Bob Marley & The Wailers „Kaya 40“ (Universal)

Bob Marley & The Wailers
„Kaya 40“
(Universal – 2018)

Nachdem die Entscheidung am Reißbrett gefallen war, welche Songs sich auf dem „Exodus“ Album finden werden, blieb dem Bob Marley und seinen Wailers eine beträchtliche Zahl an Stücken übrig. Diese wurden dann zwei Jahre später, 1978 unter dem Titel „Kaya“ veröffentlicht. Das umfangreiche Material ist also schon zwei Jahre zuvor in dem berühmten Londoner Aufnahmesessions entstanden und ist ein Beweis dafür, dass sich Bob Marley & The Wailers damals auf der Höhe ihres Schaffens befanden mit einem unglaublichen Output an qualitativen Songs, die größtenteils zu ihren bekanntesten Hits wurden.

Aber rein technisch gesehen, handelt es sich bei dem „Kaya“ Album um B-Ware, ausrangierten Songs, die es nicht in die engere Auswahl schafften – sei es wegen ihrer etwas sanfteren, von politischen Parolen und Rebellionsaufrufen entschlackten Ausrichtung, oder einfach aus dem Grund, weil sie nicht für gut genug befunden wurden. Dabei stammen Stücke wie „Kaya“ oder „Sun is Shining“ und „Satisfy My Soul“ noch aus den Zeiten als Lee ‘Scratch’ Perry deren Produzent war, vom Anfang der Siebziger und wurden hier lediglich neu arrangiert.

Wer hätte aber damals ahnen können, dass einige Songs daraus später zu Bob Marleys größten Hits werden würden! „Sun Is Shining“ und „Is This Love“ zum Beispiel kann man noch heute an Stellen und von Leuten hören, die nicht mal wissen um welche Art von Musik es sich überhaupt dabei handelt. So tief nämlich hat sich das Schaffen und der Nachlass von diesem jamaikanischen Ausnahmekünstler in das Pop- und Kultur-Unterbewusstsein eingeprägt. Und das ist zugleich sein größter Verdienst, obwohl er auch gleichzeitig einige Klischees und Stereotypen vom Reggae mit transportiert hat, die sich bis heute leider hartnäckig am Leben halten – nämlich den mit langen Dreadlocks ausgestatteten, Gras rauchenden und von der Welt entrückten Tagträumer.

Und das „Kaya“ Album hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die meisten Leute nicht den kämpferischen Bob Marley, den kritisch hinterfragendem Rebellen aus der Dritten Welt kennen – wie auf dem Vorgängeralbum „Exodus“ zum Beispiel -, sondern eben jenem, der den lieben langen Tag im Schatten mit fettem Joint chillt und über irgendwelchen Unsinn von Befreiung sinniert; oder einen etwas exotisch anmutenden Hippy, der mit Peace & Love-Floskeln die Welt verändern möchte. Etwas, das seine Nachfolger – unter anderem sein Sohn Ziggy Marley selbst – zügig weiter gesponnen haben.

Bob Marley – Dan Asher © Fifty-Six Hope Road Music Ltd

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Nichtsdestotrotz gehörte „Kaya“ musikalisch zu den besten Alben von Marley und den Wailers, wo sie das Reggae und Dub Credo „weniger ist mehr“ zur Perfektion brachten, obwohl es etwas poppiger und zugänglicher gestalten war. Die überaus harmonisch und melodiös geratenen Songs von „Kaya“, die von spielerischer und musikalischer Qualität der Wailers zeugen, machen die sanftere Thematik des Albums durchaus wett. Die verträumten Gitarren, die flüssigen, eingängigen Beats, die soullastigen Bläsersätze und die weichen Harmoniegesänge der Backvokals, sorgen für einen rundum Wohlgefühl bei dem Zuhörer – auch vierzig Jahre später.

Zu diesem vierzigsten Jubiläum hat Bob Marleys Sohn Stephen ‘Ragga’ Marley aus alten Demos und alternativen Versionen von der ursprünglichen Aufnahmesession in London, eine neuen „Kaya 40“ Mix des Albums zusammengeschustert, der teilweise, wie an einer anderen Stelle trefflich als „frankensteinartig“ bezeichnet, daher kommt. Zudem sind das alles Aufnahmen, die der alte Perfektionist Bob niemals für die Veröffentlichung durchgewunken hat. Aber Bobs Söhne Ziggy und Stephen Marley sind schon in der Vergangenheit durch etwas skrupellosen Umgang mit der Hinterlassenschaft ihres Vaters in Erscheinung getreten, so wie als sie das Album „Legend“ einer hedonistischen und für die Belange der Welt gleichgültigen EDM und Club-Szene zum Remixen preisgegeben haben.

Weniger gewagt gibt sich nun doch der Stephen ‘Ragga’ Marley bei diesem neuen Vorhaben, im Gegensatz zum „Exodus 40“ von seinem Bruder Ziggy Marley, der sich bei seiner Herangehensweise weitaus größere Freiheiten gewährte, der aber genauso unnötig, belanglos und ohne wirkliche Daseinsberechtigung war. Das „Kaya 40“ klingt gar nicht so verschieden vom Original und das allumfassende Feeling des 1978-er Album ist erhalten geblieben. Und das ist vielleicht das einzig Richtige, was der Stephen Marley hier vollbracht hat.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)