Addis Pablo
„King Alpha and Queen Omega EP“
(Addis Pablo Music – 2019)
Es gibt da eine Szene in dem vorab veröffentlichten Video zu dieser neuen EP, das Addis Pablo wahrscheinlich bei ihm zu Hause zeigt. Darauf ist er in einem kleinen Zimmerchen vor einem PC sitzend zu sehen an dem ein kleines digitales Mischpult, nicht größer als eine Tastatur, angeschlossen ist. Er tippt und schiebt seinen Finger darauf, wie ein Kind an einem Spielzeug. Wenn man bedenkt, dass es sich bei dem, was er da bearbeitet, um Material aus dem Nachlass seines Vaters, dem großen Augustus Pablo handelt, aufgenommen seinerzeit in den besten Studios Kingstons mit besten Produzenten und Toningenieuren (u.a. King Tubby), ist es ganz einfach nur noch ein Trauerspiel.
Es erklingen dabei zwar Vocals von Earl Sixteen, Junior Delgado und Delroy Williams, mehr ist es aber auch nicht. Auf der neuen EP „King Alpha and Queen Omega“ hat sich Addis Pablo also an die verbliebenen Reel to Reel Tapes von seinem Vater gemacht. Den Aufnahmen hat er zusätzliche (eigene) Melodica- und Xylofon-Einlagen hinzugefügt und diese anschließend mit Overdubs versehen. Als Addis Pablo 2014 sein Debütalbum veröffentlichte, waren die Hoffnungen groß, dass die Reggae- und Dub-Tradition Jamaikas, verkörpert auch durch den legendären Melodica-Spieler und Produzenten Augustus Pablo, von seinem Sohn Addis weitergetragen werden würde.
„In My Father‘s House“ hieß dann auch sinngemäß das Album, das sich aber eher durch sein einschläferndes Melodica-Spiel hervortat. Eine Tatsache, über die man damals gerne hinweg gesehen hatte, in der Hoffnung, dass das mit den Melodien mit der Zeit besser werden würde. Leider setzte sich das Gleiche auch in den darauffolgenden EPs und Mixtapes fort. Inzwischen hat er sich von den Suns of Dub, dem Produzentenduo bestehend aus Ras Jammy und Jah Bami, die an seinem Debüt beteiligt waren, getrennt. Den beiden hat das offensichtlich noch mehr geschadet, denn sie rutschen mit immer schlechteren Veröffentlichungen auch immer mehr in die Bedeutungslosigkeit ab (wie zuletzt mit dem EP „Jah Existence“).
Mit „King Alpha and Queen Omega EP“ erreicht nun Addis Pablo seinen eigenen, ganz persönlichen neuen Tiefpunkt, was an sich schon eine beachtliche Leistung ist in Anbetracht dessen, dass es sich nicht mal um seine eigenen, sondern – im Grunde genommen – um die Aufnahmen von seinem Vater Augustus Pablo handelt. Dabei hätte es durchaus eine gelungene Hommage an seinen Vater werden können. Die Auswahl der Tracks ist nicht schlecht gewesen. Die halluzinatorischen Melodicaklänge in „Melodica Cry“, die den typischen Far East Sound von Augustus Pablo wieder heraufbeschwören, oder der atmosphärisch starke Groove von „Dub Outta Rome“ könnten sogar genießbar sein, wäre die Tonqualität der EP nicht so was von miserabel, unausgeglichen und amateurhaft, dass es teilweise nicht mal an die Qualität eines Demos heranreicht – geschweige denn als ein offizielles Release durchkommen könnte.
Das Potenzial, die Sache noch ordentlicher zu verkacken, sollte bei Addis Pablo aber niemals unterschätzt werden. So hört der letzte Track „Rasta Rise“ abrupt und urplötzlich auf – als hätte selbst er kein Bock mehr gehabt, sich den Kram länger reinzuziehen. Wenn es wirklich so wäre, könnte man ihm das nicht mal übel nehmen.
Zvjezdan Markovic
Oh Lala !
Was für ein “schöner” Verriss ! Die Jamaikaner haben es aber auch immer noch nicht leicht, denn irgendwie bekommen sie kein Zugang zu korrektem Mastering oder sie legen einfach keinen Wert drauf. Irgendwie bekomme ich hier das Gefühl, das Jamaikaner mit Reggae und ganz besonders mit Dub am Ende sind. Es sieht sehr danach aus, das die das nur noch Widerwillig machen. Dabei höre ich von Leuten, die auf Jamaika Urlaub gemacht haben, das da immer wieder mal richtig abgefahrener Reggae aus den Boxen kommt. Nur leider wird es nicht mehr so unterstützt, wie zu Zeiten von Chris “Whiteworst” ( wie Peter Tosh sagen würde ).
Nun ja, Bob Marley and The Wailers waren aber auch echt in einer ganz anderen Liga, als all jene, die da heutezutage Reggae machen.
