Lion’s Den Sound System, Berlin


Dieses Soundsystem-Interview ist ein Teil einer Reihe. Weitere Interviews findest du fortan in unserer Kategorie Soundsystem Culture.


Lion’s Den Sound System, Berlin

Das Lion’s Den Sound System hat sich über die Jahre einen wohlklingenden Namen auch weit über die Grenzen Berlins hinaus erarbeitet. Dabei werden nicht nur Soundsystem-Events organisiert, sondern so ganz nebenbei auch Platten auf einem eigenen Label veröffentlicht. Ein umtriebiges Projekt also! Zu den Dances werden zudem regelmäßig Gäste eingeladen, wie z.B. Vibronics, Weeding Dub, Echo Ranks, African Simba, Fikir Amlak und Joseph Lalibela. Ras Lion war so nett, uns ein paar Fragen zu beantworten. Lest selbst…

Seit wann existiert euer Soundsystem und wo ward ihr bislang aktiv? Habt ihr reguläre Dances, womöglich in einer Homebase?

Lion’s Den existiert konkret seit 2011 und ist seit dem vor allem in Berlin aktiv. Seit 2017 sind wir mit vollem Sound System unterwegs. Bevor die Veranstaltungslandschaft 2020 einen erschütternden Schlag erlitten hat, haben wir selbst vor allem im Yaam Sessions organisiert. In den Jahren 2011-2014 war allerdings das Subland eine Art „Homebase“ für das „Dub Der Guten Hoffnung“-Projekt, eine regelmäßig stattfindende Reihe, die wir zusammen mit einigen guten Freunden ins Leben gerufen haben.

Wo bzw. wie seid ihr das erste Mal mit dem Thema Soundsystem in Berührung gekommen?

Wenn man sich tiefer mit Reggae- und Dub-Musik beschäftigt, stößt man unumgänglich irgendwann auf Sound System Kultur. Da ich stets mehr über die Musik erfahren wollte, die ich gehört habe, war ich doch recht schnell mit dem Thema konfrontiert und konnte durch einige Aktivist*Innen der hiesigen Szene dann auch einige Boxentürme am eigenen Leib erfahren (hier seien Dandelion und das Irieland Soundsystem genannt – large up !). Und dann ging es ziemlich schnell, denn nach so einer Erfahrung sucht man schnell nach mehr…

Lion’s Den @ Dub Camp 2018 (Foto: David Gallard)

Haben euch spezielle Events oder andere Soundsystems dazu inspiriert, ein eigenes System in Angriff zu nehmen?

Definitiv. Ich zehre enorm von den Works derjenigen, die den Weg lange bevor mir gegangen sind, sowie derjenigen, die gerade auf ähnlichen Pfaden unterwegs sind. Sound System Works sind immer inspirierend und all die Aktivist*Innen, die die Fahne für Sound System Kultur hochheben, ihre Systeme in Aktion halten, Menschen zusammen bringen und diese ganz speziellen Freiräume schaffen, egal ob im kleinen oder großen Stil, verdienen Respekt. Die eigene Arbeit ist auf eine Art und Weise ein Weg diesen Respekt zu erweisen.

Ich verfolge intensiv die Works von etlichen großen und kleinen, alten, sowie neuen, nationalen sowie internationalen Sounds, und das mit großer Begeisterung und es gibt mir eine Menge Motivation.

Was begeistert euch an der Soundsystem-Kultur?

Sound System Kultur ist einfach sehr besonders in vielerlei Hinsicht. Es ist gleichzeitig Kirche, Klassenzimmer, Meditationsraum, Tanzsaal, Gymnastik-/Massagestudio, sozialer Treffpunkt, Freiraum und vieles mehr, gepaart mit einer ordentlichen Portion Unterhaltung. Sound System Kultur ist nicht nur eine Party und alle ticken aus – das war’s – und steht für mich nicht so sehr im Sinne der Maximierung der hedonistischen Erfahrung des Individuums. Bei Sound System Kultur schwingt noch viel mehr mit – (historische) Auseinandersetzung mit der globalen Unterdrückungsproblematik, kulturelle Verhandlung, Identität, Community, Spiritualität, Heilung….

