"J.A.C."
steht für die Anfangsbuchstaben der drei Söhne
von Rupert Huber und Richard Dorfmeister aka TOSCA - Joshua,
Arthur und Conrad heißen sie. Vaterwerden schlägt
sich also beim Albumtitel nieder .... Zum Glück,
will man sagen, hinterlässt das keine großen
inhaltlichen Spuren auf dem Album. Es ist kein Hörspiel
für Kiddies geworden sondern knüpf nahtlos an
die Vorgänger an und entwickelt den Sound konsequent
fort. Dabei ist vor allem hervorzuheben, dass sich Tosca
zunehmend als Projekt präsentiert, das dem Begriff
Band immer näher kommt. So gabe es zwischen 2003
und 2004 bereits Auftritte mit echten Instrumenten und
mehreren Musikern sowie Sängern, wie z.B. Earl Zinger,
Graf Hadik und Farda P. Na klar verdrängt das nicht
elektronische Einflüsse. Die sind nach wie vor deutlich
zu hören - schwer ist es jedoch zu unterscheiden,
was nun wie generiert wurde. Dicht, harmonisch, vielseitig,
warm und rund kommt der Sound daher. Neben den eben genannten
gibt es auch neue Stimmen auf "J.A.C." (!K7
Records) zu hören. So überzeugt vor allem die
aus Ägypten stammende und in Paris lebende Samia
Farah bei "Heidi Bruehl". Mächtig überraschend
ist der Auftritt von Chris Eckman von den Walkabouts aus
Seattle. Mit ihm hätte man in dieser Ecke nicht unbedingt
gerechnet, auch wenn er sich schon immer experimentierfreudig
gab. Er greift bei "John Lee Huber" auch in
die Saiten. Alle zusammen haben sie ein rundum gelungenes
Tosca-Album kreiert, das darüber hinaus in einem
aufwendigen Leder Einband in den Regalen steht ....
Rupert Huber und Richard Dorfmeister im Interview mit
Stephan Oettel.
Wie
löst Ihr das Problem, einerseits den Fans einen verlässlichen
Sound zu bieten und Euch andererseits als Künstler
weiter zu entwickeln?
RD:
Ich glaube, die Fans wachsen mit uns. Die werden ja auch
nicht jünger. Die haben dann ja auch Kinder in Wirklichkeit.
Die leben ja mit dir. Und so beschreibt es dann ja auch
wieder ein Jahr, jetzt schon rückblickend, ein Jahr
deiner Entwicklung, und du erinnerst dich an all das,
was passiert ist. Also mir geht das so. Aus dem Jahr 1993
habe ich die und die Platten und da war die und die Musik
wichtig. Das ist dann das ultimative Tagebuch. Deshalb
würde ich meine Platten auch niemals verkaufen. Weil
das, fast besser noch als ein Fotoalbum, so viele Erinnerungen
wachruft, die sich in keinem Text oder Fotoalbum speichern
lassen. Ähnlich wie die alten Tapes in der Schule.
Das hat unglaublichen Wert, finde ich. Und so beschreibt
das jetzt das Jahr 2005, mit den Kids, neue Situation.
Kann man jetzt noch nicht beurteilen, ob das gut oder
schlecht ist, es ist einfach. Deshalb machen wir das alle
paar Jahre mal, um zu sehen, wo man steht.
Das
Album trägt die Namen Eurer Söhne (J.A.C. =
Joshua, Arthur, Conrad). Inwieweit haben die Kinder Euer
Leben verändert und wie äußert sich das
in Eurer Musik?
RH:
Ein gutes Element ist, dass das eine schöne körperliche
Erfahrung ist, wenn so ein Ding auf einem rumkrabbelt.
