Flashback Trinidad Carnival 2024


Im Februar oder oft auch im März, wenn die Sonne die Straßen von Port of Spain auf Temperatur bringt und Klänge von Calypso und Soca in der Luft liegen, beginnt für viele Menschen im Inselstaat Trinidad & Tobago die schönste Zeit des Jahres – Carnival.
Von den faszinierenden Kostümen bis hin zu den mitreißenden Paraden ist der Karneval eine Hommage an die Lebensfreude und an die reiche Geschichte der Region, die durch die Fusion afrikanischer, indischer, europäischer und karibischer Traditionen geprägt ist und nicht umsonst als Melting Pot bezeichnet wird.

 

Generell beginnt für viele Trinis die Karnevalssaison bereits vor dem Jahreswechsel. Viele Musiker:innen veröffentlichen ihre Songs frühzeitig, um auf die großen Festtage einzustimmen und die Textsicherheit der Menschen sicherzustellen. Je näher es dann auf die Festtage zugeht, erhöht sich die Schlagabfolge der Fêtes (franz. für Partys) enorm, und die meisten Menschen geben sich ihrer Leidenschaft für Carnival hin, was oft bedeutet, sich Geld zu leihen oder Kredite aufzunehmen, um an den Fêtes teilzunehmen und die kostspieligen Outfits für die Paraden kaufen zu können.

Nachdem die gesamten Wochen vor Karneval ein Fête nach dem anderen jagt und die Radiostationen konsequent die neusten Soca-Hits auf Heavy Rotation spielen, geht es am Karnevalswochenende mit seinen zahlreichen Wettbewerben richtig ins Eingemachte. Auch die ganz Kleinen leisten beim Kiddies Karnival am Samstagvormittag einen Beitrag und zeigen, dass Karneval hier wirklich Jung und Alt auf die Straße bringt. Gefolgt wird der Kiddies Carnival von Panorama, wo die besten Steelbands des Landes auftreten.

Panorama ist einer der bedeutendsten Wettbewerbe während des Karnevals auf Trinidad und Tobago, der sich auf die Kunst der Steelbands konzentriert. Steelbands sind Musikgruppen, die Stahlfässer und -becken verwenden, um melodische und rhythmische Klänge zu erzeugen. Diese Instrumente wurden auf Trinidad und Tobago entwickelt und sind ein wichtiger Bestandteil der karibischen Musik geworden.

Beim Panorama treten Steelbands in verschiedenen Kategorien gegeneinander an, wobei jede Band eine eigene Interpretation eines bestimmten Musikstücks präsentiert. Die Teilnehmer arbeiten oft monatelang an ihren Arrangements, um eine beeindruckende Performance zu bieten. Der Wettbewerb findet normalerweise im Stadion im Queen’s Park Savannah in Port of Spain statt und zieht eine altersübergreifende große Anzahl von Zuschauern an.

Das Panorama ist nicht nur ein musikalischer Wettbewerb, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Identität von Trinidad und Tobago. Es bietet den Steelbands die Möglichkeit, ihr Talent zu präsentieren und stolz ihr kulturelles Erbe zu feiern. Der Wettbewerb trägt auch zur Förderung der Steelband-Musik bei und zieht sowohl lokale als auch internationale Aufmerksamkeit auf sich. Selbst außerhalb der Karnevalszeit ist es schwer, sich dem Sound der Steelbands zu entziehen, da sie das ganze Jahr über in ihren Camps an ihrer Performance arbeiten und ihre Musik auch in der Ferne gut zu hören ist.
Die BP Renegades wurden zum Sieger des Panorama 2024 gekürt, nachdem sie die Jury mit einer eindrucksvollen Performance überzeugt hatten.

Der Name BP mag auf den ersten Blick verwundern, aber es ist tatsächlich üblich, dass Steelbands von großen Unternehmen unterstützt werden, um die Kosten für ihre Auftritte zu decken. In Trinidad, das über große Ölvorkommen verfügt, treten Unternehmen wie BP und Shell häufig als Sponsoren auf. Die Steelbands integrieren dann die Logos und Farben dieser Konzerne in ihre Show.

Nach dem Panorama erhöht sich die Schlagzahl der Umzüge und Paraden, und es ist mehr oder weniger Durchmachen angesagt. Sonntagnacht bis Montag wird mit dem J’ouvert die Nacht zum Tag gemacht. In der Regel schafft man es dann gegen 7 Uhr morgens ins Bett, bevor man sich gegen 10 Uhr am Vormittag des Rosenmontags wieder für die Monday-Mas bereit macht. Der krönende Abschluss ist am Faschingsdienstag mit der Pretty-Mas, bei der weltberühmte Kostüme präsentiert und um den Titel der besten Masquerader-Band gerungen wird.

