommen viele internationale Acts ja auch nach Wien, 1988 musste man alles noch wesentlich virtueller angehen. Die ganzen Soundtüftler hier haben mit dem oft klassischen Musikbackground gebrochen, durch den, sag ich mal psychischen Knick den diese Stadt hat, hat diese elektronische Musikfrickelszene begonnen. Am Ende des Tages sind die ganzen Kruder & Dorfmeisters, Shuga Dub Clubs, Sofa Surfers, und meine Wenigkeit ins selbe Gymnasium gegangen und irgendwann hat sich aus einem kleinen Haufen dann Verschiedenes zu entwickeln begonnen. Wenn der November über der Stadt hängt und die Schatten von Orson Wells "Dritten Mannes" an den 1000jahre alten Mauern vorbeihuschen, sich das Ganze mit Urban-City-Life-Vibes verbindet, musstest du als Paul Zasy von Dubblestandart irgendwann in den Proberaum im Keller steigen, On-U verherrlichen und eigene Heavy Bass Riddims basteln...Die Suche nach Erdung durch Musik ist im Downbeat und hier in Wien wohl on every corner .....

Wenn ich mir das neue Album anhöre, so fällt mir auf, dass sich euer Sound grob vereinfacht zwischen zwei Polen bewegt: etwas dunkleren, treibenden (wie etwa bei "We All Have To Get High") und verspielt-fröhlichen Sounds (z.B. "When I Fall In Love"). Findet ihr euch in dieser Polarisierung wieder?

Der Song "We All Have To Get High" symbolisiert ziemlich ultimativ den aktuellen Dubblestandart-Sound - High-Energy Dub, heavy Bass, spacy, psychedelic und mit der von den Doors geklauten und ins ironische "Lets Get Lost"-Universum gezoge-nen Line "out here we are stoned, we all have to get high". Das Ding ist live auf 2 Inch analog draufgeklopft - Robbie und ich haben dann noch ein wenig overgedub-bed und Devon, mit dem wir ja schon lange arbeiten, hat dann die tiefsinnige (haha) Phrase "we all have to get high" beigesteuert: Der Hohepriester des psychedeli-schen Weltraums hat gesprochen! - quasi. Ken Boothe, den ich ja mit Devon schon einige Male bei Videoshootings oder Produktionen in Kingston getroffen hab, hat uns die Originaltracks seines Songs "When I Fall In Love" zukommen lassen. Da konnten wir mal wieder als Remixer im virtuellen Dubraum rummachen. Von der Full Power Live Band bis hin zum Studio-Tüfteln ist es das, um ehrlich zu sein, was wir seit den "early days" immer machen wollten.


Dub wird weltweit gerne am Computer zusammengeschraubt. Ihr spielt ihn hingegen live auf den Bühnen der Welt. Wo seht ihr die Vorteile, Dub live zu spielen?

Ich denke es geht nicht so darum, ob es ein Vorteil ist. Es hängt vom Konzept ab. Die ganzen neuen Dubstep-Sachen mit ihrer ungeheuren, tiefen Energie entstehen alle im Studio. Uns beeinflusst diese Szene derzeit durchaus. Unser Ansatz war halt auch immer das eigene Bedürfnis, ganz simpel und einfach gemeinsam Musik zu machen. Nach Schule usw. hingen Anfang der 90er die Leute in einem compound ab, hörten Musik, versuchten sich einen Reim auf das Leben und die Welt zu machen. Das Ganze halt mitten in Europa in einer Post-New Wave-Zeit mit einer aufkommenden neuen Ökonomie und dem Bedürfnis, sich aus allem rauszunehmen. Da waren Dubreggae-Vibes, ob nun britischer oder jamaikanischer Ausprägung der Kosmos . Plus: ich sag es profan, wenn ich uns heute nach all den Jahren so anschaue: ge-meinsam ordentlich abzurocken und das mit Hirn (in unserm fall ist das Hirn in der bassmembran zu suchen) war auch ein Ziel.

Die Energie des Publikums fließt direkt über, du reagierst auf jedes Publikum, jeden Tag, jeden Ort anders und das Publikum auf dich. Dub live heißt, die im Studio pro-duzierten Tracks neu und vor allem gemeinsam mit dem Publikum zu interpretieren.

Welche Rolle spielt bei euch die Computertechnik bei der Band?

