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Endlich! Nach drei Jahren "Pause" liegt nun das neue Album von Nosliw vor. Fast schon programmatisch heißt es "Mehr Davon" und wie erwartet enthält es eine ganze Reihe von hitverdächtigen Tunes mit Ohrwurmgarantie. Gerade hier punktet Nosliw schon seit Jahren und gehört unbestreitbar zu den "Veteranen" der jungen deutschen Reggaeszene. Unablässig tourt er durch die Hallen und Clubs des Landes und verbreitet seine Botschaften und Vibes.

"Mehr Davon" heißt dein neues Album. Wieder ist es zum allergrößten Teil in Zusammenarbeit mit Teka von Rootdown entstanden. Was macht eure Zusammenarbeit aus deiner Sicht so fruchtbar!?

Wir sind vom Typ her sehr unterschiedliche Charaktere. Was uns dabei verbindet ist die Arbeitswut und die Detailverliebtheit. An Stellen an denen der Song für mich schon voll in Ordnung ist hat Teka noch mindestens 4 Dinge die er ausarbeiten möchte und umgekehrt. Somit schieben wir uns gegenseitig immer wieder an. Natürlich geht dieser Perfektionismus auch mal nach hinten los, da wir auch zwei tierische Dickköpfe sind, aber meistens ist es eine perfekte Ergänzung.

Mit "Immer Wieder Hören" und einer Danksagung im Booklet zum neuen Album, in der du dich bei allen "Soundsystems in den Big Cities und auf dem Dorf" bedankst, zollst du der immer noch stetig wachsenden Soundsystemkultur in Deutschland Respekt. Du bist nun schon lange dabei: Hat sich aus deiner Sicht nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ etwas bei den Sounds verändert?

Ich denke schon. Ich sage nur Worldclash 2005. Manche deutschen Sounds sind ja mittlerweile regelmässig europaweit unterwegs. Es gibt auch viele junge talentierte Sounds, die aus den Erfahrungen ihrer Vorreiter momentan enorm profitieren. Sollten sie die Foundation zu schätzen wissen, sage ich eine rosige Zukunft vorraus.

Durch die unzähligen Soundsystemshows hast du seit Jahren einen Blick "von oben" auf die Massives im Land. Gibt es hier zwischen den Städten und Dörfern wesentliche Unterschiede? Wo gefällt es dir am besten?

Auf jeden Fall! Es gibt Städte in denen die Leute überhaupt keine Ahnung haben. Der MC muss es dann mit ´nem Haufen Handtaschentussies und Suppenkaspern aufnehmen, die überhaupt nicht begreifen wollen warum der jetzt ihren schönen Sean Paul-Song volllabert. In anderen Gegenden sind die Leute richtig gut erzogen und bestens informiert. Denen braucht man nicht erst erklären, dass sie den Dance in der Hand haben und was zu tun ist um richtig Alarm zu geben. Wo´s am besten ist sag´ ich nicht. Macht doch mal ein anonymes Voting der Soundbwoys und Artists : )

Immer wieder schlägst du in deinen Liedern auch gesellschaftskritische Themen an, wie etwa bei "Es Hat Sich Nichts Geändert" von "Mehr Davon". Hast du das Gefühl, Musik kann hier etwas bewegen? Gab es schon derartige Resonanzen deiner Hörer?

Sie kann! Das hat sich schon durch viele Mails von Hörern bestätigt, die mir schrieben, daß sie z.B. durch "Ich geb´nicht" auf dazu animiert wurden ihren Bürojob zu kündigen und doch noch zu studieren, oder durch "Nur dabei" angefangen haben sich politisch zu engagieren. Aber in erster Linie soll Musik zusammenführen, denn jede Bewegung braucht eine gemeinsame Stimme, da würde es auch reichen wenn alle zusammen "lalala" singen, während sie auf der Strasse stehen um gegen einen Naziaufmarsch zu demonstrieren. Hauptsache laut und viel!

