Roots Of Creation
“Grateful Dub”
(Bombshelter Records – 2018)
The Grateful Dead und Reggae – geht das? Warum nicht? Gab es ja auch schon mal, denn die Band war musikalisch sehr offen für Einflüsse unterschiedlichster Art. Und auf dem Tribut-Album “Dedicated” aus dem Jahr 1991 hat Burning Spear sich mit seiner Coverversion von “Estimated Prophet” vor der Band verneigt. Vier Jahre später verstarb Jerry Garcia, einer der Köpfe von Grateful Dead, und Burning Spear reagierte 1997 mit einem Nachruf in Form von “Play Jerry” auf dem Album “Appointment With His Majesty”. Mit dem Tod von Jerry Garcia war es auch
Als Band war The Grateful Dead ein Phänomen. Gegründet 1965 – mitten in der Hippie-Ära – haben sie deutliche Akzente in Richtung Psychedelic-, Country- und Folk-Rock gesetzt. Musikalisch vielseitig und nicht unbedingt immer super originell haben sie es geschafft, eine bis heute andauernde Gefolgschaft hinter sich zu scharen. Ich habe sie persönlich nur ein einziges Mal live gesehen – im Mai 1991 in Sacramento, Kalifornien. Es war beeindruckend, denn wenn sie auf Tour waren, vor allem in den USA, reiste ihnen gleich ein ganzes Camp mit. Zudem ragte direkt hinter dem zentralen Toningenieur ein Wald von Masten mit Mikrophonen auf, da sie Bootlegs gegenüber immer offen waren und so eine weltweite Tauschbörse entstand. Das erklärt auch die unzähligen Livemitschnitte, die im Umlauf sind. Konzerte waren zumeist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten ging es eher rustikal und gewöhnlich zu – im zweiten wurde wild experimentiert. “They are not the best at what they do – but they are the only ones that do it” stand auf einem riesigen Transparent am Eingang. Und genau so war es.
Gerade der zweite, experimentelle Teil der Shows sowie die frühen Alben rückte sie aufgrund der stilistischen Offenheit und des Experiments in die Nähe von Dub. Und das schlägt irgendwie die Brücke zum vorliegenden Album von Roots Of Creation: “Grateful Dub”. Auch wenn ich sofort einschränkend schreiben muss, dass Dub hier (viel zu) wenig vorkommt und ich mir bei dem Albumtitel mehr Mut in dieser Richtung gewünscht hätte. Präsentiert wird eher die Stimmung aus den ersten Sets von Grateful Dead, also Titel, die gewöhnlichen Songstrukturen folgen.
Bei der Titelauswahl handelt es sich um ein “Best Of” von Grateful Dead, denn mit “Ripple”, “Fire On The Mountain” (u.a. mit Stephen Marley), “Sugaree” und “Shakedown Street” sind, nebst anderen, etliche Highlights versammelt. Roots Of Creation haben die Songs in solide Reggaegewänder gesteckt, die gut funktionieren. Gelegentlich wurden auch Elemente aus Rock und Folk eingebaut, was bei den Vorlagen nahe lag. So fängt z.B. “Standing On The Moon” mit einer ruhigen, mit Akustikgitarre und Orgel begleiteten, längeren Passage an, um nach etwa viereinhalb von insgesamt etwas über sieben Minuten in einen leichten Reggaebeat überzugehen. Dass Roots Of Creation diese, den Originalen sehr nahe kommenden Klänge in den Mix mit einbauen, zeugt von der tiefen Passion der Musiker für die musikalischen Wurzeln von Grateful Dead. Geht man auf die Metaebene, so ist das Einbeziehen von amerikanischen Musiktraditionen bei vielen Bands aus den USA zu hören (so z.B. bei Rebelution, dem Giant Panda Guerilla Dub Squad und den Slackers).
Das vorliegende Album dürfte auf jeden Fall etwas für Fans von Grateful Dead sein, was das hohe Einsteigen in die Billboard-Charts in den USA erklären würde. Zugleich bietet “Grateful Dub” für Neueinsteiger in Sachen Grateful Dead einen guten Einblick in das Songwriting der Kultband aus Kalifornien.
Karsten Frehe
Lieber spät als nie!
Greetings,
bisher hat sich noch niemand zu dieser sehr schönen Homage an die legendären Grateful Dead (GD) geäußert. Bin ich der letzte noch lebende “Deadhead”, der (fast) alle Alben und alleine mindestens 900 Live Konzerte sein Eigen nennt? Für nicht Eingeweihte, die GD spielten niemals die selbe Setlist, jedes Konzert war anders, wirklich jedes. Diese Band war so eingespielt und virtuos, dass auch die Länge eines Titels locker zwischen 5 und 15 Minuten variieren konnte. Mit Jerry Garcia’s überraschenden Tod am 09.08.1995 war leider alles vorbei. Die Trauer und der Schock waren so riesig, dass viele Radio-Stationen nach Bekanntwerden des Todes von Jerry Garcia spontan ihr Programm änderten und den ganzen Tag über nur noch Musik der GD spielten, im Central Park versammelten sich spontan Tausende von Menschen, die Jerry Garcia gedachten. So etwas passierte nur noch bei John Lennon’s Tod.