In Bezug auf die Musik stehen bei Sound System Kultur die Frequenzen und deren adäquate Reproduktion mit an erster Stelle. Das hat mich schon immer fasziniert. Reggae und Dub, sowie andere Bassmusik, sind unumgänglich mit einer speziellen Art der Präsentation verwoben.

Darüber hinaus ist Sound System eine Wahnsinns-Schule, die Dances selbst, aber ebenso all das was hinter den Kulissen stattfindet. Erfahrungen, Begegnungen, Momente, Erinnerungen, die ich niemals missen möchte.

Ich kann einfach nur wärmstens empfehlen einmal eine Session zu besuchen, oder vielleicht sogar in irgendeiner Art und Weise mal mitzuhelfen eine solche zu veranstalten, denn die mitreißende Begeisterung am eigenen Leib zu erfahren ist mehr Wert als alle Worte.

Warum habt ihr überhaupt ein Soundsystem gebaut und nutzt nicht einfach Standard-PA-Komponenten?

Ein Grund ist definitiv, dass (Berliner) Clubs und Locations sich zum Großteil gar nicht um den Teil mit den Frequenzen und deren adäquate Reproduktion scheren. In vielen Locations findet man fürchterliche technische Gegebenheiten vor (vor allem wenn es um den Bass- und Subbereich geht). Darüber hinaus bietet ein eigenes System einfach wahnsinnige Möglichkeiten, die Musik genau so zu spielen und zu präsentieren wie man gerne will. Von Abspielquelle, über Controltower mit all den Effekten, Soundgeneratoren, Filtern, Preamps und Amps, etc., über die einzelnen Wege des Systems zu den einzelnen Boxen und Treibern, erlaubt ein Sound System einem eine weitaus größere Flexibilität, als viele Standard Set-Ups.

Habt ihr bei euren Selections Vorlieben? Welche Musik ist bei euren Dances zu hören?

Auf einem Lion’s Den Dance kriegt man alle gängigen Spielarten von Reggae und Dub zu hören, mit Augenmerk auf ‚conscious’ Inhalten. Vorlieben sind dabei vor allem Roots und Steppers.

An dieser Stelle muss ich einfach auf meine Mixtape Serie in unserer Soundcloud verweisen – hours and hours of music we absolutely LOVE.

Gibt es besondere Künstler*Innen, Produzent*Innen oder Labels, die ihr besonders mögt und dementsprechend auch häufiger spielt?

Oh ha, die Liste ist lang, seeeehr lang!!! Da Lion’s Den als Sound System und Promotion, aber auch als Label und Studio aktiv ist, haben wir über die letzten Jahre erleben dürfen, was es bedeutet wenn ein ganzes ‚Netzwerk’ an befreundeten Sounds, Künstler*Innen, Produzent*Innen und Labels aus fast allen Teilen der Erde ‚heranwächst’. Die Arbeit aus diesen Begegnungen liegt mir natürlich besonders am Herzen und findet dementsprechend auch einen prominenten Platz in meiner Selection. Aus Angst, jemensch zu vergessen, muss ich leider mit einer Auflistung passen, aber meine Labelarbeit mit Lion’s Den, die Kollaborationen mit dem Black Redemption Label aus New York und all die in die Veröffentlichungen involvierten Namen geben sicherlich reichlich Aufschluss in welche Richtung es geht.

Gab es bei euren bisherigen Veranstaltungen schon Gäste? Andere Soundsystems und/oder Künstler*Innen/ Produzent*Innen?