Der Arthur hat mich die längste Zeit in den Zeh gebissen,
das war lustig. Jetzt ist er anderthalb Jahre alt, so
mit einem Jahr halt. Dadurch ist es eigentlich, wenn man
vorher so mit sich selber mehr oder weniger allein ist,
ist es ein bisschen entspannter geworden, von der körperlichen
Seite. Das löst beim Spielen vielleicht ein paar
Barrieren, die man sonst hätte aus Vorsicht oder
aus Isolation. Dadurch, dass das für kurze Zeit,
bis die größer werden, die physische Isolation
auflöst, kann man vielleicht sagen, dass das Spielen
besser fließt oder die Finger einfach mehr von selber
loslaufen. Also das wäre jetzt wirklich der einzige
wirkliche Zusammenhang mit der Babygeschichte.
RD: Wir wollten die Kinder auch nicht als Verkaufsargument
hochziehen. Vielleicht kommt das im Pressetext falsch
rüber. Das ist eigentlich nur eine Widmung an die
Kids, die sich dann in zehn Jahren vielleicht darüber
freuen, dass wir ihnen das damals gewidmet haben. Aber
mehr soll es eigentlich nicht sein. Wir halten die Babies
nicht als Verkaufsargument hin, you know.
Wie
wirkt sich die Vaterrolle auf Eure Arbeit als DJs aus,
wo man doch meist nachts arbeitet und viel unterwegs ist?
Ist das noch in bisheriger Form machbar?
RD:
Weniger, und dann bist du aber auch wahrscheinlich besser,
weil konzentrierter. Alles ist relativ, hat einen anderen
Wert bekommen. Wichtigkeiten haben sich völlig verschoben.
Also jetzt so daily moodiness oder schlecht aufgelegt
sein wegen irgendetwas, ich glaub nicht, dass das noch
in der Form vorkommt. Ich mein, natürlich kommt es
vor, aber anders. Weil du das immer in Relation zu deinem
Kind siehst. Da werden so viele day-to-day problems so
lächerlich. Vielleicht wird man dadurch auch im Studio
besser und nutzt die Zeit konkreter und ist vielleicht
auch beim Auflegen besser, weil man es, glaube ich, stärker
spürt.
Hat
Musik an Bedeutung verloren?
RD:
Ich finde das super, dass Musik immer noch solch einen
Stellenwert hat. Also zumindest für gewisse Leute.
Vor allem, wenn man in England ist, wo Popmusik eine unglaubliche
Bedeutung hat im kulturellen Bereich, viel mehr als bei
uns, fast vergleichbar mit dem Stellenwert von Oper oder
philharmonischem Konzert in Wien, zum Beispiel ein neues
Album von David Bowie oder irgendeine neue Indie-Band.
Uns ist unsere Musik halt auch sehr wichtig, obwohl wir
es eigentlich gerne ins Absurde ziehen und uns intern
darüber lustig machen, was sonst wohl auch niemand
anderes lustig findet. Diese Art von Schmäh, dieser
Aspekt ist nach wie vor da. Ich glaub, wenn der irgendwann
mal weg sein sollte, dann stimmt irgendetwas nicht mehr.

Äußert
sich diese Leichtigkeit in so lustigen Songtiteln wie
"Naschkatze", "Damentag" und "John
Lee Huber"?
RD:
Lustig ist ja für dich wahrscheinlich überhaupt
nicht witzig, das ist ja schon für uns im Ansatz
höchstens halblustig. Aber ich glaub, wir brauchen
das einfach. Wenn das so eine irre Bedeutungsschwere bekommt,
dann wollen wir das nicht mehr haben.
Leichtigkeit
beweist Ihr auch mit den Texten Eurer Songs. Deren Inhalt,
so überhaupt vorhanden, ist meist sekundär.
Welche Funktion haben die Texte Eurer Songs?
RD:
Also wir haben auch einen Ragga-Track aufgenommen, der
nicht auf dem Album ist, wo im Patois-Stil gesungen wird:
"Solve the problems, we have to work to unite the
world, Babylon" und der ganze Wahnsinn. Ich glaube,
da sind wir die Falschen. Verbessert die Welt - mehr um
die Ecke gedacht, als so vorsätzlich mit Zeigefinger.
Denn das machen wir gar nicht.