Ja, ich glaube auch, dass da mit Jamaika und Dub nix mehr wird. Diejenigen, die eventuell da etwas hätten noch machen können, sind entweder schon tot oder (wie Scientist) ausgewandert. Eigentlich haben die sich damals in den Achtzigern mit Digital-Reggae selbst den Todesstoß gegeben. Da hat King Jammy ordentlich verkackt!
Hmmmm, so ganz stimme ich hier nicht zu. Zum einen, weil ich so manchen digitalen Reggae prima finde und zum anderen, weil es sehr selten auch mal eine gute Dubproduktion von der Insel gibt. Diese hier zum Beispiel: https://dubblog.de/?p=2362
Grundsätzlich teile ich aber die Wahrnehmung, dass Dub auf Jamaika erst seit einiger Zeit wieder eine kleine Rolle zu spielen scheint…. mit wenig richtig gutem Output.
Guter Dub in Sachen Qualität und Quantität wird woanders produziert: Dubmatix (Kanada), Prince Fatty (UK), Paolo Baldini (Italien), Roberto Sanchez (Spanien), seit einiger Zeit wieder Mad Professor (UK) sowie Umberto Echo, Dubvisionist und Aldubb aus Deutschland. Um nur mal ein paar der überzeugenden Dubproduzenten zu nennen, die mir spontan einfallen. Blickt man nach Frankreich, so wird es gerade in Sachen Experiment noch farbenfroher.
@Ras Vorbei: das neue Dubalbum von UB40 ist gut, auf jeden Fall besser als die Vorlage….
Greetings Zvjezdan,
da muss ich dir Recht geben, an seinen Dad kommt Addis bei weitem nicht ran. Ich würde sagen, hier ist er (mal wieder) kläglich gescheitert. Ich hoffe sehr, dass er in Zukunft Augustus’ Werk und Ruf nicht noch mehr demoliert. Augustus Pablo war immer einer meiner Helden in den Siebzigern. Mit King Tubbys Meets Rockers Uptown und Ital Dub habe ich Dub entdeckt und sozialisiert. Dann kamen Lee Perry: Super Ape (1976), Keith Hudson: Pick A Dub (1976), Burning Spear: Garvey’s Ghost (1976), um nur ein paar zu nennen. Diese Dub Alben sind heute noch unglaublich… Meilensteine eben.
So etwas bringen die Jamaikaner schon seit Mitte der Achtziger nicht mehr hin. Der Abstieg begann mit Jammy’s Sleng Teng Kacke, mir hat es nie gefallen.
@ Lemmi: Chris “Whiteworst” (wie Peter Tosh sagen würde) – geiles Wortspiel!
Blackwell mit seinen Island Records müssen wir heute noch dankbar sein, dass er unsere Lieblingsmusik nach Europa gebracht und wirklich richtig gute Reggae-Platten auf den Markt brachte.
Von Bob Marley gab’s zu seinen Lebzeiten leider keine Dub-LP’s lediglich ein paar Versions auf der flip side seiner Singles.
Noch zum Schluss ein Tipp: da hauen doch UB40 38 Jahre nach Present Arms in Dub ein aktuelles Dub-Album raus, von dem ich wirklich nur begeistert bin. Das hätte ich meinen Altergenossen absolut nicht mehr zugetraut. Das ist Dub – eine absolute Empfehlung!
Es ist im Grunde die alte Frage Analog versus Digital und die wird nie genügend beantwortet werden können. Aber ein paar Fakten lassen sich doch festmachen.
Wie hier von @Ras Vorbei schon genannt (Ital Dub, Super Ape, etc.), werden als Meilenstein-Alben und die besten Dub-Alben überhaupt, immer die aufgezählt, die (meistens) vor der digitalen Revolution (Mitte der Achtziger) entstanden sind. Das will doch was heißen.
Des Weiteren fällt der Niedergang der jamaikanischen Dub-Tradition zum gleichen Zeitpunkt mit dem Aufkommend des digitalen Reggae zusammen. Auch sehr auffällig.
Ironischerweise ist damals ausgerechnet Reggae einer Rationalisierungswellen nach kapitalistischen Vorbild zum Opfer gefallen. Es war einfach für den Produzenten billiger, einen Typen am Synthesizer zu bezahlen, statt wie vorher die ganze Band im Studio. Anderseits hat durch diese digitale Erneuerung Reggae überlebt und ist nicht zur eine Nischenmusik verkommen (wie Funk oder Jazz), aber zum welchen Preis?
@Karsten
ich wusste, dass du den Teflon zum Vergleich heranziehen wirst 🙂 Aber ich finde, er hat bis jetzt zu wenig heraus gebracht, um ein kompletteres Bild von sich zu liefern. Ich denke, man sollte da vorsichtiger sein und noch abwarten.
