Roots Love Soundsystem, Bad Säckingen


Dieses Soundsystem-Interview ist ein Teil einer Reihe. Weitere Interviews findest du fortan in unserer Kategorie Soundsystem Culture.


Roots Love Soundsystem

Am 18. November feierte das Roots Love Soundsystem im Café Irrlicht in Schopfheim das fünfjährige Bestehen. Ein recht neues Soundsystem also, das im Süden des Landes die Fahne hoch hält. Anlass genug, Junior Rudy, Teajah und Robby Dee Fragen über die Anfänge, die aktuelle Lage und die Zukunft zu stellen.

Seit wann existiert euer Soundsystem und wo ward ihr bislang aktiv? Habt ihr reguläre Dances, womöglich in einer Homebase?

Habt Dank für die Möglichkeit uns in dieser Form hier vorstellen zu dürfen! Freude herrscht, dass wir als junger Sound in der erlauchten Gesellschaft dieser schönen Interview Reihe auftauchen dürfen!

ROOTS LOVE wurde 2018 von Irie Teajah und Junior Rudy gegründet. Robby Dee kam vor zwei Jahren dazu. Der erste Dance, noch ohne eigenes System, fand im geschichtsträchtigen Café Irrlicht in Schopfheim statt. Ein soziokultureller Verein dessen Gründung bis ins Jahr 1984 zurückgeht. Nach der ersten Sause war sofort klar, dass wir da auch weiterhin richtig Bock drauf haben. Gesagt getan, wir riefen unseren ersten Regular ins Leben, den „Real Reggae Bangarang“. Von Anfang an mit der erklärten Absicht, Soundsysteme mit eigener Anlage anzufragen. Unsere ersten Gäste waren DOGTOWN HIFI aus Rottweil (Big Up Stony und Pyro!). Der Regular lief leider erstmal nur bis Frühjahr 2020, wo uns Corinna versuchte, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wir wollten aber sofort jede Möglichkeit nutzen, welche die Veranstaltungs-Auflagen uns im Laufe der Pandemie gaben. Und das waren Open Air-Sessions in einem Biergarten vor den Stadttoren Bad Säckingens. Der „Soundset Groove“ war so eine Art Feierabend-Dance. Das fing schon nachmittags um 17 Uhr an. Auch hier war uns wichtig, Soundsysteme mit eigener Anlage anzufragen. Teajah hatte schon vor der Pandemie die DUBMARINE Fam in Basel kennenlernen dürfen, die dann mit ihrem LAZER BEAM System den Startschuss beim neuen Regular machten. In der Zeit entstanden dann auch unsere ersten Versuche, eigene Boxen zu bauen. Das erste Set-Up waren vier „VIECHER“ (so heißen die Teile wirklich) – die haben uns viel Spaß gebracht und waren der Markstein für die Entwicklung, die zum heutigen ROOTS LOVE SOUNDSYSTEM führte.

Wo bzw. wie seid ihr das erste Mal mit dem Thema Soundsystem in Berührung gekommen? Haben euch spezielle Events oder andere Soundsystems dazu inspiriert, ein eigenes System in Angriff zu nehmen?

JUNIOR RUDY: Mit einem eigens für mich gemachten Mixtape von Teajah! Ich war eigentlich meine ganze Jugend durch dem Punk sehr angetan. Ich hing viel im Café Irrlicht und hörte eher Hardcore und so. Auch heute bin ich neben dem Sound noch in diversen Bandprojekten aktiv, die nicht direkt was mit Reggae und Soundsystem zu tun haben. Inspirierend für mich war definitiv Dogtown HIFI und Digital Steppaz mit dem Dubclub in der KTS Freiburg.

