Wallen Earl Ricketts aka Pacey – Ein Nachruf

Echoes To Zion

Ich weiß gar nicht genau, wann ich das erste Mal zu Pacey gefahren bin. Irgendwann im Frühjahr 2019. Noch nicht mal zwei Jahre, aber vollgepackt mit Erlebnissen. Rastaparties in seiner kleinen Bude voller Rauch und Musik, Backstage auf dem Reggae Jam, Recording Sessions bei Fox Studios, Lektionen in Singen und Songs schreiben, in Amsterdam auf der Jagd nach Everton the great Blender. Und jede Menge Palaver. In der kurzen Zeit sind wir enge Freunde geworden und ich konnte ihn die letzten schwierigen Wochen begleiten und ihm die letzte Ehre erweisen.

Wallen Earl Ricketts wurde als ältester Sohn eines Fischers in Water Lane Clarendon, Jamaika, am 19. Januar 1956 geboren. Zu vielen Gelegenheiten und in einem Interview, das ich eine Woche vor seinem Tod mit ihm geführt habe, erzählte er vom Vergnügen und den Härten, in Jamaica aufzuwachsen. Und wie er zur Musik kam. Als kleiner Junge hörte er eine Mentoband spielen und war so beeindruckt von der Anerkennung, die der Sänger bekam, dass er wusste: Das will ich auch machen.
Seine Mutter Eliza wurde „The Bird“ genannt, sie war die erste Stimme im Kirchenchor. Sie starb leider viel zu früh und der 12-jährige Wallo wurde zu seiner Tante an die Nordküste geschickt. Dort kam er in Kontakt mit der Musikszene, die für Touristen aufspielte, und fühlte wieder den Wunsch, vor anderen zu performen. Er sang und übte und sang die Lieder, die ihn am meisten packten und wurde Sänger in der Hotellerie. Dort wurde er nicht nur von Musik, sondern auch von Rastafari erobert und schrieb Conscious-Tunes im Eindruck der Neuausrichtung seines Lebens. 1978 nahm er im Channel One Studio zwei Tunes (“Babylon Already Fall”, “Jah Is My Light”) auf und er kann heute noch die daran Beteiligten benennen: u.a. Horsemouth und Bongo Herman in der Rhythmussektion, Bunny Lee als Recording Engineer, … “Jah Is My Light” wurde kürzlich von TRS Records als Reissue wiederbelebt.

Amsterdam CoffeeshopMittlerweile war er bereits Vater und da die Tunes in der Zeit nicht richtig einschlugen, sah er sich gezwungen, anderweitig Geld für seine Familie aufzutreiben. So sang er sein Herz weiter für Touristen aus und nahm die nächsten 20 Jahre nicht mehr auf. Er zog teilweise alleine vier Söhne auf und war der singende Familyman. Ende der neunziger Jahre kam es dann noch auf Jamaika zu einer Album-Produktion: „You Are“, produziert von Barry O´Hare, ist vollgepackt mit Roots- und Lover´s-Vibes im Gewand der Neunziger. Kurz nach der Jahrtausendwende zog er nach Deutschland, sang und trat immer wieder auf, und wurde nochmal Vater einer Tochter.

In den letzten Jahren gab es einige Veröffentlichungen in 7“ und 10“ von Ancient Mountain Records, unter anderem eine neue Aufnahme von „Jah Is My Light“ und zwei Alben digital. Alle Aufnahmen wurden schwer analog mit Vintage Equipment in ein herrliches Klangbett gelegt. Die letzten Jahre hatte Pacey mehr recorded Output als die gesamte Zeit zuvor, schrieb immer weiter und perfektionierte seine Roots-Vibes mit jedem Tune. Er hat sich immer am meisten gewünscht, dass er einen „Big Hit“ landet und seine Musik gehört wird. Und sie erschallt immer noch weiter. Sein letztes Lied „Gideon Suit“ ist ein vollmundiger Rasta-Aufruf für die Zeit mit dem Virus, letztes Jahr erst ist es auf dem gleichnamigen Album digital erschienen und wird demnächst noch als Single auf Vinyl veröffentlicht. JAH allein weiß, warum er ihn so früh zu sich gerufen hat.

Ich kann jedem Roots-Lover nur raten, seine Musik abzuspielen, JAH zu preisen und einen Gedanken an Pacey zu schicken. Alle Soundmen sollten „Joy And Pleasure“ auflegen, das Feedback ihrer Delays hart nach rechts drehen und satte Echos chos chos chos hinaus schicken, dass sie bis nach Zion zu hören sind. Pacey ist dort, hört uns und lacht und singt und tanzt weiter. Ich konnte ihm am Vorabend seines Todes meine letzten Worte noch anvertrauen und ich versprach ihm, seine Lieder weiter zu singen, zu spielen und hinaus zu tragen. Niemand ist ganz gegangen, bevor die Erinnerung an ihn erloschen ist. Pacey starb am Morgen des 28. Dezembers 2020. Du wirst uns sehr fehlen.

Fabian

Ancient Mountain Records @ Discogs

Ancient Mountain Records @ Bandcamp

About Fabian

Schreibe, singe, spiele, produziere, höre, schaue, tanze und jetzt kommentiere ich auch Reggae inna Roots-Style mit aktuellem Anspruch.