Summerjam 2016, Köln, 1.-3.7.16 – Back To The Future

Chronixx

Summerjam 2016 – Back To The Future

Am ersten Juli Wochenende traf sich die bunte Summerjam-Gemeinde zum 31. Mal und es strömten etwa 30.000 Musikfans aus aller Welt zum Fühlinger See in Köln.
Für viele Fans begann der Jam jedoch schon lange vor dem Wochenende. Einige trafen bereits Montag ein und stellten damit die neue Organisation der Campingplätze gleich auf die Probe.

Dieses Jahr sollte das gesamte Gelände umzäunt und überwacht werden, was natürlich für reichlich Verwirrung und Gelächter sorgte. Auch der regenbedingte, hohe Seespiegel und einige gestrichene Campingplätze ließen den Raum für die Besucher schnell schrumpfen und wer später als Mittwochabend kam, hatte mehr oder weniger Pech gehabt. Die beengte Campingsituation geriet bis Freitag so sehr außer Kontrolle, dass sogar die Sperrzäune rund um die Hochspannungs-Strommasten verschoben und ignoriert wurden. Auch die sanitäre Situation auf den Campingplätzen mauserte sich zu einer Herausforderung, sogar noch bevor das Fesitval überhaupt begonnen hatte. Obwohl man bis einschließlich Mittwoch eine „Frühcamper“ Gebühr von 15€ Pro Tag zahlen musste, waren Trinkwasser oder die Reinigung von Toiletten wohl erst ab Donnerstagmittag bzw. Freitag möglich.

Es sei einfach einmal schlicht gesagt: FÜNF Dixis für 1000 Zelte sind nicht genug. Und ein Fußweg von 30 Minuten zur nächsten Trinkwasserversorgung ist nicht akzeptabel. Nicht bei einem so bekannten, beliebten und betuchten Festival wie dem Summerjam. Diese Misstände sind zu ändern und definitiv unwürdig für alle Fans!

Summerjam

Nachdem alle Strapazen überstanden waren, war es Zeit den Jam beginnen zu lassen: Es warteten eine beachtliche Bandbreite von Artist aus aller Welt darauf, ihr Material dem Publikum vorzustellen. Und wir warteten auf sie!

Um 14:30 Uhr öffnete der 31. Summerjam endlich mit leichter Verspätung seine Pforten. Mit den Soul Radics startete das Festival auf der Green Stage mit schönsten Ska-Klängen locker und flockig, während die Red Stage anschließend mit dem etwas härteren Sound von Jaya The Cat eingeweiht wurde. Der Freitag auf der Red Stage blieb HipHop-lastig mit elektronischen Einflüssen, wobei SDP mit der Aussage „Warum seit ihr hier!? Wollt ihr mehr Reggae hören!? Okey! Nee SCHERZ! HAHAHA…“ vermutlich den Höhepunkt markierte.

Für diejenigen Musikliebhaber, die tatsächlich um Reggae zu hören zu Deutschlands größtem Reggae Festival angereist waren, bot die Green Stage am Freitag eine breite Fascette von „Reggae from all over the world“. Das Urgestein Macka B erheiterte am Nachmittag jedermanns Laune, so dass sogar die Sonne zwischen den Wolken hervorbrach. Anschließend bot Professor Harrison Staffort mit seiner unverwechselbare Stimme eine gute Show, die jedoch von Raging Fyah noch übertroffen wurde. Raging Fyah stellten ihr neues Album „Everlasting“ vor, von dem besonders zu Beginn viele Songs performed wurden. Die fünf Jamaikaner boten insgesamt eine grandiose Show mit einem klasse Mix aus ihren ersten beiden Alben und den neuen Tunes. Als letzter Act am Freitag hatte Tiken Jah Fakoly die Ehre und bescherte jedem Reggae-Liebhaber einen krönenden Abschluss mit einem wundervollen Konzert, das jeden in seinen Bann zog.

Wer am Freitag noch Energie zu vergeben hatte, machte sich nach „Inselschluss“ auf den Weg in die Dancehall Arena, in der Pow Pow ihr 25. Jubiläum feierten und auch Jugglerz ordentlich einheizten, bis auch die letzten erschöpft in ihre Zelte fielen.

