Reggae Jam 2017 – Highlights
Bei so einem umfangreichen Programm ist es nicht gerade leicht, die Highlights herauszupicken und knapp zu beschreiben. Dennoch: hier ein Versuch, einige der schönsten Momente zu würdigen. Selbstverständlich aus einer subjektiven Perspektive! So ihr Lust habt, eure eigenen Top-Momente oder Flops beizusteuern, steht euch unter diesem Text wie immer die Kommentarfunktion zur Verfügung.
Freitag, 28.7.17
Zum allerersten Mal gab es auf dem Reggae Jam einen Film an einer so prominenten Stelle zu sehen: Kingston Crossroads eröffnete das Programm auf der Mainstage. Ein besinnlicher Moment, denn anstatt einer wild tanzenden, war nun eine entspannt zusehende Massive vor den Bühnen im Klostergarten versammelt. Die Dokumentation von Oliver Becker und Jonas Schaul kam gut an, vor allem aufgrund der Vielschichtigkeit und Tiefe mit der die Geschichten erzählt werden. Wer mehr über den Film erfahren will, sollte auf der Homepage des Films vorbeischauen.
Nach dem Film eröffnete mit Marla Brown die einzige Frau im Lineup des diesjährigen Festivals das Musikprogramm. Nach ein, zwei Songs hat sich die Tochter von Dennis Brown warm gesungen und präsentierte ein durchaus charmantes Programm. Es wäre schön, wenn in den nächsten Jahren wieder mehr Frauen auf der Bühne stehen würden.
Runkus habe ich persönlich leider nicht gesehen, hörte aber aus vielen verschiedenen Ecken, dass er wieder einmal eine grandiose Performance hingelegt hat. Bei so vielen verschiedenen Festivalstandorten bleibt es allerdings nicht aus, dass man den einen oder anderen Artist verpasst.
Weitere Highlights waren auf jeden Fall die Twinkle Brothers auf der Mainstage sowie der Besuch von Vibronics & Madu Messenger im Dubcamp. Beide Acts sind in Deutschland nicht sehr häufig zu sehen. Die Twinkle Brothers überzeugten mit sehr deepem Rootsreggae und zogen das Publikum schnell in ihren Bann. Dabei war kaum zu merken, dass hier eine der dienstältesten Bands Jamaikas auf der Bühne stand. Vibronics präsentierte hingegen eine erlesene Steppers-Selection über das Roots Plague Soundsystem. Der Brite ist bekannt für seine kraftvollen Produktionen. Am Freitagabend wurde er dabei von Madu Messenger am Mikro unterstützt – auf jeden Fall ein versierter MC und Sänger. Schön war, dass Vibronics auch Tunes von Conscious Sounds gespielt hat. Dabei schlug vor allem die Coverversion von dem 83’er Eurythmics-Hit “Sweet Dreams” feat. Charlie P & Christine Miller mächtig ein. Klasse Set!
Zu erwähnen sind auf jeden Fall auch EarthKry mit ihrer etwas rockigen Version von Modern Roots. Auch wenn für mich persönlich das Songwriting (noch) nicht durchgängig überzeugend ist, konnte die junge Band mit Charme und Musikalität punkten – allen voran der Leadsänger und Gitarrist Aldayne Haughton, der immer wieder in der alten “Roots Rock Reggae”-Manier Gitarrensoli hinlegte.
Weniger überzeugend war Michael Rose. Sein Programm wirkte etwas leblos und verkrampft. Das lag sicher auch an der nicht besonders gut zwischen ihm und seiner Backingband abgestimmten Kommunikation. Sein Bonus waren allerdings die unzähligen Hits aus seiner langen Karriere, vor allem die aus der Black Uhuru-Zeit, die so ziemlich alle Anwesenden mitsingen konnten.
Samstag, 29.7.17
Ein Ritual auf dem Reggae Jam-Festival ist die Eröffnung des Programms am Samstag durch Ganjaman. Um 13 Uhr mit dem Programm anzufangen ist auf Festivals weltweit sicher nicht der allerbeste Slot. Macht man das aber bewusst und immer wieder, so findet sich auch zu dieser recht frühen Stunde ein zahlreiches Publikum ein. Ganjaman und seine Band The Next Generation Family haben auch 2017 für einen entspannten und besinnlichen Anfang gesorgt.
