Lutan Fyah
“Longest Livah“
(Lockecity Music – 2019)
Vertraut ihnen nicht! – den allgemeinen Politik- und Politiker-Verdruss greift dieser jamaikanische Singjay in dem Eröffnungstitel „Don‘t Put Yuh Trust“ in einer Weise auf, die er schon in seinem bislang stärksten und bekanntesten Album „Phantom War“ aus dem Jahr 2006 dargeboten hat. Mit übergroßen Bässen und treibenden Beats, schleudert Lutan Fyah messerscharfe Lyrics gegen das System.
Doch auf seinem neuesten Album „Longest Livah“ wird auch Lutan Fyahs allmähliche Abkehr von seinem bisherigen strictly roots & culture-Kredo hin zum zugänglicheren Mainstream-Sound deutlich. Mit „Ment to Be“ liefert dieser ehemalige Profi-Fußballer beispielsweise eine dieser Liebes-Pop-Balladen, von den man denken könnte, sie werden irgendwo in China als Massenware produziert.
Aber Anthony Martin, wie Lutan Fyah bürgerlich heißt, hat beste Absichten. Er möchte die Jugend von der Waffengewalt und Gang-Leben abbringen. Und mit Vorurteilen gegen Schwarze generell und Rastas speziell abräumen. Die, mit rituellen Trommeln sehr minimalistisch und spirituell gehaltene Nyabinghi-Hymne „7 Million Soldiers“, bezeugt auch von der tiefen Religiosität dieses, den typischen Turban tragenden, Bobo Dreads.
Obwohl er ursprünglich von Skandal-behafteten Buju Banton entdeckt und von Jah Mason anschließend gefördert wurde, verfolgte Lutan Fyah immer seinen eigenen Stil. Aber die Härte von früher ist bei ihm einer sanfteren Nachdenklichkeit gewichen. Denn auch wenn der, in Spanish Town geborene Sänger und Songwritter, in „Streetside Ghetto“ seine Herkunft besingt, klingt es mit diesen verspielten Gitarrenläufen eher wie ein nostalgischer und liebevoller Rückblick, als eine kritische Auseinandersetzung. Die niedlich vor sich hin zupfende „Nuh Hail Dem“ oder die Akustik-Ballade „Please“ klingeln zu seicht und beliebig, um ernst genommen zu werden.
In dem Titelstück „Longest Livah“ (feat. Johnny Live) dagegen bricht Lutan Fyah aus der Schablone mit gloriosen Bläsern und einem infektiösen Ska-Beat, das einen Applaus verdienet. Allerdings lässt er in „All for You“ wiederum sanfte Keyboardmelodien auf einen behutsamen Beat wie kitschige Konfetti-Herzen nieder rieseln. Da kann dann auch der Gastauftritt von der Legende Beenie Man in „Never Say Never“ nicht viel ausrichten. Das Gleiche gilt für das austauschbare Dancehall/Pop-Stück „Money and BankBook“, mit dem Lutan Fyah das Ziel meilenweit verfehlt. Damit reiht sich sein neues Album in die Reihe neuester jamaikanischer Produktionen, die viel mehr ankündigen, als sie halten. Und die zwar den Reggae predigen, es aber in Wirklichkeit immer weniger sind.
Zvjezdan Markovic