Während sich Seeed, z.B. mit "Ding" immer mehr in Richtung Mainstream-Pop-Band entwickelt, bastelst du immer auch, wie gerade gesagt, kritische Inhalte in die Alben mit ein. Würdest du dich selbst auch ein wenig als Moralisten bezeichnen, der mit dem Zeigefinger auf menschliche Defizite zeigt?

Ich versuche gerade nicht mit dem erhobenen Zeigefinger herumzulaufen. Ich bin mir meiner eigenen Verantwortung und einem Grossteil meiner Fehler bewusst und versuche mich immer mit in die Kritik zu nehmen, wenn es um gesellschaftskritische Themen geht. Wenn Politiker oder Wirtschaftsbosse Scheisse bauen, haue ich natürlich voll rein. Oft weiss ich es aber auch nicht besser zu machen, ich will aber bestimmte Probleme nicht in Vergessenheit geraten lassen und Denkanstösse zu Lösungen anbieten. Jeder Künstler hat in meinen Augen die Pflicht zu mobilisieren, wenn er das Privileg hat zu den Menschen vordringen zu können. Das heisst aber nicht, daß ich nicht auch Liebeslieder schreiben kann oder Partybounceclubshit. Für mich steht die Musik an erster Stelle. Wenn die Aussage super ist, aber der Gesang und die Produktion scheisse, ist der Song scheisse.

Auf "Nicht Mehr Da" wird ein endgültiger Abschied besungen - es klingt ganz nach einem Todesfall. Hat der Song einen persönlichen Hintergrund?

Ja.

Du bist zur Zeit live mit den "Magnetics" als Band unterwegs. Wo siehst du ihre besonderen Stärken?

Sie haben ihre Instrumente am Start, kiffen mir nicht den Backstage zu, saufen nicht, machen nichts kaputt und spielen was ich will. Ausserdem sind sie alle wirklich gute Live-Musiker mit viel Erfahrung, von der ich bei den Proben sehr profitiere. Und einen Haufen Spass kann ich auch mit denen natürlich auch haben!

Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Artists singst du ausschließlich und gut verständlich auf Deutsch - ohne eingedeutschtes Patois zu verwenden und damit Klischeeschubladen zu ziehen. War das für dich am Anfang deines Weges eine grundsätzliche, fast programmatische Entscheidung?

Das kommt noch aus meiner Rapper-Zeit. Angefangen habe ich natürlich auf Englisch. Aber da mir schon immer die Inhalte sehr sehr wichtig waren, wollte ich natürlich, dass sie diejenigen verstehen, die ich auch ansprechen will. Ausserdem ist es eine riesen Herausforderung gute deutsche Texte zu schreiben, die dann auch vom Flow her in den Black Musik-Rahmen passen. Ich habe mir nie gesagt: "Ich will der Samy Deluxe des Reggae werden.", aber ich empfinde es als völlig überflüssig ein weiterer Artist mit mässigem Patois zu sein. Tut mir leid, aber nach Gentleman kommt, in Sachen Patois, lange lange lange gar nichts. Er ist auch der einzige dem ich das abkaufe. Auch wenn z.B. Ronny Trettmann inhaltlich / textlich so gar nicht mein Fall ist, so erzählt / singt er wenigstens in seiner Heimatsprache. Ich habe manchmal das Gefühl, die meisten trauen sich einfach nicht ihre Billo-Texte auf Deutsch zu singen, weil sie wissen wie peinlich sie sind. Ich habe mir schon oft gedacht, dass ein paar verkaufte Platten in Frankreich, England, Amerika oder Japan nicht schlecht wären, aber Rammstein und Tokio Hotel machen mir dann ja wieder Mut, dass es auch auf Deutsch klappen kann!

Nach "Immer Wieder Hören" wird es sicherlich eine zweite Singleauskopplung geben. Ich vermute mal "Liebe" featuring Gentleman. Kannst du jetzt schon die Katze aus dem Sack lassen?

Ich lasse das Album erst noch etwas einwirken und hole mir weiter Feedback von außen ein, dann lege ich mich fest. Kandidaten für die zweite Single gibt es genug!


Interview: Karsten Frehe (04/2007)


Zum Review des Albums!