Seeed
„Bam Bam“
(Warner Music – 2019)
Statt elf, sind es jetzt nur noch zehn Dynamitstangen auf dem Titelbild des neuen Albums dieser Berliner Band. Einer ist weniger geworden, seit dem überraschenden Tod von Demba Nabé, einem der drei Sänger der Gruppe. Nicht wenige haben damals gedacht, dass das nun das endgültige Aus für Seeed bedeuten würde.
Pustekuchen! Die Band hat sich nach diesem Schlag wieder aufgerappelt und ein Jahr später haben die schon ein neues Album am Start. „Bam Bam“ ist somit zu einem Abschieds- und Neustart-Album geworden.
Bam Bam, Taki Taki und Boom Bada Bang
In „Ticket“ schwelgen noch die übriggebliebenen Band-Kollegen und Freunde mit verzückter Afro-Hintergrundgitarre in gemeinsamen Erinnerungen, bevor sie sich in der Bewegung-sympathischen Satire-Nummer „G€LD“ reiche Arschlöcher vornehmen. In meterlangen Versen haben die zwei verblieben Sänger Peter Fox und Eased mit diversen Feature-Gästen wie Trettmann, Deichkind, Nura oder Salsa 359, ihre Mitteilungslust zu Genüge befriedigt. Dabei liefern sie einen Schlussmacher-Song „Las sie gehn“ und die Beziehungskrach-Psycho-Oper „Sie is geladen“. Sie driften zum Schluss auch ins Skurrile mit „What a Day“, einem potenziellen Addams Family-Soundtrack Song mit düsterem Klavier und bedrohlichen Streichern. Dadurch, dass das Lied eines der letzten aufgenommenen mit verstorbenem Sänger Demba Nabé ist, wirkt es noch makaberer. Und in “Lass das Licht an” mit Sebastian „Porky“ Dürre (Deichkind) wird es so schrill, laut und infantil wie auf einem Zirkusgelände.
Dass die Klang-Ausbeute des Albums aber größtenteils an die Shisha-Bar konforme Selbstdarstellungsmusik erinnert, ist kein Zufall. Die Anbindung an die hiesige Sprechgesangsexplosion und Leute, für die es außerhalb der Charts keine andere Musik gibt, ist gewollt und die Seeed sind mit diesem Geniestreich wieder ganz vorn dabei. Da hauen die Beats in Nummern wie „Immer bei dir“ oder „Sie is geladen“ so massiv drauf, wie die Schläge einer Erdstampfmaschine. Dafür sind leider die früheren jamaikanischen Einflüsse, außer paar Referenzen (‘Rattenrennen’) und Pseudo-Offbeat-Nummern wie “Komm in mein Haus” und “Lass sie gehn”, größtenteils zum Kollateralschaden geworden. Die „Love & Curvoisier“ klingt dann auch mit schlingenden, klinisch reinen Over-The-Top-Bässen so hip und aktuell, dass sie in der nächsten Coca Cola Energy Zero-Werbung erklingen könnte. Macht alles nichts, die Seeed waren und sind eine Institution geblieben. Auch, wenn die ausverkaufte Tour wahrscheinlich nicht auf die Qualität des aktuellen Albums allein zurückzuführen ist.
Zvjezdan Markovic