Roots Rocket Soundsystem, Berlin

Dieses Soundsystem-Interview ist ein Teil einer Reihe. Weitere Interviews findest du fortan in unserer Kategorie Soundsystem Culture.

Roots Rocket Soundsystem, Berlin

Das mittlerweile fünfte Interview in der Soundsystem-Reihe hier bei IrieItes.de bringt uns wieder nach Berlin. In der üppigen Soundsystem-Szene der Stadt ist das Roots Rocket Soundsystem seit Jahren mit feinen Selections und gutem Sound dein wichtiger Bestandteil. Wie bei allen anderen Soundsystems des Landes geht es auch hier nach den Einschränkungen der Pandemie wieder langsam los. Es wird Zeit, dass sich die Massives wieder zum Feiern vor mächtigen Boxen versammeln. David, Gründungsmitglied von Roots Rocket, hat sich den Fragen von IrieItes.de angenommen und berichtet. Lest selbst.

Seit wann existiert euer Soundsystem und wo wart ihr bislang aktiv? Habt ihr reguläre Dances, womöglich in einer Homebase?

Wir sind in Berlin beheimatet, unter dem Namen Roots Rocket gibt es uns seit Ende 2010, damals noch als DJ-Crew. 2011 waren wir das erste Mal auf einem öffentlichen Event, bei dem wir auch auf dem Flyer standen. Wir, das sind mein Jugendfreund und Selector Hannes Andy, mit dem ich gemeinsam aufwuchs und Anfang der 2000er Jahre die Liebe zu Roots Reggae entdeckte und ich, David. Das Soundsystem haben wir 2014 auf dem Karneval der Kulturen eingeweiht.

Nachdem wir von 2013 bis Anfang 2015 bereits gemeinsam mit dem Irieland Sound System das wöchentliche Roots Corner Event mitorganisierten, haben wir 2015 bis 2017 versucht ein eigenes mehr oder weniger regelmäßiges Soundsystem Event im Kulturhaus Kili zu etablieren. Bis das Ordnungsamt die dort ansässige Clublandschaft mit Auflagen überzogen hat. Hier entstanden auch die Strukturen, die später zum BSK (Berlin Soundsystem Kollektiv) führten, ein Zusammenschluss einiger Berliner Roots/Dub Sounds, der es durch Kooperation ermöglichte, in einem größeren Rahmen zu veranstalten, als es den einzelnen Crews möglich war. Zudem war ich von 2014 – 2019 Teil der Berlin Vintage Night im Yaam.

Wo bzw. wie seid ihr das erste Mal mit dem Thema Soundsystem in Berührung gekommen? 

Durch das bereits vorhandene Interesse an Reggae, wussten wir bereits, was ein Soundsystem ist, so sind wir relativ schnell auf die damals aktiven Soundsysteme wie Killasan, I-Revelation oder King David aufmerksam geworden. Das war etwa Mitte der 2000er Jahre.

Haben euch spezielle Events oder andere Soundsystems dazu inspiriert, ein eigenes System in Angriff zu nehmen?

So klischeehaft es klingt, definitiv Jah Shaka! Bei einem London-Besuch 2010 sind wir auf Geheiß von Stefan („da müsst ihr hin, wenn ihr in London seid!“ / Such-A-Sound) bei einem Shaka Dance gelandet, ohne zu wissen, was uns da wirklich erwartet. Zu dem Zeitpunkt hatten wir uns bereits um die zehn Jahre mit Reggae Musik beschäftigt, aber DAS war definitiv ganz anders und wesentlich intensiver, als alles, was wir bereits gesehen oder gehört hatten. Wir hatten vorher schon ein paar Platten im Schrank, aber das war der endgültige Anstoß selbst etwas zu versuchen. Damals dominierte Bashment Dance Hall und Soca die Berliner Reggae-Veranstaltungen, mit der Vintage Reggae Night (mit Stefan Such-A-Sound und Barney Millah) als eine der wenigen Ausnahmen. Wir wollten eine Alternative anbieten. Erst nach und nach erfuhren wir, dass es im Berliner Untergrund bereits ein paar Leute wie z.B. Graograman Hifi oder Behold & Live gab, die mitunter ähnliche Pläne verfolgten.

