Sly & Robbie vs. Roots Radics
„The Final Battle“
(Serious Reggae – 2019)
An martialischen Überschriften mangelt es hier nicht. Ein finaler „Battle“, ein „Clash“ der Superlative – ein Reggae-Woodstock! Sly & Robbie auf der einen und die verbliebenen Mitglieder der Roots Radics auf der anderen Seite treten Songweise gegeneinander an. Dabei unterstützt mit einer Reihe von hochkarätigen Namen, die allesamt die Geschichte der jamaikanischen Musik auf ihre Weise geprägt haben. Ein einmaliges All-Star-Ensemble, das es in derartiger Form noch nicht gab.
Hätte es vermutlich auch nie gegeben, wäre da nicht die Hartnäckigkeit des Argentiniers Hernan Sforzini. Selbst ein angesehener Perkussionist und bestens vernetzt, klapperte er die jamaikanische Landschaft und sein Telefonbuch nach verbliebenen Sängern der Goldenen Ära des Reggae ab. Manche, wie Ken Boothe oder Lee Scratch Perry, hat er während ihrer Auftritte in Argentinien abgefangen. Und er wurde im Überfluss fündig. Darunter finden sich viele der noch lebenden Foundation Artists wie Max Romeo, Horace Andy, Pablo Moses oder Mykal Rose. Aber auch New-Roots Repräsentanten wie Luciano.

Sly & Robbie (by Schorle/Wikimedia)
Die Riddims wurden daraufhin geschmiedet, passend zu jeweiligen Sängern, die die Gesangparts zum Teil in eigenen Hausstudios aufgenommen haben und die anschließend von den beiden Gruppen musikalisch bekleidet wurden. Es war ein gigantisches Unterfangen – nimmt man alle Umstände in Betracht – das nur durch die Hingabe Hernan Sforzinis und unter Mitwirken von Leuten wie Flabba Holt, den Bassisten von Roots Radics, zustande kommen konnte.
Doch längst ist bekannt, dass legendäre Namen nicht zwingend auch für anspruchsvollste Musik stehen. Standen die aufgeführten Artists einmal in ihren Hochtagen für Innovation und Qualität, sucht man nach neuen Impulsen hier vergeblich. Abgesehen von Lee Scratch Perrys atmosphärischen „Full Moon Plant A Tree“, der sich aber ohnehin mindestens einmal pro Tag neu erfindet, ragen nur wenige der zwölf Songs wirklich heraus. Lucianos Funk-Rock-Reggae Input zählt genauso dazu, wie Mykal Roses „This Morning“ der, offenbar inspiriert von Marleys „Curfew“, hier gemeinsame Zeit mit Sly & Robbie wieder aufleben lässt.

Errol Flabba Holt (by Peter Verwimp/Wikimedia)
Es wird stattdessen größtenteils auf Altbekanntes und Bewährtes gesetzt. Und da kann das Album „The Final Battle“ durchaus punkten. Es wird nicht mit angehäuften Weisheiten gegeizt. Von den Welterklärungsversuchen wie in Max Romeos tiefgründigem „The Gates Of Hell“ und Gegenwartskritik von Brinsley Forde (Aswad) in „Ulterior Motives“ bis zur schnulzigen Trennungsballade „Change My Mind“ von Donald Tabby Shaw (The Mighty Diamonds), ist hier das ganze inhaltliche Spektrum des Reggae vertreten. Ken Boothe begibt sich sogar auf die Spuren von Julie Covington und gar Madonna („Don‘t Cry for Me Argentina“), wo der alte Charmeur „Argentina“ wie eine Frau behandelt und ein Liebeslied an sie anstimmt.
Die üppig und filigran dargebotenen Arrangements mit einem Übermaß an schönen Melodien, an denen Musiker wie Dean Fraser, Bongo Herrmann oder Earl Chinna Smith beteiligt waren, bewegen sich auf höchstem Niveau, auch wenn sie zu oft und zu viel mediocre klingen. Verglichen mit Sly & Robbies futuristischen Black Uhuru-Alben wie „Chill Out“ oder mit außerirdisch klingenden Roots Radics aus den Achtzigern, wirkt dieses Album – bei allem Respekt – wie eine Seniorenveranstaltung auf Nostalgie-Trip. Zu oft wurde das Ganze schon recycelt, um noch spannend und interessant zu klingen. Bis auf wenige Ausnahmen, ist es insgesamt ein schönes Album, das aber nicht unbedingt angehört werden muss.
Zvjezdan Markovic
Greetings Zvjezdan,
eines muss ich mal vorweg sagen, weil mir das jetzt schon mehrfach positiv aufgefallen ist. Deine Rezensionen sind immer sehr gut recherchiert und bieten eine Menge wichtige Informationen. Danke dafür!
Zu dem Album selbst, auch ich habe leider schon häufiger die Erfahrung gemacht, dass ein who is who der Sänger/Musiker (völlig gleich in welchem Musik Genre) kein Garant für ein überdurchschnittliches Album ist. Man ertappt sich aber auch immer dabei, dass man selbst mit einer riesigen Erwartungshaltung die Musik startet und dann (fast immer) feststellen muss, dass auch da nur mit “Wasser gekocht” wurde.
Es steht außer Frage, dass die Jungs alle bestens singen können – ok, Lee Scratch Perry “brabbelt” eher und Cedric Myton ist immer noch so eine Sache – und die Musiker ihre Instrumente virtuos beherrschen, das haben alle bereits in ihrem langen Künstlerleben zur Genüge bewiesen. Kurz und knapp:das Album ist doch ganz gut geworden, aaaaber der passionierte Reggae-Freak hätte es wirklich nicht gebraucht.
Stay tuned…
Vielen Dank Ras!
Das mit zu hohen Erwartungen hast du Recht. Eventuell erwartet man tatsächlich mehr bei solchen Alben, als sie vielleicht jemals liefern könnten. Aber bei solch einer Liste von Namen, kann man und darf man auf etwas Besonderes hoffen. Das wurde hier leider nicht erfüllt. Vielleicht ein anderes mal, wer weiß (was ich jedoch bezweifle). Auf jeden Fall, vielen Dank, dass du die Texte hier befolgst und ließt. Und wenn dazu auch noch ein Lob von so einem “Reggae-Freak” kommt, der du offensichtlich bist, dann umso besser!
Great album! Love it!