TEAJAH: Bei mir waren das drei-vier Mix Tapes, die ich als 14 Jähriger in die Hände bekam und ein paar Jahre lang eigentlich in Dauerrotation liefen: Supersonic-Conscious Ragga 1, Selecta Bomboklaat (HEUTE Dubby Ranks) – Black Forest Power Nr.1, Eimsbush seveninchbizznizz und ein Tape von Flowin Vibes aus Freiburg. Da war’s um mich geschehen. Noch nicht mal volljährig, versuchte ich keinen Dance von Ruff-Song Movement zu verpassen, die um die Nullerjahre mit „RUN DI RIDDIM“ einen richtig nicen Regular in Freiburg hatten. Gefühlt hörten wir in der Zeit alle Reggae, von Seeed über die ganzen Rootdown Sachen, Leute wie Nosliw, Nattyflo, Mono und Nikitaman. Das erste Soundsystem, das ich gehört habe, war das BLACKWOOD SOUNDSYSTEM, welches damals noch von Mr. Bassy und Sheep gemeinsam betrieben wurde. Um die 2010er war ich total geflasht von Mungos HIFI/Scotch Bonnet, die mich unbewusst schon nochmal stark geprägt haben. Ich hab um die Zeit in Dänemark Grundschullehramt studiert und war immer wieder bei den RUBADUB SUNDAYS in Kopenhagen, war auch alles prägend und inspirierend.

ROBBY DEE: Ich war in Freiburg seit 1985 als Veranstalter aktiv. Ab 1990 bis circa 2003 als Ali Baba Sound. Keine großen Sachen, lokal und oft Underground (heute würde man sagen Illegal). Mein erster Kontakt mit Soundsystems war Mitte der 80er-Jahre. Über einen algerischen Straßenkünstler lernte ich das Züricher Sound-Urgestein ROOTSOPERATOR kennen, welches ich dann mehrmals nach Freiburg brachte. Das war kurz und bündig die Geburt der Freiburger Soundkultur.

Was begeistert euch besonders an der Soundsystem-Kultur?

JUNIOR RUDY: Sooo vieles! Vor allem begeistert mich der „Drive des Machens“. Etwas Eigenes auf die Beine stellen. Auch die Anstrengung, die Nacht durchmachen, Ekstase liefern und auch das morgens wieder abbauen, dieses Commitment zur Sache. Das begeistert mich. Die kleinen Schuppen mit den „kleinen Leuten“. Im Punk wie auch bei der Soundsystemkultur sehe ich eine antikapitalistische, alternative Grundhaltung, eine Art Gegenkultur zum Establishment. ROOTS LOVE hat am Hochrhein ja auch eine kleine Subkultur geschaffen an Orten, wo sie in Bezug auf Reggae vorher nicht existierte. Mit der „mobilen Disko“ kannst du Frei-Räume schaffen. Das familiäre Umfeld in der Szene ist für mich dabei auch total zentral, wie ein kleiner, gelebter Gegenentwurf.

ROBBY DEE: Die Vibes!

TEAJAH: Dem Gesagten schließe ich mich gerne an. Reggae ist DIE große Konstante in meinem Leben. Mit allem rund um Soundsystems kann ich ein tiefes inneres Bedürfnis leben, mit Menschen Freude zu teilen. Die Wurzel dieser Freude ist für mich die LIEBE zu allem was lebt, wirklich.

Kompliment an euren Stack. Das Design mit den Herzen sieht prima aus und passt 1a zu eurem Namen. Wer hatte die Idee zu der Gestaltung? Und warum wurde aus der Grundfarbe Schwarz/Weiß irgendwann Rot?

JUNIOR RUDY: Irie Teajah the heartical Representer!

TEAJAH: Die Idee mit den Herzen kommt von mir. Die Farben Schwarz und Weiß waren für uns bei den ersten zwei Set-Ups einfach ästhetisch stimmig. Als wir das aktuelle Set mit den 18er Scoops von Basels Topatop BELLY RANKINGS TURBO AUDIO POSSEE übernommen haben, war das ein guter Moment, das neue System von unseren vorherigen Boxen abzuheben. Das Rot ist ja echt der Straßenschild Farbton, der sagt sprichwörtlich: „STOP, LOOK, LISTEN!“ (haha)

Habt ihr bei euren Selections Vorlieben? Welche Musik ist bei euren Dances zu hören?

