Philipp Greter „Logic Chaos“ (Hybrid Records)

Philipp Greter
„Logic Chaos“
(Hybrid Records – 2019)

Philipp Greter

Die Dunkelheit seines Studios wird nur durch ein gedämpftes Rot- und Weißlicht, das den Raum wie ein Laser abtastet, kurzweilig verscheucht. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt er verschiedene Regler. Hoch konzentriert und irgendwie auch entrückt, bedient er die Keyboard-Tasten. Daraus entweichen dann geordnete neoklassische Klaviermelodien oder aber abstrakte Klanggebilde mit großflächigen Synths und gar gebrochenes elektronisches Knirschen. Das Harmonische und das Durcheinandergeratene sind für Philipp Greter offensichtlich ein und dasselbe. Und das Studio in Luzern ist sein Refugium, ein Schlupfloch in andere Welten. Hier und da leuchten währenddessen einige von zahllosen Lämpchen auf und wieder ab, andere brennen durchgehend – es ist eben wie in einem Cockpit. An der solitären Abgeschiedenheit scheint dieser Soundtüftler aus Luzern einen Gefallen zu finden. Denn anders als bei den gitarrenlastigen und auf Live-Instrumente setzenden Dub Spencer & Trance Hill, deren Mitglied er ist, kann er sich hier in eigenem Fach vollends austoben und seine Experimentierfreude ausleben.

Quasi im Alleingang hat er sein Debütalbum eingespielt und produziert. Obendrein noch das Artwork auch selbst gestaltet. Mehr Eigenständigkeit und freie Hand geht nicht. Das „Logic Chaos“ ist somit wie ein Portfolio geworden, das Greters musikalische Wurzeln und Vorlieben auflistet. Und diese haben ganz offensichtlich ihren Ursprung in den Neunzigern mit dem Aufkommen von minimalistischer elektronischer Musik und Rhythmus-getriebenen UK Dub Steppa bis hin zum heutigen Dub-Techno. Eigentlich ziemlich entgegengesetzt von dem, was man von seiner Arbeit innerhalb von Dub Spencer & Trance Hill her kennt. In seinem ersten Soloalbum setzt dieser Schweizer eher auf Ambiente statt auf Dramatik. Unspektakulärer als vielleicht erwartet, geht er hier ans Werk. Dafür aber lässt er sich viel Zeit. Die Tracks erstrecken sich zum Teil über acht Minuten hinaus. Dadurch gewinnt er genug Freiraum um in sich geschlossene, teils düstere und teils psychedelische Atmosphären mit komplexer, hypnotisierender Rhythmik zu schaffen. Diese werden dann mit schaurigen Orgelmelodien wie in „Urban“ versetzt oder mit verschiedenen Effekten traktiert.

Aber am spannendsten wird es jedoch, wenn sich Greter abseits bekannter Pfade hinauswagt. Wie in „Below Zero“, wo das Tempo gedrosselt und der Bass massiver wird. Oder wenn in „Sofasounds“ luftige Klaviermelodien kurzerhand übernehmen, zusammen mit etwas, dass nach Ukulele klingt. Und er in „What“ eine funky Basslinie über einen poppigen Beat legt, dazu Samples und gewölbte, metallische Synths – wie bei den frühen Depeche Mode Tunes – dranhängt. Insgesamt lässt sich aber das Erstlingswerk von Philipp Greter in eine ereignisarme, von Minimalismus geprägte erste Hälfte und eine zweite, darauffolgende, wo er spielfreudiger an die Sache ran geht, unterteilen. Beiden gemein ist, dass sie einen gewissen Gemütszustand oder vorgefassten Musikgeschmack erfordern, um wirklich in vollem Umfang genießbar zu sein.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)