Various
"Best Seven Selections"
(Sonar Kollektiv/Best Seven - 2003)
Irgendwann nach
Mitternacht am Sonntag beim Orange Blossom Special-Festival Nr. 7 in
Beverungen. Flo von Boozoo Bajou legt ein Meisterwerk nach dem anderen
auf, bis das Intro eines Songs -zaghaftes Elektrogeplucker- nicht wirklich
in Gang zu kommen scheint. Dass sich daraus letztendlich einer meiner
All-Time-Faves entwickelt - "Midnight Marauders" von Joe Dukie
und DJ Fitchie - ist eine dieser Unwägbarkeiten, die einen auch
nach 30 Jahren Plattenkaufen immer mal wieder in absolute Ekstase versetzt.
Der Song erschien als 12" auf Best Seven, einem Berliner Label,
welches im spannenden Sonar Kollektiv mitmischt und dessen musikalische
CD-only Visitenkarte wir hier vor uns haben.
Die Neuseeländer Dukie und Fitchie sind auf den "Best Seven
Selections" gleich zwei Mal vertreten, zum einen mit einem neuen
Song ("This Room"), zum anderen mit ihrem alter ego Fat Freddys
Drop und dem wundervollen "Hope", dessen 10 Minuten in jeder
vernünftigen Playlist zu finden sind. Die Stücke alleine lohnen
schon jede müde Mark, denn wie die hier mit elektronischen Mitteln
Reggae-Rhythmen stricken, die mit analogen Instrumenten ausschmücken
(wilde Bläser) und dann diese samtene Soulstimme von Sänger
Dallas drüberlegen, das hat absoluten Gänsehaut-Charakter.
Im Prinzip ist das auch das Grundmuster der anderen Songs: Reggae, Groove
und Dub sind die Basis, die Riddims oft am Computer erstellt, darüber
wird mal mehr, mal weniger richtiges Instrument gelegt, das Ganze dann
im Geiste von King Tubby-meets-Adrian Sherwood durch diverses Gerät
gejagt. Darüber schwebt generell (zumindest im Falle dieser 12
Tunes) eine erstklassige, aber zumindest interessante Stimme. Sicher
ist wichtig hier klarzumachen, dass es sich durchweg um richtige Songs
handelt, um Melodien mit Hookline, Bridge, Struktur und allem, was dazu
gehört.
Das eine oder andere mag dem Insider bekannt sein, "Best Friend"
der monumentalen Rhythm & Sound w/ Love Joy z.B., das sonnige "Jah
Jah Deh Deh" von Patrice oder "One After One" vom Paul
St. Hilaire Debüt.
Der Rest aber ist hier exklusiv zu finden: "After The Fire"
des Hanauer Produzenten Kabuki, das vom britischen Sänger/MC Cleveland
Watkiss gevoict wurde, der Frost/Wagner-Remix von "Torch Of Freedom"
des Re:Jazz Projektes, eingesungen von der unnachahmlichen Joy Denalane.
Lightning Head (das ist der ex-Rockers
HiFi Bigga Bush) ist gleich zwei Mal vertreten (darunter eine Kooperation
mit Patrice), dazu Seeds feat. Felix Banton (Freunde von Earl Zinger),
Taffari (produziert von Noiseshaper´s Axel Hirn, exzellent, ein
Hit) und der Forss RMX von "Keep Falling" von Jazzanova feat.
Ursula Rucker.
Labeleigner Daniel W. Best hat hier allerfeinstens selektiert. Groove
in gut, mit genug Haken, um Langzeitwirkung zu haben, aber auch eingängig
genug, um das Ohr direkt zu umschmeicheln. Unzweifelhaft in meinen Jahres
Top-10.
Reinhard Holstein
www.bestseven.de
www.sonarkollektiv.de
www.glitterhouse.com