Der Samstagmorgen begann um 13:30 Uhr auf der Red Stage mit der bezaubernden Sara Lugo, für die sich ihre treuen Fans schon früh aus dem Bett quälten. Während die Green Stage am Nachmittag zu Beginn von Dispatch noch relativ leer war, strömten auf einen Schlag die Massen ein, um sich die herausragende Show der US-Amerikaner anzusehen. Die Band hatte extra die lange Reise aus Boston auf sich genommen,  um auf dem Summerjam eins ihrer seltenen Europakonzerte zu geben.

Mit der Zeit füllte sich die Festivalinsel weiter zum normalen Gedränge und spätestens mit Chronixx war die Massive zurück und tanzbereit. Wie gewohnt lieferte der Jamaikaner mit seiner Zinc Fence Band eine qualitativ hochwertige Perfomance ab, die kaum Wünsche übrig ließ – bis auf das abrupte Ende vielleicht. Das größte Manko ist wohl, dass Chronixx’ Gesang über das ganze Konzert hinweg nicht gut abgemischt war, wodurch die Backingvocals zeitweise sogar lauter und klarer zu hören waren als der eigentliche Frontgesang.

Chronixx wurde gefolgt von Alborosie, der eine super Show ablieferte und einige Songs seines neuen Albums „Freedom & Fyah“ performte, die von der Crowd gebührend gefeiert wurden. Wie zu erwarten war, drehte die Massive bei Puppa Albos Classics wie „Kingston Town“ schier durch und zündete sogar ein paar bengalische Feuer – ganz zur Missgunst der Veranstalter, die die Besucher am nächsten Tag mit endlosen, pedantischen Kontrollen jedes einzelnen Täschchens straften und damit doch nichts bewirkten außer schlechter Laune.

Auch das große Finale des Samstags hatte bereits im Voraus für einige Kritik und großen Gesprächsstoff gesorgt, denn es spielten auf der Red Stage niemand geringeres als Gentleman & Ky-Mani Marley mit der fantastischen Evolution Band, während nebenan auf der Green Stage die Beginner die Bühne auseinander nahmen und damit nach so vielen Jahren auch endlich ihren Summerjam-Einstand feierten. Diese beiden Super-Acts wollte natürlich niemand verpassen, vermeiden ließ es sich jedoch nicht. Wieder einmal ein großes Ärgernis für die Menschheit, sich nicht an zwei Orten gleichzeitig befinden zu können. Zukünftig wäre eine etwas sinnvollere Einteilung von Headlinern wünschenswert, die dieses Jahr mit der Anwesenheit von Matisyahu, Sean Paul und Collie Buddz sicherlich machbar gewesen wäre!

Die Rückkehr der Beginner ins aktuelle Musikgeschehen ließ sogar noch 5 Minuten länger auf sich warten, da sie ihr Konzert wegen des EM-Fußballkrimis etwas verschoben wurde, um hinter der Bühne selbst noch beim Elfmeterschießen mitfiebern zu können. Dieser clevere Schachzug brachte die Meute bereits vor Beginn der Show zum Kochen und der explosionsartige Auftritt der Hamburger Hip Hop-Legenden brachte das Fass schlussendlich zum überlaufen! Die Green Stage wurde gerockt als gäbe es kein Morgen und als ob nicht parallel eine weitere legendäre Show laufen würde. Auf der Red Stage lieferte Gentleman mit Ky-Mani ein einmaliges Konzert, welches durch eine musikalische Meisterleistung seitens der Evolution Band eindrucksvoll daher kam. Stück für Stück holte Gentleman befreundete Musiker auf die Bühne, um gemeinsame Songs zu perfomen. Mit Christopher Martin ging es „To The Top“, zusammen mit Alborosie begab sich Gentleman erneut auf die „Journey To Jah“ um dann mit Dellé einen letzten tollen Gastauftritt zu präsentieren und das Potential von allseits geliebten Features auf Festivals vollends auszuschöpfen. Am Ende bot der Samstag zwei grandiose Konzerte, die mit Sicherheit lange in Erinnerung bleiben werden – je nach dem für welches man sich dann entschieden hatte.