Ja, mir war es immer ein großes Anliegen, andere Aktivist*Innen einzuladen und meinen Teil dazu beizutragen, Berlin kulturell zu ‚beleben’. Auf Lion’s Den Sessions gab es schon eine Reihe von Gästen, so hatten wir in der Vergangenheit die Ehre folgende zu begrüßen: Afrikan Simba, Anti-Bypass, Ashanti Selah, Bababoom Hi-Fi, Blackboard Jungle Sound System, Black Omolo, Bredrin Records, Dawa HiFi, Digitron Sound, Dub Engine, Dub Shepherds (und ihren Sound), Echo Ranks, Empress Shema, Fabasstone, Fikir Amlak, Haspar, Irieland Sound System, Joe Pilgrim, Joseph Lalibela, Keety Roots, Kenny Knots, King Alpha, Manasseh, Melodub Sound, Natural High Dubs, Natural Tribulation Sound System, Panda Dub, Pilah, Radikal Guru, RDH Hi-Fi, Reggaebus Sound System, Roots Raid, Sanga Mama Africa, Saralène, Vibronics, Weeding Dub, und viele andere…

Das Betreiben eines Soundsystems hat neben der Musik viel mit Technik zu tun. Stellt bitte eure aktuelle Hardware für die technisch interessierten Leser*Innen vor.

Lion’s Den Sound System ist ein 5-Wege System und kann Mono oder Stereo gespielt werden. Wir kommen mit bis zu acht 18“-Scoops und entsprechend 18“-Kicks sowie Mid-Top Boxen (diese sind jeweils mit 1×12“ + 1×2“ + 4×1“ ausgestattet). Die Boxen sind aus dem Hause Stravens, das Amping aus dem Hause Powersoft.

Alleine schon logistisch ist ein Soundsystem herausfordernd. Wer macht bei euch was? Wer legt auf, wer macht die Flyer, wer baut auf etc.?

Ich selbst bin an den Controls, der Selection und einer Menge der technischen Sachen, sowie natürlich im Auf-und Abbau am Start. Plus ein Großteil der Veranstaltungsorganisation, der Labelarbeit, des Bookings, und vieles mehr. Dann ist da noch Darkwing Dub in Graz (dort selbst aktiv mit vollem Sound, Crew und Label unter den Namen ‚Dub Der Guten Hoffnung’ und ‚Truth and Vibes’), der eine Menge Designs und Artworks für Lion’s Den macht. Am Mic sind meist Kali Green und konTa aktiv. Und dann gibt es natürlich noch Boxcrew und Leute, die beim Auf- und Abbau und generell bei den Veranstaltungen im Hintergrund mithelfen und supporten. Hier seien Tsun Dv genannt, Boxwarrior und große technische Hilfe, sowie Lily, Boxwarrior und heavy Supporter an allen Fronten.

Welche Visionen habt ihr für euer Soundsystem? Was steht demnächst an?

Diese Frage ist in Zeiten einer immer noch anhaltenden Pandemie schwierig zu beantworten. Wir hatten Großes vor, doch kam alles zu einer merkwürdigen Art des ‚Stillstands’. Im Moment bleibt uns nur weiter zu hoffen, dass es wieder besser wird für Veranstaltungen und Menschenansammlungen, denn ein Sounds System ohne, ist doch recht sinnentfremdet.

Erste Lichtblicke scheint es zu geben und so gab es erst kürzlich eine Ankündigung für ein polnisches Festival – LAS vom 29.06.-04.07. -, auf dem wir wieder mit Sound System gegenwärtig sein werden, um das Bass-Tent zu beschallen.

Eins ist klar: wir sind auf jeden Fall übermotiviert !!!!!

Welche besonders wichtigen Tipps habt ihr an diejenigen parat, die derzeit darüber nachdenken, selbst aktiv zu werden?

Unter den vielen ‚Weisheiten’ haben mir persönlich zwei simple, fast schon pathetische, aber dennoch sehr solide Phrasen immer Motivation und Richtung gegeben – gerade wenn es um ‚selbst aktiv werden’ geht. ‚Action Speaks Louder Than Words’ und ‚Making Anything Possible’.