J’ouvert markiert den frühen Beginn des Karnevals, wo die Feierlichkeiten offiziell eingeläutet werden. Es ist zweifellos die wildeste Seite des Karnevals, eine wüste Farbschlacht, bei der zu pumpenden Soca-Beats im morgengrauen durch die Stadt gezogen wird und niemand vor den Farben sicher ist.

J’ouvert ist ein Spiel mit Aggressionen und Provokationen und spielt auf Abgründe an, die weit in die Kolonialzeit zurückreichen. Damals konnten schwarze Sklaven nur durch das Beschmieren mit Farbe an Karnevalsfeiern teilnehmen, indem sie versuchten, nicht aufzufallen. Heutzutage ist J’ouvert immer noch das wichtigste Ereignis für die einkommensschwachen Schichten, da die Feierlichkeiten im Vergleich zu den Fêtes und Paraden deutlich günstiger sind, da kein Geld für teure Outfits ausgegeben werden muss.

 © Caesars Army

Die Atmosphäre bei J’ouvert ist schwer in Worte zu fassen – düster, anarchisch, provokant, elektrisierend, hypnotisch und ungezwungen. Es gelten aber ungeschriebene Regeln, die übergriffiges Verhalten und Anfassen nicht tolerieren. Die knappen Outfits und heißen Tanzeinlagen sollten also nicht missverstanden werden.

Nachdem die J’ouvert-Party gegen 6 Uhr langsam ein Ende findet, bereiten sich die Masquerader auf die Monday Mas vor, die ein bisschen im Schatten der Pretty-Mas am Dienstag steht. Bei der Monday Mas treten die Teilnehmer oft in ihren eigenen Outfits auf, während bei der Pretty-Mas oft die teuren Outfits der jeweiligen Bands getragen werden, um sich vor den Juroren in den knappen, mit Federn und Pailletten verzierten Kostümen zu präsentieren. Die Mas-Bands können nur am Wettbewerb teilnehmen, wenn sie an beiden Tagen eine Gruppe auf die Straße bringen, aber viele Teilnehmer lassen den Montag ausfallen, da sie nach den J’ouvert Zeit brauchen, um sich zu erholen.

Aufgrund dessen gibt es mittlerweile alternative Carnival-Angebote, die sich einer immer größeren Beliebtheit erfreuen und ein etwas entzerrtes Programm bieten, das vor allem partyaffine Menschen anzieht, die gerne die gesamte Bandbreite des Karnevals erleben wollen.

An erster Stelle steht hier Caesars Army mit A.M.Bush, das den J’ouvert zwei Tage im Voraus feiert, sodass die Masquerader am Montag und Dienstag fit für die Straße sind. Caesars Army ist mittlerweile eine internationale Marke, die von Jules Sobion kreiert wurde und vieler Orts in der Karibik Fêtes organisiert. Im aktuellen Mai steigt mit Fete Land ein dreitägiges Festival in Port of Spain

Weitere Events von Caesars Army in Trinidad sind die Beach Party Antillea, zudem wird auch A.M.Bush regelmäßig auf Barbados während Crop Over veranstaltet. Außerhalb der Karibik finden ähnliche Karnevalsveranstaltungen auch in New York und um den Notting Hill Carnival in London statt. Mit “Rebel” wurde ein J’ouvert Konzept auf die britische Insel gebracht, um den dortigen Karneval um eine weitere Facette zu bereichern.

Jules’ Vision ist es, die Karnevalskultur aus Trinidad in die Welt zu bringen und seine Army international zu vernetzen. Dies scheint erfolgreich zu sein, denn Caesars Army ist außerordentlich beliebt und in aller Munde. Kritiker werfen eine Kommerzialisierung des Karnevals vor, jedoch bietet Caesars Army Events, die gerade die Bedürfnisse vieler karibischer Menschen in der Diaspora ansprechen, die das nötige Kleingeld für rundum organisierte Premiumevents haben, die das perfekte Erlebnis für den meist kurzen Heimaturlaub liefern. Und wenn man es nicht in die Heimat schafft, wird eben ein Stück Heimat nach New York, London oder Toronto gebracht. Die Events von Caesars Army bieten auf hohem Niveau Qualitätstandards in Bezug auf Kostüme, Sicherheit, Verpflegung und Roadservice und sind letztendlich ein Rundum-sorglos-Paket.

