Reemah
“Breaking News”
(Feel Line Records – 2018)
Das der typische St. Croix Stil des Reggae mit der Kultgruppe Midnite vielleicht angefangen, aber keineswegs mit ihrer Auflösung aufgehört hat, beweist unter anderem diese junge Sängerin, die mit ihrem mittlerweile zweiten Album in Erscheinung tritt. Debütiert hat die Reemah schon vor sechs Jahren mit “Check Your Words”, einem, im damals vergleichsweise kleinem Fankreis, gefeiertem Album, das sich jedoch nur drei Jahre später einer Neuauflage erfreuen konnte, diesmal bei dem großen VP Records.
Mit “Breaking News”, wie in dem Vorgängeralbum, begibt sie sich wieder in die Fußstapfen von Benjamin Vaughn, aber auch Dezarie oder Jah9. Ihre Musik sowie Gesangstil sind durch und durch spirituell und mystisch. Hypnotisch betet sie ihre Texte runter, wie irgendeine, aus der Zeit gefallene, ferne afrikanische Priesterin. Die Hauptfeinde sind schnell ausgemacht: Babylon, entfremdete Lebensweise, die nur auf das Materielle ausgerichtet ist, voller Stress und inneren, sowie äußeren Konflikten. Dem entgegen stellt diese karibische Sängerin und Songwritterin ausgeklügelte Texte, voller religiöser Anspielungen und subtiler Gesellschaftskritik, durch gesungen durch die Prisma panafrikanischer Kulturidentität, die diametral entgegengesetzt zu den vorherrschenden Gangsta-Hype-Superstars Floskeln steht. Und das ist gut so, auch wenn sie dabei stellenweise kitschig rüber kommt, wie in der halb akustischen Ballade “Give Thanks Everyday”. Auf der anderen Seite stellt sie ihre Scharfzüngigkeit unter Beweis in Songs wie „Breaking News“, wo sie sich genauso subversiv und aufrührerisch gibt, wie der erwähnte Benjamin Vaughn (Midnite) oder etwas weniger bekannter, aber noch radikaler Landsmann Jah Rubal.
Auch wenn die Musik so rootsig ist, wie es nur geht, durchstreifen diese zehn Songs ausgedehnte, für Reggae unübliche und teilweise sehr virtuose Gitarrensoli, begleitet von schwer rollenden slow-motion Bass Linien und repetitiven, der Erdanziehung trotzenden Offbeat Rhythmen. Und doch oder gerade deshalb, wirkt diese Musik entspannend, geräumig und harmonisch. So als hätte die Reemah ihr Inneres in Form von Noten und Takten, nach Außen gekehrt. Entblößend, da es nichts zu verstecken gibt und daher ehrlich und intim zugleich.
Zvjezdan Markovic
Da fehlt mir die Begeisterung. Ich feiere die Frau seit Jahren. “Hypnotisch betet sie ihre Texte runter, wie irgendeine, aus der Zeit gefallene, ferne afrikanische Priesterin.”, “begleitet von schwer rollenden slow-motion Bass Linien und repetitiven, der Erdanziehung trotzenden Offbeat Rhythmen.” Das hast du super-schön formuliert.
Das ist doch viel Wert. Aber zu gefallen scheint es dir nicht so besonders, oder? Für mich ist sie eines der größten unentdeckten Talente unserer Zeit quer durch alle Musikstile. Für mich ist sie wahnsinnig begabt, ich lege sie gerne auf und sie erhielt 2016 mit dem Song hier https://www.youtube.com/watch?v=DkUL70HIAKo den Preis für die beste Female Vocal Performance des Jahres in meiner Sendung.
Für mich ist sie mehr als irgendwer (und mit Midnite hat sie für mich außer der Herkunft nichts gemeinsam)! Elektrisierende Sängerin! Ich will sie live sehen!
Eine persönliche Begeisterung von mir war schon vorhanden Philipp, aber ich versuche in meinen Texten immer eine objektive Distanz zu wahren. Daher kam es vielleicht nicht so rüber. Und ich glaube schon, durchaus raus hören zu können, dass sie zum Teil von Midnite inspiriert war bzw. ist. Aber ist auch weniger wichtig – sie macht ihre Sache gut, und das ist es, was zählt.