RH: Das war halt immer die Idee und das gilt nach wie
vor, dass man die Stimmen wie ein Instrument sieht. Bei
"Fuck Dub" war das "dadadadida". Vom
Text her ist "Suzuki" vielleicht die Weiterentwicklung
mit "tschktschk". Und dann sind wir eigentlich
so weit durchgestiegen in dem Thema, dass wir wirkliche
Texte trotzdem so behandeln, als ob es eine Gitarrenstimme
oder so wäre. Deshalb ziehen wir es vor, wenn es
in den Nonsens oder ins Assoziative rutscht und nicht
so "ich fühl mich gut" oder "ich fühl
mich schlecht" oder "wählt Ratzinger"
oder irgend so etwas.
RD: Can haben das ähnlich gemacht. Can haben immer
absurde Vocals verwendet. Bei uns war das eher zufällig,
dass uns das mehr angesprochen hat, weil wir aus der Instrumentalmusik
kommen und die Vocals wie ein Instrument behandeln. Oft
ist das den Vokalisten auch nicht ganz klar, wieso wir
das machen und dann oft Teile aus den Aufnahmen verwenden,
die gar nicht für die Aufnahme gedacht waren sondern
eher von diesem Denken kommen. Das ergibt dann auch Teile
unseres Stils, scheinbar.
Wie
kam es zu Songtiteln wie "Heidi Bruehl"? Seid
Ihr alte Immenhof-Fans?
RH:
Überhaupt nicht. Da war ich damals schon zu alt dafür.
Irgendwie kam das so, dass wir beschlossen haben, bei
dem Album, im Zuge des Gesichterzeigens und Hosenrunterlassens,
dass wir bei den Arbeitstiteln geblieben sind. Es zieht
sich durch, dass das eigentlich lauter Nonsens-, im Duo-Produktionszug
entstandene Titel sind. Dadurch heißt es "Heidi
Brühl", weil es nicht Udo Jürgens heißt.
Der
Song "Pyjama" von "J.A.C." erinnert
an Roy Ayers. Eine Inspiration für Eure Musik?
RH:
Na ja, das ist sicher eine Ecke, die wir nicht total ausschließen
können aus dem, was wir mögen, sagen wir mal
so. Eine Wirtschaftsministerantwort. Das sind eigentlich
immer irgendwelche Assoziationen, wo man ein Wort in die
Luft wirft, weil das grad so klingt. Das war jetzt "Pyjama"
versus "Nachthemd", ursprünglich. So wie
durch die Basslinie und die Vibraphone und die Keyboardlinien
und dann diese Brasilo-Gitarre nachher - als ob das so
eine Diskussion wäre: wer ist jetzt besser? Im Pyjama
schlafen oder mit Nachthemd schlafen oder nackt?
Wie
wählt Ihr Eure Gastvokalisten aus? Auf "J.A.C."
finden sich dieselben Namen wie bei "Dehli 9".
Eine Art Familie?
RD:
Wir erweitern unseren Familienstamm. Nicht nur indem wir
Kinder zeugen, sondern auch indem wir unsere Sänger
gut pflegen. In gewisser Weise Leute, die keine Weltstars
sind, sondern Menschen, mit denen wir uns auch so gerne
mal treffen und mal abhängen können, wo es nicht
nur so ein professioneller Aufnahmecheck ist. Das ist
ganz wichtig für uns. Leute, wo man das Gefühl
hat, man würde live spielen und es geht total schief,
aber es gibt keinen Eklat. Solche Personen ziehen wir
an. Diese Leichtigkeit, die es dann dadurch bekommt, hält
das Ganze in einem Bereich, der noch Spaß macht.
Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres als wenn einen
alles so bedeutungsschwanger beschwert, dass es nicht
mehr auszuhalten ist. Ich glaube, das gelingt uns ganz
gut. Wir sind auch sehr gut im Verfassen von Songs. Das
haben wir uns seit der Schulzeit so angelernt, dass wir
einfach mit zwei Gitarren, oder einer Gitarre und einem
Bass, zwei Bässen oder zwei Pianos, einfach zwei
Instrumenten, von mir aus zwei Bongos, aus dem nichts
heraus eine Skizze entwerfen können. Das geht nur
zu zweit und würde alleine nicht funktionieren. Das
ist wirklich ein Geschenk und funktioniert bei uns immer.
