Ostroda Reggae Festival 2019 – Highlights #2

Ostroda Reggae Festival

Nach einem Auftakt mit vielen schönen Momenten, folgt nun der Bericht zur zweiten Hälfte des Festivals. Mit Damian Syjonfam, Tabu und Dubska standen drei große Namen des polnischen Reggaes auf dem Programm. An international Artists waren es u.a. Samory I, Agent Sasco, Jahneration, Queen Ifrica, Oku Onuora und L’Entourloop. Ein reichhaltiges und vielseitiges Programm also.

Samstag, 13.7.19

Im Rahmen des Festivals wird seit vielen Jahren eine Reggae University (“Uniwersytet Reggae”) angeboten. Mit Vorträgen, Interviews, Ausstellungen und Filmen. Eine großartige Idee, die eigentlich bei keinem Festival fehlen sollte, um Hintergründen sowie verschiedenen Ansichten/Perspektiven inhaltlich mehr Raum zu geben. Host der Universität war auch in diesem Jahr Bartosz Wójcik, der wie immer prima vorbereitet seinen Gesprächspartnern begegnete. Angesichts des bedeutenden Gesprächspartners, der am Samstag neben ihm saß, sicher eine spannende Sache. Oku Onuora war gekommen, um über seine eigene Geschichte, die Kraft von Poesie und Dub Poetry sowie viele andere Facetten seines reichhaltigen Universums zu reden. Der Künstler bestach durch seine Aura, tiefsinnige Aussagen und inbrünstige Rezitationen von drei Gedichten. Ein interessanter, intelligenter und charmanter Mann!

Später begann das Programm auf dem Festivalgelände mit erstklassigen Künstlern aus Polen. Ohne der größte Insider der Szene zu sein, kann hier schon geschrieben werden, dass mit Damian Syjonfam, Tabu und Dubska drei der aktuell bedeutendsten Acts des Landes auf der Red Stage standen. Das wurde zudem durch die Reaktion des anwesenden Publikums mehr als deutlich. Es wurde gefeiert und so ziemlich jeder Titel treffsicher mitgesungen. Was für ein Fest! Das galt vor allem für die Auftritte von Damian Syjonfam und Tabu. Dubska, die ihr zwanzigstes Jubiläum feierten, haben sich allerdings etwas übernommen. Das mit vielen Gästen und Weggefährten angereicherte Programm geriet etwas beliebig und ließ die Kraft vermissen, die ansonsten von ihnen ausgeht.

Jahneration aus Paris hat nicht nur mich persönlich überrascht. Ein Auftritt voller Energie! Die beiden Sänger, Théo und Ogach, hatten mitsamt ihrer extrem energiegeladen aufspielenden Band das Publikum sehr schnell im Griff. Die Stil-Melange aus Reggae, Hip Hop und gelegentlichen Jungle-Einflüssen kam mächtig gut an, und ließ in Sachen Präsenz Vergleiche zu Dub Inc zu. Mit dem Auftritt der Band wurde der von Agent Sasco, der danach an der Reihe war, zudem sehr gut vorbereitet.

Agent Sasco führte durch ein Programm angefüllt mit etlichen Hits, wie etwa “Fade Away”, und viel Entertainment. Reggae trifft auf Dancehall, seine altbekannten und -bewährten Zutaten. Diese Mischung hat auch in Ostroda gut funktioniert, auch wenn mir persönlich die Band nicht so gut gefallen hat, wie die Performance von Jahneration. Allerdings machte Agent Sasco dieses kleine Defizit durch seine enorme Bühnenpräsenz wett und spielte förmlich mit dem Publikum.

Dann kam er: Oku Onuora! Dub Poetry vom Feinsten – direkt und ohne Kompromisse. Vor Kurzem hat der Jamaikaner mit “I’ve Seen” ein großartiges Album vorgelegt. Es war also schon im Vorfeld seines Auftritts zu erwarten, dass etliche Gedichte und Tunes von diesem Meisterwerk Teil des Programms sein werden. Und so kam es dann auch. Neben dem Titeltrack waren u.a. “Madda” und “Don’t Like It” Teil dieser unglaublichen Performance. Zudem wurde eine Rückschau auf frühere Werke präsentiert. Mit “Reflections in Red” war zum Beispiel seine erste Veröffentlichung von 1979 Teil der Show. Oku Onuora präsentierte sich leidenschaftlich und kämpferisch. Es wurde mehr als deutlich, wie wichtig ihm seine Botschaften sind.