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Der Sonntagmorgen begann mit der Feststellung, dass schon viele Festivalbesucher die Heimreise antraten oder bereits weg waren. Sehr schade, wenn man bedenkt, welche Artists am Abschlusstag noch spielen sollten. Auf der Insel bekam man jedoch nicht den Eindruck, als wäre viel weniger los als am Vortag. Die ersten Konzerte des Tages waren wie gewöhnlich nicht überfüllt und so entstanden familiäre Vibez bei Nattali Rize auf der Green Stage, die einen hinreißenden und aussagekräftigen Start hinlegte. Gentleman’s Dub Club als Starter auf der Red Stage begeisterte die Early Birds mit heavy Tunes von Ska bis Dub. Die neun Musiker aus dem UK ließen die müden Knochen wieder munter werden, so dass niemand mehr ruhig stehen konnte. Der Gentleman´s Dub Club übertraf alle Erwartungen und ließ die anschließende Show von Dellé leider nur solide erscheinen, da sein neues Album “Neo” nicht sehr viel Anklang bei den Fans fand. Am Nachmittag ließ Dub Inc. Die Red Stage erbeben und hatte die Crowd so sehr im Griff, dass die Band kurzerhand das Publikum teilte und wieder einmal den Summerjam begeisterte.

Etwas ungewohnte und dennoch sehr schöne Klänge kamen von Pavo Stelar, die die Massen weiter Tanzen ließen. Das Summerjam Abschlusskonzert 2016 auf der Red Stage fiel der Band Morgan Heritage zu, die auch den diesjährigen Grammy für das beste Reggaealbum erhielten und diesen, genau wie den krönenden Abschluss dieses tollen Festivals, verdienten.

Der 31. Summerjam endete wie gewohnt mit einem eindrucksvollen Feuerwerk und dem obligatorischen gemeinsamen Singen des „Redemption Songs“, welcher wieder einmal von Andrew Murphy geführt wurde. Es war eine Freude wieder einmal dabei gewesen sein zu dürfen!

Der 31. Summerjam mit dem Motto „Back To The Future“ passt perfekt zu meinem privaten Jubiläum, das ich dieses Jahr feiern durfte: 10 Jahre Summerjam in Folge! Es war ein Fest, aber auch die schönsten Momente im Leben haben ihre Schattenseite!
Der Summerjam sollte sich ein Beispiel an seinem eigenen Motto nehmen und in einigen Bereichen lieber wieder zurück schrauben als weiter aufzudrehen. Weniger Zeltplätze bei der gleichen Anzahl an verkauften Karten ist ein No Go, besonders dann, wenn man in der „offiziellen“ und aufschlagsfreien Zeit eintrifft und kaum Möglichkeiten hat, einen Platz zu finden. Die Idee, Menschen die nicht aktiv am Summerjam teilnehmen, vom Campinggelände fernzuhalten war ein guter Anfang, die Umsetzung allerdings mehr als Lückenhaft – im wahrsten Sinne des Wortes! Wie oft müssen wir noch lernen, das Zäune und Mauern nichts bringen? Dieses Jahr wurde genauso viel gebettelt und geklaut wie all die Jahre zuvor. Auch steigende Ticketpreise sind nur zu rechtfertigen, wenn die Besucher davon profitieren – wie zum Beispiel durch eine gewährleistete, menschenwürdige sanitäre Situation.

Allgemein würde ich mir nach 10 Jahren Summerjam-Erfahrung einfach wünschen die gesamte Organisation würde zu dem Wort stehen und mehr Peace, Love und Music verbreiten anstatt nervenaufreibende Kontrollen zu erzwingen, unberechtigte Extrakosten zu verstecken und Musiker einzuladen, die die Musik beleidigen, für die der Summerjam eigentlich steht, stand oder stehen sollte: REGGAE!

Text und Fotos: Leonie Mülhens

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.