JUNIOR RUDY: Das Motto war irgendwie von Anfang an „All night all Styles“. Von Early Reggae, Rocksteady, Ska, über Rubadub/Digital, Dancehall zu Steppers-Dub und auch mal Afrobeats.

ROBBY DEE: Wenn ich spielen kann was ich mag, dann am liebsten von Rocksteady über Roots zum 90s Dancehall. In erster Linie jamaikanische Produktionen.

IRIE TEAJAH: In der Tat würde ich uns diesbezüglich als ziemlich versatile und vielseitig beschreiben. Aber dabei ist wichtig zu betonen, dass diese Vielseitigkeit nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen ist. Wir lieben Reggae Music. Das ist der musikalische Kern von Roots Love. Punkt. Reggae ist ja aber unzertrennlich mit so vielen Genres, Geschichten und Kulturen verbunden, dass es doch in der Natur zur Sache, der Liebe zur Musik liegt, nicht mit Scheuklappen und Berührungsängsten an die Sache zu gehen. Wer Hip Hop, Soul, und Funk nicht mag, kann Reggae schwierig lieben.

Gibt es besondere Künstler*Innen, Produzent*Innen oder Labels, die ihr besonders mögt und dementsprechend auch häufiger spielt?

TEAJAH: Keine leichte Frage, finde Ich. Das ist für mich auch echt dynamisch. Irgendwie hat für mich alles seine Zeit und Phasen, im Alltag wie auch auf’m Dance. Ich versuch immer weiter Aktuelles aus vielen Bereichen des Genres zu diggen, aber ganz ohne Coxsone, Duke Reid, Bunny Lee, Tubbys, Jammys, wird’s nicht lange gehen, lol.

ROBBY DEE: Schwierige Frage, finde ich auch: Irgendwie ALLE (haha)…Aber hey es gibt eine ganze Menge Namen die unbekannt sind, mit 3 oder 4 Singles, die aber wunderschöne Lieder gesungen haben! Meine Favoriten währen aber schon, Culture, Lee Perry, Wailing Soul, etc.; Studio 1, Treasure Island, Channel One (am liebsten die Rockers Zeit) King Jammy, King Tubby etc.

Junior Rudy: Studio One, Treasure Isle, Mungos HIFI, O.B.F. sind bei mir gerade präsent.

Es gab sicher bei euren bisherigen Veranstaltungen schon viele andere Soundsystems und/oder Künstler*Innen/ Produzent*Innen etc. Welche Gäste würdet ihr als Highlights bezeichnen?

Junior Rudy: Jah Screechy zum Fünfjährigen war schon echt ein Highlight für uns. Aber auch einige Live-Performances wie die von Aziz VI, einem Gambianischen Sänger der seit Tag Eins bei uns immer wieder am Mic ist, Yugo Taguchi, MC SUPASONIC aus Basel, Carmabylon, Ras Cup, Echolot Dubsystem, Digital Steppaz, Dogtown HIFI.

Das Betreiben eines Soundsystems hat neben der Musik viel mit Technik zu tun. Stellt bitte eure aktuelle Hardware für die technisch interessierten Leser*Innen vor.

TEAJAH: Da würde Ich an der Stelle gerne erst kurz erwähnen dass wir allesamt keine wirklichen Technik-Nerds sind. Und das war zum Glück aber auch nie ein grundsätzliches Hindernis auf dem Weg zum Soundsystem. Die genialen Dilettanten senden eine ehrlich dankbare Erwähnung für alle Infos, Hilfestellungen, und Tipps definitiv an: Tobi Robbertob von den Digital Steppaz, Stony von Dogtwn HIFI und Crucial B (Rest In Power) u.a..

Das aktuelle ROOTS LOVE SOUNDSYSTEM Set Up besteht aus:

4 Wegen

4 X 18er Super Scoops loaded mit Fane Colossus

4 X HD15 Kickbass loaded mit Eminence Kappa

4 X 15 Zoll Mitten loaded mit Eminence

2 X Limmer Horns

Amplifier: Crown Macro Tech 5000VZ, 3500VZ, 2000, T-AMP 800

2 Technics MK2 1210

Wahlweise Pioneer oder Ecler Mixer, diversen Sirenen, Delays und Effektgeräten,

Alleine schon logistisch ist ein Soundsystem herausfordernd. Wer macht bei euch was? Wer legt auf, wer macht die Flyer, wer baut auf etc.?