@Ras Vorbei
Bin zur Zeit, zur Vorbereitung eines Textes darüber, beim (nochmaligen) intensiven Abhören von UB40-Dubs – sowohl von „Present Arms in Dub“, als auch von dem neuen „For the Many Dub“. Aber kann schon jetzt sagen, wir sind da auf der gleichen Spur 😉
Greetings,
meines Erachtens hat Scientist zusammen mit den Roots Radics Anfang/Mitte der Achtziger die letzten guten Dubs, die aus Jamaika kamen, gemacht. Dann hat er sich auch Richtung USA aufgemacht. Es folgte wirklich nichts mehr weltbewegendes aus dem Mutterland des Dub.
Lee “Scratch” Perry war outta space und hatte (leider) sein Black Ark abgefackelt und lebte bereits in Europa. Tubby überließ das Mixen auch schon einige Zeit seinen Schülern Philip Smart, Prince Jammy und Scientist. Smart und Scientist gingen in die USA und Jammy hat den Computer angeschmissen. Die Folgen kennen wir…
Mir liegt es absolut fern digitalen Dub zu verteufeln, auch da gibt es hin und wieder ein paar hörenswerte Aufnahmen. Dennoch, Computer sind seelenlose Maschinen und genau das macht den Unterschied zwischen digitalem und analogem Dub. Man kann es einfach hören, dass es sich um Retorten-Musik handelt.
Dass sich Dub trotzdem in erfreulicher Weise sehr spannend weiterentwickelt hat, verdanken wir tatsächlich den Europäern – o.k., Kanada (Dubmatix) liegt nicht in Europa – die open minded jegliche stilistischen Einflüsse, sei es Klassik (Mathias Arfmann; Mato), Jazz (Prince Fatty & Nostalgia 77, Nils Petter Molvaer), Oper (Uly E. Neuens, Op’Ra), Weihnachtslieder (Dub Spencer) mit der Dub-Idee verquickt haben. So etwas geht mir richtig gut rein.
Fe Wolter (Dubvisionist) hat bereits 1987/88 geilsten Dub gemacht – remember Dub Vision in grünem Vinyl. Auch heute noch eine der tollsten Dubs LPs made in Germany. The Vision mit Fe Wolter waren ihrer Zeit um Lichtjahre voraus und haben nie die Anerkennung bekommen, die ihnen zugestanden hätte. Klasse finde ich, dass der Dubvisionist immer noch aktiv ist und mich von Zeit zu Zeit mit neuem Output oder Remixes begeistert.
@Karsten
Wie sagte bereits John Lennon in seiner eigenen Schreibe “ein Spanier (hier Jamaikaner) macht noch keinen Sommer”. ;-))
Aber es ist ein Anfang gemacht und möglicherweise folgen noch ein paar überzeugende Werke aus JA. Time will tell…
In diesem Sinne: stay tuned
“@Karsten
Wie sagte bereits John Lennon in seiner eigenen Schreibe “ein Spanier (hier Jamaikaner) macht noch keinen Sommer”. ;-))”
Haha, da haste Recht. Aber, wie gesagt, es tut sich was in Sachen Dub auf Jamaika.Zarte Rückbesinnungen auf ein Genre, das extrem einflussreich auf ganz verschiedenen, andere Musikstile war.
Schön, dass du Uly mit seinem Op’Ra Dub-Stlye erwähnst! Das freut mich umso mehr, weil wir von Irie Ites Music zusammen mit One-Drop Music gemeinsam mit ihm und diversen Produzenten (u.a. Dubmatix, Dub Spencer & Trance Hill, Irie Worryah, Aldubb) das Erstlingswerk 2014 in die Welt geschickt hatten. Ich hoffe, du hast das mal gehört 🙂
Greetings Karsten
“Ich hoffe, du hast das mal gehört” – Logo!
“AudioArt Presents Op’Ra Dub Style” bleibt für mich eines der geilsten Releases im Jahr 2014. Das war einer der Momente, der mir wieder mal offenbarte, was Dub alles leisten kann. Hätte es niemals für möglich gehalten, dass Dub, Tenor und lateinische Texte so eine unglaublich faszinierende marriage eingehen können. Das Werk lief bei mir die ersten Wochen fast in Endlosschleife. Da wurden die Grenzen des Dub wieder in eine völlig andere Richtung verschoben. Ein geniales Experiment, besser geht nicht! Genau so etwas mag ich ganz besonders, weil extrem ungewöhnlich.
Stay tuned
Nur noch mal zum Sleng Teng :
Für mich war dieser ComputerStyle, wie ich das früher immer nannte, der Anfang vom ende. Doch als ich den Sleng Teng auf einer King Jammy CD – bei einem Dance auf Jamaica – in einer Live Version auf Didgeridou ( ich schau jetzt nicht nach, wie man das richtig schreibt ) gehört habe, war es um mich geschehen. Jetzt mag ich den Sleng Teng auch Digital.
Greetings und frohe Ostern ………….. lemmi