Robbie Ost hat ja immer schon mit all dem Hi-TechGear und den alten, analogen Sachen experimentiert. Dub ist für mich sowieso nach wie vor die Musikrichtung, wo bereits Anfang der 70er mit all dem gearbeitet wurde, was heute alltäglich ist. Vor allem aus Instrumentals zu gesungenen Songs eigene neue Tracks ohne Leadsän-ger aber mit einer vollen Struktur zu machen. Wir haben anfangs ja nur mit 4-Spur-Sachen und dem Kram, den wir uns leisten konnten, produziert. Ähnlich den Anfän-gen in den Studios in Kingston. Electronics sind fixer Bestandteil bei uns und zwar in der Brücke des Sounds der alten Geräte zur Bearbeitung von Livesessions mit mo-dernster Studiotechnik.

Wie kommen bei einer mehrköpfigen Band die Songs zustande. Ist es ein ge-meinsamer Prozess, bei dem jeder seine Ideen einbringt, oder habt ihr so et-was wie einen Bandleader/kreativen Kopf, der das Ruder in der Hand hält?

Live gibt es einfach Bass, Gitarre, Keys und Schlagzeug, die gleichberechtigt die "Basic Sessions" einspielen. Im Studio schrauben ich und Robbie das Ganze dann zusammen, wobei Robbie definitiv der Mischpultattentäter ist und quasi meine Ohren in seinen heiligen Händen hat und das Ganze umsetzt. Nachdem die Jungs eher im Hintergrund agieren wollen kümmere ich mich sozusagen um den Kontakt zur Au-ßenwelt...bei uns gibt es kein Management, wir machen alles selbst.

Ihr habt euch für insgesamt 3 Coverversionen entschieden. Neben "Wadada" vom Dub Syndicate und "MPLA" von Tappa Zukie nehmt ihr euch "Money" von Horace Andy und dem Klassiker "When I Fall In Love" von Ken Boothe an. Wie kam es zu eben genau dieser Auswahl?

"Wadada" kam über die Livesession die wir letztes Jahr mit Little Axe AMS bei unse-rer Kanada-Tour machten, zustande. Da hatten wir auch mal mehr Zeit, mit Adrian Sherwood, Doug Wimbish, Skip, Keith Le Blanc und den anderen Originalen von On-U Sound zu arbeiten. Wir haben dann die Original-Samples von Prince Far I bekom-men und das Ding wurde eingetütet. Tappa Zukie kenne ich ja ebenfalls über Devon wenn ich in Kingston bin, dadurch haben wir den Track im Vorfeld rechtlich bei einem Reasoning geklärt. "Money" kam durch den Support von Nicolai von unserer Plattenfirma Collision zustande, der sowieso die halbe oder ¾ der Dubreggaeszene kennt. Die Tracks entsprechen auch unserem Commitment und Respekt für originalen Dubreggae, auch vielleicht um klarzustellen, dass wir starke mentale Verbindungen zu Reggae haben und nicht irgend ein weiterer elektronischer Act sind, der hier einfach Reggae Styles benutzt. Ich hab da sicher eine etwas radikalere Meinung, da für mich so der-maßen viel in der heutigen Musik auf die Experimentierfreudigkeit der Kollegen auf Jamaika zurückgeht.....

Was macht für euch eine gute Coverversion aus?

Sie muss rocken, ein Feeling haben, sollte das Original nicht in den Dreck ziehen und eben eine interessante Neuinterpretation passend zu uns sein....

Bei "Wadada" ist Prince Far-I zu hören. Er spielt gerade im Bereich Dub auch posthum noch eine große Rolle. Wie erklärt ihr euch das?

Die Stimme ist so dermaßen mighty und hat auch dieses Unergründbare und Mysti-sche. Ich find ja frühe Dubwerke auch deshalb so spannend weil die Aufnahmen mehr sind als die Summe der Studiotechnik: Kingston, die Vibes, die Hitze, political structure, the smell of the air, the dust, the agony but also the faith in the music und der Rhythmus, wie ein Atem holend und immer wieder kommend. Prince Far-I hat auch diesen entrückten Highpriest Autoritätstouch....Und diese Mystik und Entrücktheit findet wohl die ganze Welt inspirierend.

Ihr reist demnächst nach New York, um euren Dub zu spielen, danach nach Frankreich. Erlebt ihr Unterschiede im Publikum?

Es hängt primär davon ab, ob wir die Vibes des Publikums gefühlsmäßig aufnehmen und das Publikum die unseren. Wenn das klappt wird überall eine Heavyweight High Energy Dub Party draus. Fakt ist das die Crew in Kanada & USA am schnellsten mit-rockt und sie in unserer Heimatstadt Wien am reserviertesten sind. Da ist es eben unser Job, so gut zu sein, dass sie schlussendlich doch mitgehen. Aber mit Jah Po-wer ist es bis jetzt immer gut dahingegangen........

Interview: Karsten Frehe (05/2007)