Tosca
"J.A.C."

(!K7 - 2005)

Damals als ich wegen einer Überdosis Alt.-Country im Krankenhaus lag, empfahl mir der Arzt für den kalten Entzug Ersatzdrogen wie Reggae, Soul/Funk und Electronica. Gerade Downbeat sei gut für mich, sagte er. Und nachdem ich meine anfängliche Skepsis überwand und die Dosis über die Monate erhöhte, ging es mir wirklich wieder besser. Heute kann ich auch Alt.-Country wieder genießen.
So lernte ich damals neben einigen britischen Elektronikern auch die Wiener Schule kennen und lieben. Tosca, bestehend aus Rupert Huber und Richard Dorfmeister, stachen aus einer lebendigen Szene noch positiv heraus, eine Stellung, die sie mit ihren neuen Album "J.A.C." wieder einmal untermauern. Wie viele dieser Computerfrickler ist auch Tosca den Weg zum richtigen Instrument gegangen und ich vermag wirklich nicht zu unterscheiden, was hier aus der Dose kommt und was nicht. Zumindest klingt es eher analog/warm als elektronisch/kalt. Ihr Faible für Nonsens-Songtitel wie "Heidi Bruehl", "John Lee Huber", "Damentag" und "Naschkatze" mag den ernsthaften Musikhörer verstören, aber keine Angst, dahinter verbergen sich immer richtig gut groovige Songs. So wie das von Walkabout Chris Eckman gesungene "John Lee Huber", das klingt, als läge ein Teil der Louisiana Swamps im 21. Bezirk (welch ein Bass!). "The Big Sleep" fällt in eine ähnliche Kategorie. Die ägyptisch-französische Sängerin Samia Farah aus Paris singt mit ihrer an Billie Holiday gemahnenden Stimme das wunderbare "Heidi Brühl", Earl Zinger/Valerie Etienne geben "Superrob" einen definitiven Grace Jones-Touch und Farda P murmelt sich in bekannter Art durch dass als erste Single ausgekoppelte, auch leicht discoid daherkommende "Damentag". Von den ersten 8 Songs sind nur zwei ohne Vocals, wogegen die letzten vier aus diesen warmen, instrumentalen Grooves bestehen, die kaum einer so funky, leicht und doch gehaltvoll bastelt wie die Männer von Tosca. Insgesamt ein feines Album, das gleichermaßen abwechslungsreich ist und doch einen roten Faden hat. Werde ich immer wieder auflegen.

Reinhard Holstein

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