Ausgangslage: Während Dancehall in der Hand von Alkaline, Popcaan und Mavado auf digitalen Riddims großen Streaming-Erfolg hat, so sind solche Acts verkaufstechnisch nur Randnotizen wert. Viele der Tunes, die im Dancehall “steil gehen”, leiden an kurzer Lebensdauer. Auf Riddim-Samplern kurzzeitig auf einen Peak gespült, wissen die darauf tanzenden Youngsters nicht unbedingt, was sie da jeweils hören. Einige der Acts lassen Zweifel aufkommen, inwieweit sie singen können. Die Texte kreisen um wenige Themen und verharren in einer kleinen Wortschatzmenge. Für den US-Markt müssen oft Clean Versions zwecks Jugendschutzes angeliefert werden.
Doch wie schaut’s mit alternativem Dancehall aus, der schon von Hause aus “clean” ist und auch im Sound vielleicht andere Wege geht? Welche Inputs geben Frauen im zur Zeit männlich geprägten Business? Nachdem von Ce’Cile gerade nichts zu hören ist und Tanya Stephens sehr wenig veröffentlicht, hier ein Blick auf die junge Shenseea, aber auch Csavi, JoceLien und Santigold. Unter den Herren seien Lion Size aus dem Indischen Ozean, Unstoppable Fyah aus Jamaika (zur Zeit viel in London und Köln) sowie Claye (in England tätiger Jamaikaner) kurz vorgestellt. Taufrisch sind die Singles zwar nach strengem Maßstab nicht. Doch alle im letzten halben Jahr erschienen, fehlt ihnen noch der nötige “Forward”.
Csavi featuring Sly & Robbie
Gone Again
(GaDD59 – 2018)
English text see below!
Aufwärts, Veränderung, Aufstieg, Außergewöhnliches tun, Steigerung, Paradigmenwechsel, Unternehmensgründungen, Selbstorganisation der Jugend, Lust auf Wandel – so viele (positive) Themen und dazwischen ein Begriff, über den sich stolpern lässt:
‘Survival of the fittest’
Dieser Dancehall-Tune kommt mit akustischen Mitteln in einem Jojo-Rhythmus.
‘Mi go-go-go-go-gone’,
die Stimme von Shavon a.k.a. Csavi (sprich: ‘sa-vi’), hat es noch nicht in die Charts geschafft, obwohl sie davon spricht:
‘Written in the stars, can see it in the charts’
Auf den Reggae-Portalen existiert sie noch nicht, von reggaeville.com über reggae.fr bis reggaenews.ch und auch nicht auf den deutschen Seiten. Dabei hat sie bereits ein Debütalbum namens “Hard To Reach Places“ gehabt. Auf der neuen Single stellen Sly & Robbie ihr Schlagzeug & Bass.
Weird thing, even if she already released debut album, not any reggae website/portal in Central Europe ever wrote about Shavon a.k.a. Csavi (pronounce: ‘sa-vee’). Now she has collaborated on a song with Sly & Robbie. This tune might be regarded as dancehall, while the sound design is acoustic. The uplifting lyrics about heading for change and shift in paradigms (comparable to Nattali Rize’s lyrics), about founding enterprises and doing something extraordinary, are one part of the story she tells. But she’s singing the term “Survival of the fittest”, too. “Gone Again” possesses a yo-yo effect rhythm which might put a spell on its listeners.
Lion Size & Perfect Giddimani
“Little Haterz”
(Irie Ites / GoodVib’Z Production – 2018)
Version française du texte suite à l`allemande!
Nun zu einer Produktion aus den Studios des französischen Labels Irie Ites. Lion Size, ein Sänger von der Insel Réunion (französischer Wahlbezirk), etwa 400 Kilometer östlich von Madagaskar im indischen Ozean. Im Vorlauf zu seiner ersten EP unterstützt ihn nun Perfect Giddimani. Die französisch-englischsprachige Kombination heißt „Little Haterz“ und erschien am 21.5.18 (für mich etwas unbemerkt).
Lion Size, artiste qui vient de La Réunion (départment français environ 400 km à l’Est de Madagascar dans l’Océan Indien) a déjà travaillé comme support en première partie de concerts par exemple de Yaniss Odua & Artikal Band. Dans la phase de préparation de son premier EP, Lion Size bénéficie d’une collaboration avec Perfect Giddimani: « Little Haterz », parue 21 mai 2018.
JoceLien feat. Shac
Diamond In The Rough (Remix)
(Pain Lust Productions – 2018)
Zarte 18 Jahre jung ist JoceLien, laut Facebook aus Atlanta, Georgia, USA. Heute lebt sie laut ihrem Twitter- und ihrem ReverbNation-Account in North Carolina. Auch von ihren Anfängen ist bisher wenig nach Europa vorgedrungen. Bereits 2012/13 veröffentlicht sie als Jugendliche ihre erste EP. Jocelien Danee Whitehead stellt leider keine Pressefotos zur Verfügung, pflegt ihre Social Media-Profile nicht besonders emsig, und so bleibt sie für mich – so weit entfernt – für den Moment eine eher unbekannte Person. Mit ihrer Vorliebe für R’n’B taucht sie auch im Dancehall-Umfeld auf.
