Rocky Dawuni
„Beats of Zion“
(Six Degrees Distribution – 2019)
Wem es schlecht wird, soll bitte raus gehen.
Er gefällt sich wohl in der Rolle eines Wohltäters. In einer ganzen Reihe Projekte ist dieser afrikanische Reggae-Star involviert. Nicht nur in seinem Heimatland Ghana, sondern auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Dieses Engagement geht einher mit Dawunis Musikkarriere, die schon seit 1996 andauert und, einschließlich diesem neuen, bereits sieben Alben hervorgebracht hat. In dieser Zeit – und er wird nicht müde dies zu betonen – hat er mit vielen anderen Wohltätern aus der Musikwelt die Bühne geteilt. Darunter ist auch Ziggy Marley, der mittlerweile zum Inventar solcher Veranstaltungen gehört. Dabei tänzeln und singen sie vor einer auserlesenen internationalen Politikerkaste und alle haben ein gutes Gewissen – und noch bessere Publicity.
Denn, wer kann schon dagegen sein, dass jedes ghanaische Schulmädchen ein Fahrrad bekommt? Oder dass es in ganz Afrika saubere Kochherde gibt? Niemand, eben. Dass das am Ende nur Elefantenfürze sind ohne konkrete Ergebnisse, ist nicht so wichtig. Hauptsache die Absicht ist gut. Und Liebe und Einigkeit ist für Rocky Dawuni sehr wichtig.
Doch bei ihm sind diese Begriffe ziemlich flüchtig und nicht festzumachen. So wie Hilfe, die davon in all die gottverlassenen, verstaubten afrikanische Dörfer ankommt. Seine Love ernährt nicht die Hungernden und stillt keinen Durst bei Durstigen. Es ist eine schöne Show, ohne etwas Konkretes dahinter. Und in Dawunis neuem Album „Beats of Zion“ läuft diese Dauerveranstaltung des gegenseitigen Schulterklopfens der Gutbetuchten weiter.
Es ist hier wieder mal viel von Love and Unity die Rede. Dabei macht Dawuni auch von seiner Redegabe Gebrauch, die er auf etlichen Motivationsveranstaltungen geübt hat. Bei denen faselt er über Dinge wie mentale Armut, gesünderes Leben, erfolgreiche Denkweise oder das Streben nach Perfektion. Sinnentleertes Gelaber eben, von dem sich kein notleidender Afrikaner etwas kaufen kann; als ob ein Satter einen Hungrigen jemals verstehen könnte! Genauso wie der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie Love und Unity den Reggae, diese ursprüngliche Rebel Music, zur verdammten Folklore verkommen ließ. Zu einem UN-Reggae, der immer dann bemüht wird, wo er gebraucht wird. Der ganze Tross aus Ziggys und Rockys kommt dann angetanzt, um seine Friede-Freude-Eierkuchen-Message zu verbreiten – und dabei lediglich von wahren Problemen oder deren Ursachen abzulenken.
(Wem es zu viel ist, soll bitte raus gehen.)
Daher ist Rocky Dawunis Freiheitszug in „Freedom Train“ (feat. Alika) wie ein bunter Regenbogen, der über die Unterdrückten schwebt – schön anzusehen, aber für sie leider unerreichbar. Die Titelnummer „Beats of Zion“ hört sich eher nach einer Fußball-WM-Hymne an, als nach sonst was anderem (solche hat Rocky nämlich auch schon gemacht). Die Feindbilder, die so ein engagierter Künstler – vor allem aus Afrika – wie Rocky Dawuni bestimmt haben müsste (so wie z.B. Tiken Jah Fakoly oder Thomas Mapfumo), sucht man hier vergeblich. Sie bleiben abstrakt und nicht dingfest zu machen. Genauso klingt auch das ganze Album, dessen oberste Priorität ist, niemanden zu missfallen. Also defilieren durch die insgesamt dreizehn Songs weichgespülte Reggae-Beats, vermischt mit karibischen, afrikanischen und westlichen Einflüssen.
Sehr tanzbar, froh und farbig treten die Stücke auf und man hat das Gefühl, unser Rocky singt über einen Fantasie-Kontinent wie Atlantis und nicht über gepeinigtes Afrika. Positive Message und Good Will ist für ihn halt das Wichtigste. Und natürlich viel Love, Love, Love! Er empfiehlt, lediglich die Musik lauter zu drehen und damit alle Probleme wegzublasen („Turn It Up“). Oder er feiert gelassen und lächelnd den „Sunshine Day“ zusammen mit Wiyaala, was eine Cover-Version von Osibisa aus den 70ern ist. Mit „Burn One“ liefert auch Rocky Dawuni seinen Beitrag zu 8395 anderen Ganja-Liebesliedern. Und in der akustischen „Evelation“ macht er den Bob Marley und ruft (wieder mal) zur Unity und Love.
Ausrutscher hat sich Rocky doch noch geleistet, wie in der überraschend ehrlichen „Mr. Jones“, wo er Ausbeuter, die sich als vermeintliche „Arbeitgeber“ tarnen, anprangert. Oder die in klassischem Highlife-Stil arrangierte „Kyenkyen Bi Adi Mawu“ (feat. Sarkodie). Erleuchtet wie er nun mal ist, dankt er zum Schluss des Albums auch seinem Herrn dafür, dass er so ist, wie er ist in „Thank You Lord“. Dabei wird bei all der Liebe, die Rocky so vollmundig immer wieder beschwört klar, dass sie in erster Linie für ihn selbst vorbehalten ist.
Zvjezdan Markovic
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