Nahezu parallel zu seinem Auftritt präsentierte Ras Bass den legendären U Brown auf der Green Stage. Da mir der Auftritt von Oku Onuora wichtiger war, habe ich nur den ersten Teil mitbekommen. U Brown startete etwas holprig, kam aber nach und nach so richtig in Fahrt. Für allen anwesenden, jungen Deejays sicher ein Lehrstück in Sachen Stil und Coolness.

Sonntag, 14.7.19

Der letzte Tag des Festivals begann mit dem Czwórka Reggae Contest von Polskie Radio. Vier Nachwuchsbands wurden präsentiert und am Ende gewann Yelram. Eine gute, nachahmungswürdige Idee, die dem Nachwuchs die Möglichkeit gibt, sich auf einer großen Bühne zu präsentieren.

Nach dem Wettbewerb erschienen Marcus Gad & Tribe auf der Red Stage. Schon gleich mit dem ersten Tune “Live Up To The Day” wird klar, dass er die Intensität, die er schon in Hamburg beim Reggaeville Easter Special 2019 gezeigt hat, auch in Ostroda auf die Bühne bringen würde. Die Musik von Marcus Gad & Tribe ist pure Meditation. Im positiven Sinne unspektakulär und dadurch umso eindringlicher. Neben Songs von seiner aktuellen Veröffentlichung Marcus Gad meets Tamal “Enter A Space” gab es auch frühere Tunes, wie etwa “Kanake”, zu hören. Ein klasse Auftritt mit vielen schönen Momenten zum Innehalten. Hoffentlich gibt es bald wieder neue, magische Produktionen von diesem Ausnahmekünstler zu hören.

Samory I konnte mich nicht überzeugen. Er wirkte nicht richtig anwesend, war etwas zu lässig und konnte gelegentlich die Töne nicht richtig halten. Hinzu kam, dass seine Band ebenfalls unmotiviert das Programm präsentierte. Ein derart mittelmäßiger Auftritt fiel bei so viel Qualität, die ringsum geboten wurde, auf jeden Fall auf.

Ganz anders ging Queen Ifrica an die Sache heran. Fast schon überschwänglich trabte sie mitsamt Band durch ein vielseitiges Programm und ließ sich am Ende dazu hinreißen, auf der Bühne einen Spliff zu bauen, um diesen dann genüsslich zu rauchen. Musikalisch und von der Präsenz her war der Auftritt der Jamaikanerin mit dem von Agent Sasco am Vorabend vergleichbar.

Den Abschluss des Festivals gestalteten L’Entourloop aus Frankreich auf der Hauptbühne. Das Projekt um Sir James und King Johnny gab sich dabei so mysteriös wie eh und je. So stand zum Beispiel die Frage im Raum, ob die Hauptakteure so alt sind, wie sie aussehen, oder ob sie Masken tragen? Die Antwort soll hier ausgespart bleiben. Jedenfalls war das, was sie zusammen mit Troy Berkley und einem Trompeter an diesem Abend boten, ein eklektisches Hybrid aus Reggae, Hip Hop und Dub. Ungewöhnlich und experimentell.

Auf der Green Stage gab es einen fulminanten Auftritt des Dancehall Masak-Rahs aus Polen. Da King Jammy gesundheitlich eingeschränkt war und absagen musste, haben sie, zählt man den kurzen, vorherigen Auftritt auf der Yellow Stage dazu, fast vier Stunden das Publikum bestens unterhalten. Man muss sie live erlebt haben, um die Energie dieses Kollektivs verstehen zu können. Unglaublich mitreißend und ein klein wenig verrückt!

Text: Karsten Frehe, Fotos: Karsten und Jaap Frehe

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.