Toots and The Maytals „Got To Be Tough“ (Trojan Jamaica, BMG)

Toots and The Maytals
„Got To Be Tough“
(Trojan Jamaica, BMG – 2020)

Die wahre Geschichte der jamaikanischen Musik fing erst da an, als sich deren Protagonisten von amerikanischen Einflüssen emanzipierten und anfingen, ihr eigenes Ding zu machen. Frederick ‚Toots‘ Hibbert tat es nie. Mit seinen The Maytals war er immer eine Ausnahmeerscheinung auf der jamaikanischen Musikszene. Der heute 75-Jährige stammt noch aus der Prä-Roots Reggae-Ära und hatte in Ska und Rocksteady-Zeiten große Erfolge mit Hits wie „Monkey Man“ und „54-46 Was My Number“ gefeiert, die ihm auch außerhalb Jamaikas, vornehmlich in Großbritannien, Popularität bescherten. Ein Gefängnisaufenthalt wegen Marihuana-Besitzes tat dem Sänger keinen Karrierebruch, im Gegenteil. Später wird Toots behaupten, dass die ganze Sache von einem Musikkonkurrenten eingefädelt war, um ihn zu schaden.

Obwohl sein 1968 erschienenes Album „Do the Reggay“ für manche als namensgebend für das ganze Genre gilt, hat er sich immer durch sein Kokettieren mit amerikanischem Soul und Funk abgehoben. Aber vielleicht gerade deshalb wurden Toots and The Maytals sogar ins Vorprogramm einer Rolling Stones-Tournee aufgenommen. Dieser abweichende, aufs Internationale zugeschnittene Sound, trat mehr in Erscheinung, als sich Toots Anfang der 80er von seinen beiden Mitstreitern Gordon und McCarthy trennte und unter dem gleichen Namen solo weitermachte. Mit seinem salon-, und oftmals discofähigen Crossover-Stil konnten (und können) hartgesottene Roots-Fans nicht viel anfangen, auch wenn er sich bereits in den 60ern zum Rasta-Glauben bekannte.

Toots Hibbert

Schon immer anders

Auf seinem neuen Album, das nach einer zehnjährigen Pause erscheint, zieht er musikalisch noch größere Kreise. In seinem selbstauferlegten Hiatus, nach einem Zwischenfall, bei dem er eine Wodkaflasche von einem blöden Konzertbesucher abbekam, saß er aber nicht tatenlos rum, sondern schuf im eigenen Hausstudio eine Menge an neuen Songs, die nun mithilfe von Zak Starkey und Sshh Liguz von Trojan Jamaica Records im Longplayer „Got To Be Tough“ schließlich verarbeitet wurden. Mit dabei waren auch die altgedienten Sly Dunbar und Cyril Neville, die dabei einen gleichnamigen, sehr schönen und tiefen Roots-Tune hervorgezaubert haben.

Wie weit sich Toots musikalisch – wie er sagt – weiterentwickelt hat, wird deutlich in Songs wie „Stand Accuse“ wo seine ohnehin melodiöse Soul-Stimme kratzige Blues-Eigenschaften angenommen hat und Zak Starkeys Gitarrenarbeit dem malischen Wüstenrock nachempfunden zu sein scheint. Und „Just Brutal“ ist eine nach vorne preschende Funk-Nummer mit überfallartigen Bläser-Salven. Oder das von einer stark distorsierten Psych-Gitarre verzehrtes, schnelles Ska-Stück „Having A Party“ – selten hat sich ein 75-Jähriger mit so viel Energie gezeigt, wie Toots Hibbert hier.

Und auch engagiert zugleich. Nicht nur hat er zusammen mit Ziggy Marley dem Cover von „Three Little Birds“, der Alles-Wird-Gut-Ballade schlechthin von Bob Marley, einen rasanten Ska-Anstrich verpasst, sondern lässt im rockigen Aufbausong „Drop Off Head“ ausrichten: ‚just try, try and try/ don’t let your enemies get you down‘! Und in „Just Brutal“ lässt Toots in Bezug auf die neue Rassismus-Krise in US die schmerzliche gemeinsame Vergangenheit Revue passieren: ‘we were brought here in slavery/ sold out, victimize, brutaly/ I don’t know what this World is coming to‘.

Toots Hibbert scheint dabei nicht so wichtig zu sein, ob er sich gerade in Funk, Blues, Soul, Ska oder Reggae bewegt, sondern seine Absicht ist es, sich auf so viel wie möglich von der Musik der afrikanischen Diaspora zu berufen, dass seine Selbstsicht als panafrikanischen Prediger, der zu uns in einer chaotischen Zeit zurückkehrt, um uns zu warnen und womöglich zu heilen, bestätigt. Aber wären Bob Marley and The Wailers eine Funk- oder Soul-Band gewesen, hätte ihnen denn irgendjemand auch dann ernsthaft zugehört?

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)