Aldubb & Mr. Glue „Der Mensch“ (One-Drop Music)

Aldubb & Mr. Glue
„Der Mensch“
(One-Drop Music – 2021)

Der Versuch wurde schon einmal unternommen, Poesie und Dub unter einen Hut zu bringen. Und es hat nicht funktioniert. Anfang der 80er dachte man nämlich, Dub Poetry von Typen wie Linton Kwesi Johnson, Oku Onuora oder Mutabaruka wäre das nächste ganz große Ding und könnte dem aufkommenden Rap zuvorkommen in dem man dem plumpen Street-Gelaber etwas anspruchs- und sinnvolleres entgegenstellt.

Was für ein Trugschluss! Es stellte sich heraus, dass die Massen eher keine Freunde der schönen Worte sind. Zumal – und das war der größte Knackpunkt – die Dub-Hörer selbst eher auf einer anderen Wellenlänge unterwegs sind, wo der Sound und keine Worte maßgeblich sind.

Wort, Klang und Macht

Das Album „Der Mensch“ ist eine Kompilation verschiedener, meist aus dem deutschsprachigen Raum stammender Dichter, Philosophen und Schriftsteller, deren ausgewählte Werke hier unter den beidem Leitwörtern „Mensch“ und „Liebe“ zusammengefasst und vom Mr. Glue sehr impulsiv vorgetragen sind.

Der Mensch ist hier ein Wesen, das von seinem anerzogenen, dogmatischen Korsett befreit ist. Daher wird in diesen Texten einem freien, hinterfragenden aber auch einfühlsamen Individuum gehuldigt. Es wird versucht, durch eine regressive, aber auch humanistische und naturalistische Herangehensweise, die stellenweise nur den Anschein von Naivität hat, die Welt – und damit sich selbst als einen Teil jener – wieder mit Kindesaugen zu sehen, um so zum Ursprung von Verständnis und der Liebe als der treibenden Kraft dahinter zurückzukehren.

Auch musikalisch wird hier seitens von Aldubb auf hohem Niveau eigensinnig gehandelt. Da taucht tatsächlich der Eingangsgitarrenriff des Guns N’ Roses-Songs „Sweet Child O’ Mine“ im „Lied vom Kindsein“ in Form einer eingängigen Kindermelodie auf. Üppige Bläsersätze schweben grandios über rollende Bässe in „Es färbte sich die Wiese grün“. Und eine introvertierte Klavier-Tonfolge dominiert über kribbeligen Basslinien und nervös dahin schlagenden Drums in „Wer Schmetterlinge lachen hört“.

Aldubb und Mr. Glue sind eher zufällig darauf gekommen, Lyrik derer, die ‚in Rhythmus schreiben‘, mit Dub-Musik zu verknüpfen. Die beiden haben seit 2009 da so eine Radiosendung am Laufen, die heißt Dubherz Radioshow, wo sie regelmäßig Roots und Dub Scheiben in den Äther schmeißen. Hin und wieder streuten sie auch paar Literaturfetzen zwischendurch hinein, bis schließlich dem Mr. Glue die Idee aufkam, auch mal längere Lyrik-Texte mit dubbigem Untergrund zu verkleben.

Auch wenn es eigentlich ein kleiner und naheliegender Schritt für das Berliner Duo aus dem Planet Earth Studios war, für die Dub Poetry an sich ist es ein neuartiger Wiederbelebungsversuch und ein Novum zugleich. Zumal die instrumentalen Versionen der Songs einfach mit dazu gepackt wurden. Also Dub und Poetry auch als getrennt portioniert dargeboten. Die satten Bässe und schnittigen Beats, umtriebige Synths und schwungvolle Bläser schreiben hier zusätzlich ihre eigenen Gedichte.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)