Vibronics & Dawtas of Aya
„Perseverança e Resistência“
(Dawtas of Aya – 2019)
Amazonas brennt, während ein skrupelloser ‚tropischer Trump‘ in Brasilien sein Unwesen treibt. Was kann dagegen schon ein englischer Produzent unternehmen? Vielleicht dort Gleichgesinnte finden und mit ihnen ein aussagekräftiges Album aufnehmen? Dies schien jedenfalls für Steve Vibronics eine gute Idee zu sein, auch wenn er damit nicht der erste war. Sein Landsmann und ebenfalls Produzent Victor Rice ist schon vor etlichen Jahren nach Brasilien rüber gesiedelt. Doch ob er wirklich wusste, worauf er sich da einlässt?
Es war für ihn ein ungewohntes Terrain, denn er fand sich in Sao Paulo vor einer klassischen Band wider, die um seine wuchtigen Markenzeichen-Riddims exotische Hintergrund-Perkussion und ausgefeilte Arrangements mit rhythmusbetonten Gitarren, psychedelischen Keyboards und melodiösen Bläsern einspielte. Der erste, der Carol Afreekana, Regine Cordeiro und Sistah Mari entdeckte war jedoch nicht Steve Vibronics, sondern Kibir La Amlak aus London, der mit Dawtas of Aya bereits letztes Jahr ein Mixtape namens „Energia“ veröffentlichte.
Doch ihr neues Album klingt viel naturverbundener und organischer als das Mixtape. Dies kommt umso erstaunlicher, da der Steve Vibronics selbst für seine futuristischen Steppers Dubs bekannt ist und sich somit hier weit ins Unbekannte hinausgewagt hat. Denn eine Nyabinghi-Seanse nach Art von Ras Michael (Dadawah) wie in „Mundo Novo“ hat dieser Engländer noch nicht produziert. Und auch sonst fällt „Perseverança e Resistência“ in die Kategorie eines vollblütigen Roots Reggae-Albums. Erst in den drei Dub-Versionen zum Schluss lässt Vibronics seinem Handwerk freien Lauf und veranstaltet einen Dub-Overkill aus Echos und Delays.
Das weibliche Sängerinnen-Trio Dawtas of Aya scheint wiederum eine kompromisslose Sisterhood zu sein, die im gleichen Maße Musikerinnen und Aktivistinnen sind. Und sie verfolgen eine ganz bestimmte Agenda: den Kampf für die Rechte der Afrikaner, inn- und außerhalb ihres Mutterkontinents. Die jüngsten Entwicklungen in Brasilien haben aber offensichtlich ihren Aktions-Radius um eine ökologische und gesellschaftskritische Komponente erweitert. Dementsprechend heißt ihr neues Album auf englisch übersetzt „Perseverance & Resistance“ („Perseverança e Resistência“). Außerdem haben sie alle drei afrikanische Wurzeln und sind auch stolz darauf. In dem Eröffnungstitel „Salve Zumbi“ schlängelt sich eine atonale, repetitive Akustikgitarre, die an simbabwische Mbira erinnert, begleitet von rituellen Trommeln.
Es wird viel über Afrika, über die Verschleppung und Sklavenzeit gesungen. Über Ausbeutung und Unterdrückung seitens eines chauvinistischen, Eigentum-verliebten und vom Besitz-Fetisch befallenen Systems, das im Grunde auch die jüngsten Brände in Amazonas verursacht. Die Dawtas of Aya gehen dagegen mit viel Feminismus und Spiritualität vor. Und, obwohl auf Portugiesisch gesungen oder in Spoken-Word vorgetragen, klingt es so ansprechend, dass man sich wünschte, Matriarchat würde wieder die Oberhand gewinnen. Die Töchter von Aya – benannt nach einer afrikanischen Pflanze, die für ihre Hartnäckigkeit und Beständigkeit bekannt ist – machen es vor.
Zvjezdan Markovic