Da habe ich nie Angst, dass uns die Kreativität ausgeht.
Wir würden noch Musik machen, selbst wenn wir das
nicht mehr veröffentlichen und kein Mensch das mehr
hören will. Wir würden uns trotzdem noch treffen
und jammen. Ich glaub, das brauchen wir einfach, um normal
zu bleiben oder um einfach abzustecken, ob noch alles
in Ordnung ist.
Ihr
kennt Euch seid Eurer Kindheit. Was macht das besondere
Verhältnis zwischen Euch beiden aus?
RH:
Na ja, wir kennen uns ewig lange, und verbinden tut uns
nicht nur das, sondern auch das Musikmachen, so wie wir
das heute machen. Wir haben uns kennen gelernt, als wir
zehn Jahre alt waren. Da war noch nicht viel mit Musiker
sein. Diese ganze Entdeckungsreise, von Musik entdecken,
irgendwo am Instrument herumklimpern und dann zusammen
spielen und schließlich das Ich mit einzubringen,
das ist, wie Richard grad gesagt hat, eher etwas, das
einem im Leben so folgt wie ein Schatten. Das passiert
nicht bewusst in dem Sinne, dass man Dinge mag oder nicht,
sondern ist eher vergleichbar mit der Situation mit den
Kindern: es passiert einfach. Und das ist das Schöne
am gemeinsamen Musikmachen, dass man sich eben nicht mehr
durch irgendwas definieren muss, von wegen, das ist jetzt
aber schon der dritte Song mit dem und dem, lass uns mal
darüber reden. Es kommt einfach und kennzeichnet
die Magie des gemeinsamen Arbeitens. Schon eine schöne
Geschichte.

Ihr
kennt Euch länger, als Du Peter Kruder kennst, Richard.
Auch habt Ihr mehr Musik zusammen veröffentlicht,
als Du und Peter. Dennoch galten Tosca stets als Nebenprojekt
von Kruder & Dorfmeister. Wie kommst Du damit klar,
Richard?
RD:
Also ungeplanter Weise genial, finde ich. Ich lege ja
mit Peter auf und wir pflegen gemeinsam das Label. Aber
wenn man das so geplant hätte, wäre es genial
geplant gewesen. Ich mag es, Dinge so zu belassen, wenn
sie ihren Höhepunkt erreicht haben, statt sie durch
irgendwelche Aktionen zu zerstören. Insofern war
dieses Projekt, ungeplanter Weise, für mich als Seitenprojekt
ideal. Weil ich da plötzlich völlig frei war,
musikalisch etwas zu tun. Bei diesem Projekt bestand nie
der Druck, so gut sein zu müssen wie nur irgendwas.
Es war immer ein Experimentierfeld: wir treffen uns, jammen
und dabei entsteht irgendwas. Bei K&D war es ab einem
gewissen Punkt sicher so, dass der Druck unerträglich
wurde. Es war so eine Erwartungshaltung. Deshalb haben
wir dann auch das Album nicht gemacht. Weil wir aus Druck
heraus ganz schlecht arbeiten können. Es muss immer
ganz frei und leicht entstehen. Die Remix-Compilation
"Sessions" war ja auch eine Zusammenstellung
von fünf Jahren Arbeit und entstand nicht in vier
Monaten. Vom Arbeitsprozess sehe ich das immer noch so,
auch wenn dieses Album hier innerhalb von zwei Jahren
entstanden ist. Aber es sind lauter kleine Tagebuchschnipsel,
die nach Jahren ein Album erzeugen. Deshalb habe ich auch
nie verstanden, dass Leute in ein Studio gehen und innerhalb
von zwei Monaten ein Album aufnehmen. Das ist für
mich absurd. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Wir machen eine Skizze und dann wird Wochen, Monate später
weiter gearbeitet, gemixt und gemastert. Das durchschreitet
so einen Prozess. Das kann manchmal auch ein Jahr dauern,
bis sich der Knoten dann auflöst. Deswegen bin ich
nicht unglücklich über die Situation so wie
sie ist, auch wenn Tosca nicht so viele Leute erreicht,
weil es offensichtlich nicht identifizierbar ist mit K&D.