Auf dem Remix “Diamond In The Rough” ist noch Shac Harris zu Gast, ein Filmproduktionsarbeiter, der zum Beispiel für Luftaufnahmen im Film “King Of The Dancehall” sorgte, einem Spielfilm über einen jungen Amerikaner, der Dancehall machen will und in dem mit Whoopi Goldberg besetzten Streifen unter anderem auf Collie Buddz, Ky-Mani Marley und Barrington Levy (jeweils in Nebenrollen) trifft.
Claye
“Hustle”
(Countrybus Music – 2018)
English text see below!
Claye kommt aus Jamaika, lebt aber vor allem in England. Für das Ky-Mani Marley & Gentleman-Album „Conversations“ schrieb er einige der pop-süßen Tunes mit. Ebenso arbeitet er auch als Producer. Geboren 1982, tritt der Gesangs-Newcomer gegen Leute an, die fünfzehn Jahre jünger sind als er. „Hustle“, seine aktuelle Single, nimmt Dancehall-Einflüsse und solche seiner East Coast-Oldschool-Hiphop-Vorbilder auf.
Originally from Jamaica, Claye is living and working in England as a writer, sometimes producer and now as singer again. He had co-composed some of the sweet pop tunes you can find on the “Conversations” album by Ky-Mani Marley & German singer Gentleman. Born in 1982, he’s a kind of a newcomer in terms of releases under his own name, competing with younger artists 15 years younger than him. His current and self-produced single “Hustle” might be inspired by some dancehall influences as well as by some of his US East Coast oldschool hiphop favourites.
Gold Up X Shenseea
“Belong With Me”
(Gold Up – 2018)
Santigold feat. Shenseea
“Don’t Blame Me” (from: Santigold “I Don’t Want: The Goldfire Sessions” (Mixtape))
(Awal Digital Ltd. / Downtown Music Publ. – 2018)
Cristina Aguilera feat. Keida & Shenseea
“Right Moves” (from: Cristina Aguilera “Liberation”)
(RCA / Sony Music Entertmt. – 2018)
Wer hat schon einmal Ingwer-Cola probiert? Dieses neue Produkt von 2018 wird in der Karibik gerade von der jungen Shenseea beworben. Sie verdient ihr Geld ganz ordentlich mit einigen Werbe-Deals. Die Schulabbrecherin, bereits als Teenager Mama geworden, lässt auf ihr erstes Album noch warten. Es gibt auch relativ wenige Songs mit ihr als Solistin, gemessen an der großen Anzahl an Duetten/Featuring-Kollabos. Nun war Cristina Aguilera dran (ein Album-Track), Santigold (aus New York) hat sie auf ihrem Mixtape-Longplayer zu Gast. Und auch ein kanadisch-französischer Produzent namens Shifty, der unter dem Namen Gold Up seine Riddims fabriziert, hat Shenseea auf seinen Tonspuren. “Belong With Me” erschien relativ parallel zu zahlreichen anderen Songs mit ihr – hier dieser Song plus darunter gepostet derjenige mit Santigold.
Fyah George
See Dem A Come / See Dem A Come (Helgeland RMX) (Stalag Riddim)
(Luckee Riddims – 2018)
George A. Bailey a.k.a. Fyah George aus Jamaika ist ein Sänger, der in Kingston ein Studio besitzt und dort angeblich auch selbst etwas produziert. Nichts Genaues wird verraten, und das schon seit 2011. So weit zurück führen die ersten Interneteinträge. Unter anderem heißt es auf seinem ReverbNation-Profil,
„A man that adds love into his music.“
Und
„the next big Reggae star“.
So soll es ein(e) Reporter(in) namens “Shakeme4life” gesagt haben über ihn, aber ihn/sie gibt es nirgens. Und er selbst teilt mit, er sei
„one of the most passionate artist today“.
Kann jeder sagen.
Trotz umfassender Präsenz in allen Streaming-Portalen und sonstigen Social Media findet sich weder ein einziges Pressefoto noch Interview oder eine valide Aussage über sein Leben und Arbeiten. “See Dem A Come”, der Tune basiert auf dem “Stalag Riddim” von 1973, einem Riddim, noch bevor das Konzept erfunden war. Dieses Stück legte auch die Grundsubstanz für Sister Nancys “Bam Bam”. Freundlicherweise zeigt Fyah George gleich den Pfad zurück in die Reggae-Historie. Der norwegische Produzent Helgeland hat von Fyah Georges seinerseits schon digitalen Version einen Remix gemacht, der zugleich erschien. Auf dem Markt ist der Song seit März 2018.
Unstoppable Fyah feat. Dotta Coppa
“Still Alive”
(Ziah Records – 2018)
Unstoppable Fyah berichtet, “Still Alive” zu sein, weil er ausgerechnet am zweiten Weihnachtsfeiertag 2017 fast bei einem Autounfall ums Leben gekommen wäre.
Aufgrund des Tempos, in dem der nicht zu bremsende Unstoppable Fyah gehypet wird, ist er in diesem Nachrichtenblock unverzichtbar.
Das gleichnamige Album enthält – nur auf diesem Track – eine Zusammenarbeit mit Dotta Coppa. Die Produktion dieses Tunes hat DJ Densen aus Köln übernommen. Mit dem deutschen Markt vernetzt sich Unstoppable Fyah mehr und mehr und trat im Roots Center auf dem Summerjam in der zweiten Nacht des Festivals 2018 auf.
Das Video zum Song geht am 6.9.18 online! Das gleichnamige Album erschien im Frühjahr 2018 ebenfalls.
Philipp Kause