Danke an das Booking-Team für Götz Widmann. Der Liedermacher sorgte mit seiner trockenen, humorvollen und nicht immer politisch korrekten Art und Weise für viel Jubel. So ganz und gar nicht Reggae aber trotzdem sehr passend. Im Publikum hatte er auf jeden Fall viele Fans, die seine Lieder lautstark mitgesungen haben, so zum Beispiel seinen Song “Eduard, der Haschischhund”.
Ein ganz besonders sympathisches Higlight kam allerdings von Tóke mitsamt seiner Band The Soultree Collective und dem Gastauftritt von Ras Muhamad aus Indonesien. Der in Jakarta geborene und in der Nähe von Hamburg aufgewachsene Sänger zählt schon seit einiger Zeit zu den bedeutendsten Newcomern im deutschen Reggaebusiness. Das liegt vor allem daran, dass er viele Facetten locker und sympathisch bedienen kann: das Songwriting ist prima, die Musik stimmt (was u.a. auch an den Musikern in seiner Band liegt), die Bühnenpräsenz ist mitreißend (ohne auf “dicke Hose” zu machen) und die Ausstrahlung ist sehr charmant. So auch beim diesjährigen Festival, wo er sowohl auf der Mainstage als auch als Gast beim Da Sandwichmaker zu sehen und hören war. Schön war auch, dass er mit Ras Muhamad einen nicht minder sympathischen Gast aus Indonesien am Start hatte, der bereits zuvor bei Marla Brown kurz auf der Bühne war.
Im Rahmen der “Vintage Allstars on Tour 2017” haben vor allem die Silvertones überzeugen können. Musik mit viel Seele, die den beteiligten Sängern, allen voran Keith Coley, auch nach so vielen Jahren immernoch mächtig viel Spaß macht. Auch beim diesjährigen Festival haben sie die Herzen des Publikums für sich erobert und viel über die Wurzeln des Reggaes gelehrt.
Nachdem Schwarzpaul mit ihren dubbigen Sounds und deutschen Texten den frühen Abend auf der Dubcamp-Bühne des Zion Garden Sounds sehr überzeugend bestritten haben und Jah Schulz ein feines Set mit Steppers-Eigenproduktionen hingelegt hat, war Illbilly Hitec aus Berlin die Headliner des Tages. Nach einer schier unendlichen Anfahrt von einem Festival in Polen ging es fix ans Aufbauen und dann mit einem Programm los, auf das sich viele Menschen im Dubcamp sichtlich gefreut haben: Reggaetronics! Als Sänger war dieses Mal Longfingah mit an Bord, der seit den Anfangstagen bei Illbilly Hitec mitmischt. Das Set ging quer durch den bisherigen Output der Band bis hin zum neuen Album “One Thing Leads To Another”. Was für eine Party!
Auf der Mainstage haben viele Fans, vor allem die weiblichen, auf Christopher Martin gewartet. Sogar der Fotograben vor der Bühne war pickepacke voll. Selbst wenn man kein großer Fan seiner Tunes ist, war es schwer, sich der Energie seiner Show zu entziehen. Ein guter Entertainer, der auf der Bühne sehr präsent und agil agiert und mit diversen Liebesliedern (z.B. “Cheater’s Prayer”) so ziemlich jede anwesende Frau zum Lächeln gebracht hat.
Das Finale bestritten David Rodigan und Prince Jammy, die sich für einen “Clash” auf der Hauptbühne zusammengefunden haben. Zwei Schwergewichte der Reggae-Geschichte standen auf der Bühne. Das war zunächst vor so großem Publikum etwas ungewohnt, entwickelte aber durch die erlesenen Tunes und Dubplates sowie die Entertainmentqualitäten von David Rodigan viel an Charme. Irgendwie standen an diesem Samstag ein paar Lehrstunden in Sachen Reggae an: zunächst die Silvertones, Heptones und Kushart, später Max Romeo und Eek-A-Mouse und dann der lehrreiche und humorvolle Abschluss mit diesen beiden Gentlemen.
