Two Tribes (Agogo Records)

Two Tribes
(Agogo Records – 2019)

Die Idee für die vorliegende Zusammenstellung liest sich interessant. Im Infotext heißt es: “Europäische Musikkultur war nie eine in sich geschlossene Angelegenheit, im Gegenteil, sie hat immer schon Einflüsse aus aller Welt integriert. ‘Two Tribes’ möchte zeigen, wie in Europa lebende Musiker heutzutage musikalische Einflüsse vom afrikanischen Kontinent verarbeiten und in sich aufnehmen. Auf der Compilation wird eine breite Vielfalt an Konstellationen vorgestellt. Sie reicht von Musikern mit Wurzeln in Afrika, die in Europa leben, bis zu Kooperationen zwischen europäischen und afrikanischen Künstlern”. Das klingt erst einmal nüchtern wird aber auf den versammelten 12 Titel mit schillernden Klangfarben bunt unterlegt!

Den Beginn macht der Italiener Andrea Benini, den man durch sein Bandprojekt Mop Mop kennen könnte. “Jawa” vereint einen unspektakulären, computergenerierten Rhythmus mit traditionell gespielten, afrikanischen Instrumenten. Gerade dieses charmante Gegenüber macht “Jawa” zu einem schönen und entspannten Einstieg in den musikalischen Reigen. Ganz ähnlich klingt es bei der nachfolgenden Kooperation von Gary Gritness (Frankreich) und Jacob Mafuleni (Zimbabwe), allerdings wird das Tempo deutlich erhöht. Die ursprüngliche, traditionelle Mbiramusik Mafulenis wird mit elektronischen Sounds vermengt und so auch für urbane Clubs in den Metropolen der westlichen Welt interessant gemacht.

Der Ansatz von Elias Agogo ist etwas abstrakter. “Some Music” spielt mit Rhythmik und ist daher weniger eingängig, aber durchaus tanzbar. Kriegt aber sicher nicht jeder mal so eben auf die Tanzfläche gezaubert. Ähnliches gilt für den Track “Nyctophobia” von Antonio Marini aka Healing Force Project (Italien), wobei hier dann doch eher der Kopf gefordert wird, um die verwobenen Klangscapes gedanklich zu durchdringen.

Mit dem Aldubb-Remix von Blay Ambolleys “Walk For Ground” folgt mein persönlicher Lieblingstrack auf der Compilation. Blay Ambolley aus Ghana ist seit Mitte der 70er Jahre ein Bekannter in der Afrobeat-Szene. Jetzt trifft er exklusiv für diese Veröffentlichung auf Aldubb aus Berlin, der mit seiner Version ein mächtiges Groove-Highlight erschaffen hat, das auf über 8 Minuten fein pumpend Dub, Jazz und Afrobeat vereint. Ich verneige mich in Ehrfurcht und drücke erneut auf die Playtaste, um den Tune abzufeiern.

Nach einem derart wuchtigen Statement haben es die ebenfalls aus Berlin stammenden Tiliboo Afrobeat etwas schwer. Auf “Dekondor” vermengt die international besetzte Band gut gespielten Afrobeat mit diversen Einflüssen und wagt dabei sogar einen Touch Lateinamerika.

The Sorcerers aus Leeds (UK) vermischen Spuren von äthiopischem Jazz mit den etwas beklemmenderen Sounds aus alten, europäischen Horrorfilmen zu einem kurzweiligen Track mit dem passenden Titel “The Horror”. Direkt danach geht es mit dem Song “Titon To” zunächst etwas ruhiger los, um dann wild tanzbar zu werden. Das Projekt Trio Toffa stammt aus Finnland. Der Sänger und Perkussionist Noel Saizonou, der hier deutliche Akzente setzt, kommt aus Cotonou in Benin. Man merkt schon, dass die Globalisierung bei allen negativen Begleiterscheinungen auch durchaus positive Seiten aufzuweisen hat.

Onom Agemo & The Disco Jumpers (Foto) aus Deutschland folgen mit ihrem exklusiven Track “I Don’t Like It I Don’t Hate It” und zeigen, dass sie ihre Livequalitäten durchaus auch auf Konserve bannen können. Sie sind gut hörbar von der marokkanischen und äthiopischen Musiktradition beeinflusst, mischen aber auch Elektronika und ein wahnsinnig gut und wild von Johannes Schleiermacher gespieltes Saxophon dazu.

Mit Selma Uamusse ist eine Sängerin aus Mozambik mit an Bord. Sie lebt seit einiger Zeit in Lissabon und vermengt auf ihrem Titel “Mozambique” Einflüsse aus ihrer Heimat mit modernen, elektronischen Sounds, die sehr treibend um die Ecke kommen. Direkt danach macht sich David Hanke (auch als Renegades Of Jazz unterwegs) in Richtung House auf den Weg. Sein Track “Impala” gerät sehr meditativ, ja fast schon hypnotisch, und fügt so eine weitere Klangfarbe zu der Compilation hinzu. In der Wiederholung liegt mitunter die Kraft!

Mit “Just In A Moment To Find A Way to Sun Day” folgt ganz am Schluss ein weiteres, absolutes Highlight. Auf insgesamt mehr als 15 Minuten entwickelt Raoul K hier einen Tanzflächenfüller, der zeigt, wie man afrikanische Musik aktuell und in der Schnittmenge von Tradition und Aktualität zum Leben erweckt. Wer da noch still rumsitzen kann, sollte mal einen Arzt aufsuchen. Was für ein Finale!

Am Ende möchte ich Tobi Kirsch und Ubbo Gronewold Danke sagen. Sie haben über viele Monate an dieser Zusammenstellung gearbeitet und wirklich einen verdammt guten Job gemacht. Das gilt sowohl für die Qualität als auch für die musikalische Vielfalt der versammelten Produktionen.

Text: Karsten Frehe, Foto: Jonas Schaul

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.