Was begeistert euch an der Soundsystem-Kultur?

Das Ganzheitliche, was der Kultur innewohnt ist auf jeden Fall etwas Besonderes. Die vom Reggae geprägte Soundsystem-Kultur unterscheidet sich durch den spirituellen, sozialen und kulturellen Überbau definitiv von den meisten anderen Subkulturen. Mit anderen Worten: die Vibes!

Habt ihr bei euren Selections Vorlieben? Welche Musik ist bei euren Dances zu hören?

Roots Rock Reggae & Dubwise–Tunes “from old to new” ist das Motto – auf unseren Dances hört man Musik aus allen Ären des Reggae, mit eher kulturellem Einschlag. Gerne obskur, aber auch mal einen klassischen Bob Marley und auch mal einen modernen UK-Stepper. Wichtig ist uns Vielseitigkeit, aber ohne dabei beliebig zu werden. Immerhin können wir auf eine fast 60jährige Musikgeschichte zurückgreifen, die entsprechend viel zu bieten hat.

Gibt es besondere Künstler*Innen, Produzent*Innen oder Labels, die ihr besonders mögt und dementsprechend auch häufiger spielt?

Das würde hier vermutlich den Rahmen sprengen, die Liste wäre zu lang, wenn man niemanden auslassen möchte.

Das Betreiben eines Soundsystems hat neben der Musik viel mit Technik zu tun. Stellt bitte eure aktuelle Hardware für die technisch interessierten Leser*Innen vor.

4 Wege Soundsystem: 15“ Bassrutschen, 18“ W-Bin Basslautsprecher, 12“ Mitten, Hochtöner, Verstärker, Pre-Amp, Sirenen und Effekte, Ein Mikrofon, ein Plattenspieler.

Alleine schon logistisch ist ein Soundsystem herausfordernd. Wer macht bei euch was? Wer legt auf, wer macht die Flyer, wer baut auf etc.?

Zur Zeit mache ich das meiste alleine, aber es gibt natürlich immer Menschen, die mit anpacken. Erwähnt werden sollten hier definitiv: Twizzy Dizzy, der immer die Nerven behält, wenn es brenzlig wird und sich meistens um die Koordination des Aufbaus und das Verlegen der Kabel kümmert, und der auch hin und wieder für IrieItes.de schreibt, Ras Bülent aka King Of The Road, der Jahre lang dabei war und u.a. den Transporter gefahren ist, und natürlich mein Selector Hannes Andy, der sich vor einigen Jahren für das Landleben entschieden hat und leider nur noch selten dabei ist, aber ohne den wir uns nicht auf den Weg gemacht hätten.

Außerdem gab es über die Jahre unzählige helfende Hände, ohne die nicht eine Veranstaltung möglich gewesen wäre, Big Up an alle, die aus purem Enthusiasmus immer wieder mit anpacken!

Welche Visionen habt ihr für euer Soundsystem? Was steht demnächst an?

Im Mai wird es voraussichtlich ne kleine Auswärtstour geben und natürlich hoffen wir auch noch in diesem Jahr wieder mit dem Soundsystem in unserer Heimatstadt Berlin spielen zu können.

Jeden zweiten Mittwoch ab 21:30 Uhr sind wir live auf hearticalfm.com zu hören (nächster Termin: 04.05.).

Welche besonders wichtigen Tipps habt ihr parat an diejenigen, die derzeit darüber nachdenken, selbst aktiv zu werden?

Bringt eine hohe Frustrationstoleranz mit. Beschäftigt euch nicht nur mit der Technik, sondern auch mit der Musik, der Kultur und der Geschichte.

Interview: IrieItes-Crew/Ralf Neumann (04/2022)