Durch die gute Vernetzung und den exklusiven Charakter von Caesars Army und Rogue nahmen in Trinidad zahlreiche bekannte Gesichter der internationalen Soca-Szene teil, sodass sich ehemalige Dancehall-Queens, professionelle Tänzer, Künstler und Promoter zusammenfanden. Allen voran sei Luna aus Trinidad genannt, die aktuell gerade auf ihrer Europa-Tour interessierten Menschen zeigt, wie Tanzstile wie Wine und Bubble nicht nur die Hüften lockerer machen. Die Mas-Band Rogue ist besonders angesagt, wodurch die Kostüme im Vorfeld schnell vergriffen sind. Ein weiterer Teil, der die Beliebtheit von Rogue steigert, ist die angenehme Tatsache, dass Rogue mit seinen Masqueraders montags und dienstags erst deutlich später startet als die anderen Bands. Damit wird den feierfreudigen Menschen eine Gelegenheit geboten, etwas länger zu schlafen.

Auch die Artist-Bookings spielen oft in der oberen Liga mit. Beim diesjährigen Ambush in Trinidad brachte der auf dem Truck mitfahrende Bunji Garlin die vor Farbe triefende Menge im Morgengrauen richtig in Fahrt und machte mit “Carnival Contract” klar, dass er eine ganz besondere Beziehung zum Karneval pflegt. Es folgte ein Feuerwerk seiner großen Hits wie “Differentology”, “Big Bad Soca” und alle rasteten aus, während die nächsten Hektoliter Farbe über der Menge ergossen wurden.

Road March Songs 2024

“Carnival Contract” sollte auch der Roadmarch-Song von Rogue sein, die genau wie Caesars Army Teil der Tribe Family sind. An allen Wertungsstationen wurde “Carnival Contract” als exklusive Dubplate abgespielt, während die Masqueraders an den Wertungsstationen wie dem Soca Drome sich präsentierten, um den Juroren zu zeigen, wer die angesagteste Karnevalsband mit der schönsten Performance ist.

Die Juroren zählten, dass Mical Tejas “DNA” während der Paraden am Montag und Dienstag 341 Mal an den Wertungsstationen von den Mas-Bands abgespielt wurde. Der junge Sänger und Produzent wurde im Vorfeld schon als Favorit für den Titel gehandelt, da es seit Jahresbeginn unmöglich war, sich dem Refrain “No Place Like Home” zu entziehen. Bereits am 30. Januar 2024 wurde er mit dem Titel “Young King” als bester Newcomer ausgezeichnet.

Den zweiten Platz belegte Bunji Garlin mit “Carnival Contract”, der 225 Mal vor den Juroren an den Wertungsstationen abgespielt wurde, von denen das Socadrome und der Queens Park Savannah die bekanntesten sind.

Drittplazierter wurde Patrick Roberts mit Anxiety. mit 48 Wiedergaben

Monarch

In der Vergangenheit erfreute sich der International Soca Monarch großer Beliebtheit, bei dem die Kategorien Power Soca und Groovy Soca prämiert wurden. Letztmalig ausgetragen wurde diese Veranstaltung 2021, jedoch konnte sie aufgrund fehlender Sponsorengelder nicht wieder ins Leben gerufen werden.

Die traditionellen Veranstaltungen um den Calypso und Chutney Soca Monarch werden jedoch weiterhin am Aschermittwoch ausgetragen. Rick Ramoutar ist der Gewinner des Chutney Soca Monarch. Chutney Soca bringt Sprach-, Musik- und Kulturelemente der großen indischstämmigen Bevölkerung in Trinidad ein und ist deutlich melodischer als alle anderen Subgenres.

Der Sieger des Calypso Monarch mit dem Song “Soul of Calypso” ist die Karnevalslegende und Rekordtitelhalter Machel Montano mit insgesamt 7 Monarch-Siegen.

Es hat eine Weile gedauert, alle Momente und Erlebnisse zu sortieren, und der Carnival Tabanca hat sein Übriges getan, weshalb dieser Karnevalsbericht erst im Mai erscheint. Carnival Tabanca beschreibt das Gefühl, wenn nach der Karnevalssaison die Normalität wieder einkehrt und man feststellt, dass es auch noch einen Alltag ohne tägliche Fêtes gibt.

“Me and Carnival have contract” hat sich auf jeden Fall ins Herz gebrannt. Big up Trinidad & Tobago, all carnival lovers and my lovely crew.

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About Marius

Subculture loving & grateful world citizen from Frankfurt. Grown up in the Eintracht Frankfurt football scene alongside Soundbwoys Destiny and antifascist streetpunk bands like the Stage Bottles. Working many years in Cuba, Panama, Ecuador and Colombia. Now with new tasks in the Caribbean and the Rhineland.