Stört mich aber nicht. Wir bauen das Projekt ohne
Stress einfach weiter, auch einfach für uns.
War
der Erfolg der "K&D Sessions" sowie Eurer
"DJ Kicks"-Folge so gesehen ein Segen oder ein
Fluch?
RD:
Na, man muss das schon richtig bewerten können. Wenn
etwas erfolgreich ist, muss man das auch positiv kanalisieren
können. Das spielt ja alles zusammen. Wenn man dieses
nicht gemacht hätte, hätte man das und das nicht
gemacht. Ich bin immer nur auf einer Baustelle tätig.
Wir machen jetzt das und versuchen, es so gut wie möglich
zu machen. Verpackung, Produktion - alle diese Komponenten
sollen stimmen. Und dann kommt das nächste. Aber
ich setze das nicht Beziehung zu einer Veröffentlichung,
die sechs Jahre zurückliegt. Wir machen jetzt das,
und das machen wir so gut wie möglich.
Wie
hat man sich die gemeinsame Arbeit von Euch beiden im
Studio vorzustellen?
RH:
Na ja, für einen, der das beobachten würde,
wäre das bestimmt extrem langweilig. Weil man mal
ein bisschen rumjammt, und dann findet man einen Sound,
der einem gefällt. Und dann ist das wieder ein Tag,
den zum Sprechen zu bringen. Und dann mag vielleicht,
aber nicht sehr oft, wer kommen oder uns ein bestimmtes
Element schicken auf CD oder so. Aber es ist eigentlich,
man weiß es ja selber nicht. Ich frag mich auch,
wenn zwei zusammen ein Buch schreiben irgendwie auch,
wie machen die das? Aber wahrscheinlich hocken die einfach
da und werfen sich irgendwelche Worte an den Kopf. Ich
würde das jetzt eher als etwas Introspektives bezeichnen.
Von außen sieht man nicht viel Bewegung, sag ich
mal.
Wofür
steht die Achterbahn auf dem Cover von "J.A.C."?
RH:
Na ja, Life is a rollercoaster. Wie so oft bei uns hat
sich das ergeben aus dem Tag, als wir da Fotografieren
waren. Wie beim Musikmachen haben wir möglichst viele
Fotos machen lassen, um dann auszusuchen. Rein vom Sujet
her gefiel uns das am besten, weil es so nach oben abschließt,
intern dann ziemlich chaotisch ist und nach unten ausfranst.
Das ist so, als ob man reingehen könnte. Man geht
rein in eine Situation und dort gibt es dann gut und schlecht,
lustig und traurig. Das ist eigentlich das, was man vielleicht
in der Jugend versucht zu vermeiden, weil man am liebsten
immer gleich drauf wäre. Irgendwann holt es einen
ein und man stellt fest, dass man halt nicht immer gleich
drauf ist, sondern heute ist es scheiße.
Wechselnde
Stimmungen - ein Problem der Jugend oder nicht vielleicht
doch eher des Alters?
RH:
Also bei mir ist es eigentlich umgekehrt. Ich komme eigentlich
immer besser klar mit dem, was Sun Ra mal mit den Worten
beschrieben hat: Das Schlimmste ist, dass man mit sich
selber das ganze Leben leben muss. Sich selber zu akzeptieren
und die Tatsache, dass in der eigenen Wahrnehmung die
eigene Person nur ein kleiner Teil ist. Wenn dann Sachen
passieren wie ein Unfall, irgendeine immense Liebesgeschichte
oder ein Kind, merkt man, dass man aus verschiedenen Personen
besteht, von denen nur ein Teil die Person Rupert ist.