Booking, Promo, Flyer, Social Media und diverse Organisatorische Sachen, macht hauptsächlich TEAJAH. Auflegen tun meistens alle mal. Aufbau und Abbau machen wir nach Möglichkeit zusammen, DANK an die vielen Menschen, die uns da immer wieder tatkräftig unterstützen! Big up King of Fyah, you are a diamond Youth!

Welche Visionen habt ihr für euer Soundsystem? Was steht demnächst an?

TEAJAH: Weiter machen. Dran bleiben. Connecten. Liebe spreaden. Wir sind nach den fünf schönen Jahren im Café Irrlicht, wieder auf der Suche nach einer Homebase für regelmäßige Soundsystem-Dances. Live Performances mit Live Instrument-Playern. Watch out! Soon come inna Saxman und Violin Style!

JUNIOR RUDY: bei mir grad eher eine kontemplative Phase mit dem Ausblick wieder größere Sachen zu reißen, weiter am Start sein und schöne Events zu organisieren.

Welche besonders wichtigen Tipps habt ihr an diejenigen parat, die derzeit darüber nachdenken, selbst aktiv zu werden.

JUNIOR RUDY: Do it!

TEAJAH: Word. Keine Angst vorm Fehler machen! Ich denke Unterbringung und Transport-Möglichkeiten für das Soundsystem sollten prinzipiell geklärt sein, sonst kann’s stressig werden. Ich kann mir in Bezug auf die nötigen Investitionen auch gut vorstellen, dass es gut ist, sich vorher zu fragen, ob das eigene Interesse nur ein Strohfeuer oder eine Hitze mit Bestand ist.

Mit eurer Sendung „Roots Love Radio” sendet ihr beim Freien Radio Wiesental. Ihr habt also auch über eure Soundsystem-Events hinaus ein Sendungsbewusstsein. Unterscheiden sich die musikalischen Inhalte der Sendung von euren Sessions?

TEAJAH: Das Roots Love Radio ist mein ganz eigenes Herzens-Projekt. Der Sender FRW hieß in den Neunzigern noch KanalRatte und war ein Piratensender! Mir macht das Moderieren und Selecten einfach richtig Spaß. Auf’s Radio machen allgemein kam ich ein Jahr vor meiner ersten eigenen Sendung. Bei unseren Freunden von BOUNDLESS VIBES aus Basel. Ambassada hatte mich in die Jamrock Radio Show eingeladen und da hab ich das zum ersten Mal kennen gelernt. Viel von dem was ich in den Sendungen spiele, würde ich auch, wenn’s passt, auf dem Dance spielen. Das Radio bringt vom Format her, alle vierzehn Tage zwei Stunden Live-Broadcasting, die Möglichkeit, mal mit einer gewissen Ruhe in Themenbereiche und z.B. Artist-Karrieren einzutauchen. Definitiv bildet es etwas ab von dem, was wir spielen, aber manche Tunes machen doch eher im Kontext des Dances Sinn und nicht unbedingt bei „Frau Müller“ am Sonntagabend im Radio. Das Projekt steht gefühlt immer noch am Anfang, aber es gedeiht stetig. Tune in und erzählt mir ob es euch gefällt! Die Ankündigungen für die nächsten Sendungen poste ich immer über den Insta-Account des Sounds.

Nochmals DANKE Karsten für die Fragen und diese Anfrage!

Grüße an ALLE, die vor uns kamen, die mit uns sind und die nach uns kommen mögen. Frieden, Liebe und Freiheit für Alle. Hasta la Vista. Zum Schluss MUTABARUKA: „The World needs Soundsystems on every Corner“.

Interview: IrieItes-Crew/Karsten Frehe (04/2024)

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.