In der Sound System Welt merkt man schnell, dass leider auch viel palavert und große Reden geschwungen werden, aber am Ende muss jede/r irgendwo anfangen und einfach machen. Das meine ich vom Kleinen bis ins Große. Das fängt bei intensiv – und ich meine INTENSIV – sich mit der Musik und Kultur und Technik beschäftigen, zuhören, hinhören, Sessions einfach als Gast besuchen, zuschauen und all sowas an und geht von da vielleicht zu austauschen, mithelfen, über aktiv werden, zu Sessions organisieren, zu selbst Sound betreiben und was noch alles dazu gehört. Wie genau, wo genau, was genau – who knows, aber auf jeden Fall lieber Taten als Worte! Und das gepaart mit der vollen Bereitschaft jederzeit zu lernen.

Alles möglich machen? Genau darum geht es oftmals, vor allem wenn man mit dem Sound unterwegs ist, aber auch generell beim Veranstaltungen organisieren, denn die äußeren Umstände sind leider nicht selten gegen einen, doch die Mission ist klar: Sound muss nice klingen und laufen, Künstler*Innen und Massive sollen eins werden, eine top Zeit haben und hoffentlich ein bisschen inspiriert oder beflügelt oder motiviert oder bewegt oder zumindest in irgendeiner Art positiv aus der Sache hervorgehen. Der Drang Möglichkeiten zu schaffen treibt auch meine Label und Studio Arbeit, sowie das Booking bei Veranstaltungen an. Für mich ist es einfach ein wichtiges Prinzip, dass in so vielen Aspekten des Lebens generell und der Musikwelt speziell mitschwingt und es ist immer wieder Wahnsinn zu sehen, was aus Möglichkeiten Neues entstehen kann.

Als Soundsystem habt ihr unlängst auch ein eigenes Label gegründet und veröffentlicht feine Tunes auf Vinyl, so z.B. mit Violinbwoy oder der Massive Dub Corporation. Nach welchen Kriterien wählt ihr aus, welche Artists und Tunes auf eurem Label erscheinen?

Der ganzheitliche Anspruch von Sound System hat mich schon immer fasziniert und so gehören, für mich, der Sound, das Studio, das Label und die Veranstaltungen alle zusammen und bilden, wenn man so will, eine Art endlos Feedbackschleife. Viele der Label Projekte sind aus Begegnungen hier in Berlin auf unseren Sessions, im Lion’s Den Studio, auf Festivals, auf Tour, oder zu der Zeit als ich in Brixton gewohnt habe entstanden. Das gepaart mit den Vorzügen einer digitalen Welt und den dadurch gegebenen Vernetzungsmöglichkeiten hat viel mit der Artist Auswahl zu tun. Generell sind es alles Projekte und Künstler*Innen, die mir sehr am Herzen liegen, und die ich gerne unterstützen möchte, nah und fern gehört und gespielt zu werden.

Was ist derzeit in Sachen Label in der Pipeline? Worauf können wir uns freuen?

Seit einigen Jahren arbeite ich eng mit Ras Kush und seinem Label Black Redemption in New York zusammen. In dieser Konstellation werden dieses Jahr weitere neue Projekte auf 12inch erscheinen. Zum Einen sind vier Kollaborationen mit King Stanley – einem Produzenten, Musiker und Sänger aus Birmingham, UK – geplant, zum Anderen eine Veröffentlichung mit dem legendären jamaikanischen Sänger Johnny Clarke und Keety Roots am Riddim. Ein paar der beteiligten Sänger haben wir für die unmittelbar anstehende Scheibe gerade bekannt gegeben: King Stanley feat. Micah Shemaiah / ArkAingelle (BR1213LD – April 2022). Zuviel will ich allerdings nicht verraten. Außerdem wird es einen Nachfolger in der Songs Of Upliftment Serie geben.

weitere Informationen: www.lionsdensound.de

(sowie auf den meisten gängigen Social Media Kanälen)

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.