Das liebe ich so an dem Tosca Projekt, dass es Bereiche
von mir abbildet, an die ich alleine gar nicht mehr rankomme.
Dass da unterbewusste Ebenen bei mir erreicht werden.
Insofern ist das mit diesem gleichsam plastischen Cover
in schwarz-weiß sehr gut gelungen, diese Thematik
ein bisschen anzureißen.
Was
erfährt der Hörer durch Eure Musik über
die dahinter stehenden Personen?
RD:
Also ganz offensichtlich ist es nicht, ein bisschen mystisch
bleibt es schon. Soll es auch sein. Wir haben diesmal
mehr gezeigt, zumindest optisch kriegt man mehr mit als
sonst. War ja bisher wirklich verdeckt dieses Projekt.
So ein Album ist immer auch ein Prozess der Selbstwahrnehmung
und Selbsterkenntnis, auch vor allem, wenn man dann drüber
spricht. Du sprichst ja beim Produzieren nicht so viel
über das Ganze. Du machst es, es entsteht und dann
ist es so. Erst nachher versucht man, es in Worte zu fassen.
Für uns ist so etwas wie jetzt auch immer ein Erkenntnisprozess.
Ich bin auch überrascht, was man selber plötzlich
so von sich gibt über die Musik. Musik ist ja eigentlich
nicht in Worte zu fassen. Ist ja oft nur ein Gefühl.
Plötzlich muss man darüber sprechen, oder wie
ein Journalist, der schreibt. Du kaufst ein Musikmagazin
und liest über Musik, die du nicht einmal gehört
hast. Das soll man sich dann per Wort vorstellen. Völlig
absurd. Es soll schon ein bisschen mysteriös bleiben,
finde ich. Die Projektion soll offen bleiben. Wenn alles
klar oder alles immer gleich bleibt, ist es ja auch langweilig.
Wenn der Himmel immer blau ist, ist es auch langweilig.
Der Sturm oder der Regen macht es spannend, oder die Wolken.
Denn die gehen ja auch wieder vorbei. Das ist das, was
Rupert vorhin gemeint hat, dass man seine Stimmungen akzeptiert
und damit auch besser wird, statt sich gehen zu lassen.
Ein bisschen Verantwortung tragen lernt. All diese Dinge.
Da wächst man, und ich finde das eigentlich auch
ganz gut so. Wer weiß, beim nächsten Album
haben wir dann nur noch weiße Haare. Das heißt
dann "When I'm sixty-four", oder nein "Jetzt
sind wir sixty-four".
RH: Also wenn man so gefragt wird, und das hat ja jetzt
schon was gesprächstherapeutisches, da sind wir sicher
seriöser uns geben wollend als wir eigentlich sind.
Es ist halt ein anderer Bereich. Das, was wir tun und
das, was wir dann darüber sagen, das sind auch irgendwie
zwei Paar Schuhe.
Wie
geht man damit um, über die eigene Musik sprechen
zu müssen? Kommt nach einer bestimmten Anzahl Interviews
der Punkt, wo man nichts mehr dazu sagen kann?
RD:
Nein, ich glaube, man wird sogar immer besser. Wir versuchen,
uns nicht immer zu wiederholen, sondern neue Facetten
rein zu bringen. Wir erweitern den Erklärungsprozess
mit jedem Interview. Ein Kind braucht ja auch fünfzig
Anläufe, bis es irgendwas kapiert. Man kann da viele
Analogien zu Babies ziehen. Insofern stört mich das
überhaupt nicht. Man wird, wie gesagt, eher immer
besser. So wie das Baby dann immer besser sitzen oder
krabbeln kann. Das ist auch irgendwie ein Training. Aber
so viele Interviews geben wir jetzt auch wieder nicht.
So schlimm ist es nicht.
Interview:
Stephan Oettel (04/2005)
Fotos: Markus Rössle

zum Review des Albums
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