Ich denke mal, dass die Jüngeren unter euch, die Eismarke Ben & Jerry’s kennen. Diese zwei Hippies (Ben & Jerry) haben noch zu Jerry Garcia’s Lebzeiten und zu dessen Ehren das Eis “Cherry Garcia” kreiert. Es ist bis heute die meist verkaufte Sorte des Unternehmens.
Jetzt in medias res, die “Roots Of Creation – Grateful Dub” wurde durch Crowdfunding finanziert. Denke mal, dass da einige finanziell besser gestellte “Deadheads” – aus Hippies wurden Banker, Rechtsanwälte, Ärzte etc. – tief in die Tasche gegriffen haben, um das Projekt aus der Taufe zu heben. Zu dem Album selbst, muss ich nichts sagen, das steht bereits alles ausführlich oben.
Burning Spear war ein großer Verehrer der GD, seine Homage “Play Jerry” rührt mich immer wieder, besser kann man das Treiben und die Eindrücke eines GD Konzerts nicht in Musik packen. Die Grateful Dead spielten übrigens auch am 25.11.1982 beim Jamaica World Music Festival in Montego Bay.
@Karsten
den Space-Part im 2. Set in eine Dubversion zu verwandeln, ist eine sehr schöne Idee, die mich richtig begeistert! Da hat sich noch niemand dran gewagt. Hey, vielleicht greift die Idee z.B. Aldubb oder Dubvisionist auf. Den Beiden könnte ich das zutrauen.
Und zum Schluss noch eine absolute Empfehlung:
In den 90ern, kurz nach Jerry Garcia’s Tod gab es bereits ein Projekt “Fire On The Mountain – Reggae Celebrates The Grateful Dead”.
Da haben sich (fast) nur jamaikanische Reggae-Stars den Liederkatalog der GD vorgenommen. Mit von der Partie waren, Joe Higgs, Michael Rose, Judy Mowatt, Steel Pulse, Wailing Souls, The Congos, Mighty Diamonds, Dennis Brown, Toots Hibbert, Culture, Gregory Isaacs, Sly & Robbie und und und …
Dieses Doppelalbum finde ich persönlich noch gelungener als “Roots Of Creation – Greateful Dub”, das aber auch unbedingt eine Kaufempfehlung bleibt.
Stay tuned…
Ich hoffe, ich habe euch nicht gelangweilt…
Schön, dass es mit dir – uns sicher etlichen anderen – noch richtige Deadheads gibt. Grateful Dead hat mich nie komplett erreichen können, dennoch fand ich ihren virtuosen und experimentellen Ansatz mehr als beachtlich. Wie oben geschrieben, habe ich die Band 1991 ein einziges Mal live erlebt und war von der Performance begeistert. Mein Lieblingsalbum ist bis heute “Reckoning”, weil ich die reduzierten, akustischen Versionen am meisten mag.
Das Album von Roots Of Creation höre ich auch heute noch sehr gerne – vor allem den Titel “They Love Each Other” feat. Hayley Jane. Gerade hier ist für mich der Transfer in Richtung Reggae fein gelungen.
There’s nothing like a Grateful Dead Concert…
und deshalb sind ihre Konzerte das Beste, was von dieser Band existiert- im Studio haben sie leider fast immer (jämmerlich) abgelost. Auch die Reckoning – von der es übrigens einen Part 2 gibt – aus ihrem “Wohnzimmer”, dem Warfield Theatre in Frisco gehört unbedingt dazu. Ihre Acoustic Sets sind wunderschön, aber auch ihre Versionen von Bob Dylan Werken (Postcards from the Hanging).
Zur “Roots Of Creation – Grateful Dub”:
Alleine das Cover zeigt jede Menge Reminiszensen auf Songs der GD.
Auf dem rechten Arm des Mädels sehen wir ein Tattoo “Fire on the Mountain”, auf dem linken Arm der Northbound Train aus “I know you Rider” und die Rosen aus “It Must Have Been The Roses”. Alles Trademarks der GD. Und zu guter Letzt sehen wir Jerry Garcia’s Konterfei über dem Mond “Standing on the Moon”. Das Album wurde nicht nur aber auch für Deadheads gemacht.
Zwei Wünsche hätte ich an “Roots Of Creation”:
1. lasst Errol Brown – er hat eh am Album mitgemischt – von dem kompletten Werk einen richtigen “Grateful Dub” machen und
2. macht weiter und bringt noch einige Reggae-Alben mit GD Songs, Material dazu hättet ihr wirklich reichlich.
Denn, “…the album is f’ing great.” – NC Music Magazine
The Grateful Dread……
Ich habe die Band gerade mal angeschrieben und gefragt, ob ein Dubalbum in Aussicht ist. Mal sehen, ob und was sie antworten. Das wäre echt sehr fein!
Die Antwortmail kam schnell. Sie sind gerade dran, nach geeigneten Produzenten für ein Dubalbum zu suchen.
Danke für die Anfrage Karsten, wie gesagt, ein Dubalbum wäre natürlich das non plus ultra. Wie bereits oben erwähnt, Errol Brown fänd ich eine sehr gute Wahl, vorausgesetzt er hätte Lust darauf. Spontan würden mir aber mindestens fünf bis sieben geeignete “Mixing Engineers” einfallen. Übrigens einen Shakedown Street Dub und einen Row Jimmy Dub gibt es bereits auf früheren Veröffentlichungen der “Roots Of Creation”.
Stay tuned…The Grateful Dread