Red, Gold, Green and Blue (Trojan Records Jamaica)

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Red, Gold, Green and Blue
(Trojan Records Jamaica – 2019)

Sie schlitterten allmählich in diese Geschichte hinein. Mit einem Cover-Song von Bob Marley und dem darauffolgenden Auftritt bei der Eröffnung des Peter Tosh-Museums in Kingston. Am Ende standen sie vor einem eigenen neuen Studio sowie eigens gegründetem Label und einem Haufen von Reggae-Legenden in Jamaika.

Sharna ‘Sshh’ Liguz, Zak Starkey

Für ihre erste Veröffentlichung „Red, Gold, Green and Blue“ hatten die beiden in England ansässigen Musiker Zak Starkey, Sohn von Beatles-Schlagzeuger Ringo Starr und seine Partnerin, die Australierin Sharna ‚Sshh‘ Liguz die Idee, bekannte und weniger gängige Blues-Songs im Reggae-Stil neu einzuspielen. Dafür holten sie an Board Legenden wie Big Youth, Mykal Rose, Kiddus I, Freddie McGregor oder Toots and the Maytals. Neben einer ganzen Reihe erstklassiger jamaikanischer Musiker wie Ernest Ranglin, Horsemouth, Robbie Lyn, Tony Chin u. v. a., standen dem Paar auch die allgegenwärtigen Sly & Robbie. zur Seite. Der Letztere hatte auch sogar in einigen Songs hier selbst zum Mikrofon gegriffen!

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Freddie McGregor, Sharna Liguz, Robbie Shakespeare

Neben einem vorzüglichen Pedigree – Zak Starkey als Beatles-Sprößling, der auch bei den The Whos und Oasis mitmachte, sowie die exzentrische Kunst-Studium-Abbrecherin Sharna Liguz – brachten die beiden auch sicherlich die nötige finanzielle Unterlage, um dieses Projekt erfolgreich auf die Beine zu stellen. Für die dortigen Foundation Artists, von denen einige heute in sehr prekären Lagen leben, immer eine gute Gelegenheit, etwas dazu zu verdienen. Ihr neues jamaikanisches Studio hat tatsächlich einen tollen Klang, bei dem man das Gefühl hat, man stünde zusammen mit den Musikern im demselben Raum. Der Name ihres neugegründeten Labels ist Trojan Records Jamaica und ist eine Anlehnung an das englische Kultlabel Trojan Records, das als eines der ersten Reggae-Musik im Westen veröffentlichte.

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Zak Starkey, Freddie McGregor, ‘Native Wayne’ Johnson, Horsemouth

Und sie haben schon einiges vor. In naher Zukunft sollen Alben von Jesse Royal, Big Youth, U-Roy und Mykal Rose folgen. Doch als Erstes stand auf ihrer Agenda der Blues, den offensichtlich nicht nur die beiden sehr mögen, sondern auch einige der hier vertretenen Musiker. Allen voran Robbie Shakespeare, der sich offenbar in der Rolle eines Blues-Sängers dermaßen gefiel, dass er gleich drei Songs mit seiner ungewöhnlich rauen und kantigen Stimme gevoicet hat. Es ist aber auch zugleich eine Tour de Force der Nostalgie. Der Sound des Albums erinnert an den der frühen Reggae-Aufnahmen. Roh, fett und dennoch sehr lebendig klingen hier die in Reggae-Rhythmen getauchten Blues-Balladen von Muddy Waters, Robert Johnson, Peter Green und anderen gleichen Kalibers.

Die Bässe dröhnen neben den, unter die Haut kriechenden und wild um sich schlagenden Gitarrensoli. Alles ist perfekt abgestimmt, was nicht überrascht bei der Studiobesetzung. Die kultige Blues-Nummer „I Put A Spell on You“ hat hier einen typischen Mykal Rose-Anstrich mit Scat/Twang Gesangstil bekommen und zählt mit seiner Interpretation von „Bad Luck Shadow“ zu den stärksten Momenten des Albums. Genauso hat Andrew Tosh, Sohn von Peter Tosh, einen exzellenten Auftritt in „Don‘t Go No Further“. In „Temperature“ lässt die DJ-Legende Big Youth seinem trotzigen und ungeschliffenen Flow freien Lauf – kein Zweifel hat er den Hit schon in seiner Jugend, den frühen Sechzigern, gerne und oft gesungen.

Sly & Robbie

Überhaupt haben sich damals viele der jamaikanischen Sänger der ersten Generation von R‘n‘B und Soul vom amerikanischen Festland beeinflussen lassen. Sie haben es aber auf die jamaikanische Art neu interpretiert. Die Rock und Blues-Legende Eric Clapton hat umgekehrt seinerzeit schon in den siebzigern Erfolg mit dem Bob Marley-Cover „I Shot the Sheriff“ gehabt. Das Gleiche machen nun Zak Starkey und Sharna Liguz mit Blues – fünfzig Jahre später und nicht unbedingt notwendig. Es ist ein wenig so, als würde man die Rolling Stones heute dazu bringen, die Lieder von den Beatles zu spielen. Die hier teilnehmenden Artists haben nämlich einen so reichen Fundus an eigenen Titeln und Jahren auf dem Buckel, dass sie mittlerweile selbst von anderen gecovert werden. Sie haben selbst Klassiker hinter sich, wie die, die sie hier covern (müssen?). Wozu also das Ganze? Denn hätten Starkey und Liguz, die beiden Bluesfans, mehr Hintergrundwissen, dann wüssten sie, dass das eine ziemlich blöde Idee ist. Das alles macht das Album „Red, Gold, Green and Blue“ vielleicht zu einer schönen und spaßigen Session für alle Beteiligten, die aber vollkommen unnötig erscheint. Und an dem Resultat sich wahrscheinlich niemand wirklich erfreuen wird, außer einzig und allein Zak Starkey und Sharna Liguz selbst.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)