Sonntag, 30.7.17
Der Sonntag begann mit viel Ska und zwei deutschen Bands. Yellow Umbrella war mit dem Reggaehasen Boooo angereist und präsentierte eine familiengerechte Show. Entertain the youths! Danach machten die Busters zu ihren 30. Jubiläum viel Dampf! Danke dafür. Danach gab es viel Rootsreggae von Kiddus I und Iqulah, was okay aber nicht spektakulär war (vielleicht funktionieren diese beiden Artists in einem kleinere Rahmen deutlich besser!?). Bis ein ganz bedeutender Mann die Bühne betrat…
Don Carlos. Supercool mit bunt verspiegelter Sonnenbrille, Lederjackett, Rastamütze und – na klar – viel Rootsreggae im Gepäck betrat der Veteran sichtlich gut gelaunt die Bühne und hat schlichtweg bezaubert. Da kann man eigentlich gar nichts mehr hinzufügen. Don Carlos rules und hat seinen Black Uhuru-“Kollegen” Michael Rose, der am Freitag nicht so ganz überzeugend rüberkam, deutlich in den Schatten gestellt. Das lag sicherlich auch an der bestens gelaunten Backingband, bei der Rudy Valentino an der Gitarre wieder einmal feine Akzente setzte. Vergleichbar gut kam der Auftritt von Horace Andy rüber. Hier war es ebenfalls die Backingband, die dem Künstler einen feinen Rahmen bot und musikalisch sehr versiert aufspielte. Das nahm Horace Andy dankbar an und präsentierte gleich eine ganze Reihe an Hits auf klassischen Riddims.
Ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt von Anthony B. Er kann es einfach! Schon bei Gracy’s Bash vor ein paar Wochen in Varel hat er eine energiegeladene Show hingelegt, bei der er während seiner Tunes ein beeindruckendes Programm in Sachen Fitness vorgeführt hat. Er weiß, wie man ein Publikum bedient: sowohl mit Energie, klasse Hooklines und besinnlichen Momenten, wie z.B. bei seinem Cover von John Lennon’s “Imagine”. Eine runde Sache, die den Akku des Publikums mächtig aufgeladen hat.
Der entlud sich allerdings ganz fix wieder als Aswad direkt nach ihm die Bühne betrat. Es ist wirklich peinlich für eine der feinsten Bands der späten 70er/80er Jahre, mit einer Playback-Show aufzutreten. Für mich persönlich der Festival-Flop des Jahres. Lahm und vor allem mit Playbacks, die nach schlechter MP3-Qualität klangen.
Als Headliner betrat Ky-Mani Marley am Sonntagabend gegen 23 Uhr die Bühne. Sein Programm bestand aus (ein paar) eigenen Tunes und sehr vielen Coverversionen von Songs seines Vaters. Die wurden selbstverständlich frenetisch mitgesungen, doch stellt sich die Frage, warum er sich, wie auch andere Sprößlinge des ewigen Großmeisters, immer wieder am alten Repertoire bedient, wenn er selbst ebenfalls gute Songs schreiben kann!? Dennoch: ein kraftvoller Paukenschlag am Ende eines schönes Festivals!
Soweit der Bericht. Da ich es persönlich leider nicht in das Sun Fire-Dancehall Tent geschafft habe, fehlen hier jegliche Ausführungen zu dem Programm im Festzelt. Wer hierzu, dem obigen Text, persönlichen Highlights oder Flops etwas schreiben möchte, möge bitte die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag benutzen.
Abschließend sei allen Beteilgten an diesem Festival gedankt. Neben den altbekannten Machern und dem Publikum vor allem auch den stillen Mitarbeitern, die mit viel Engagement das Festival möglich gemacht haben.
Text: Karsten Frehe, Fotos: Karsten Frehe und Ralf Neumann
Big up Karsten ! … als wär ich selber dort gewesen.
Es war wie immer so gut auch dank Richie Stephens und Jah Sun.
Meine persönlichen Highlights.
Wir sehen uns 2018.
Die beiden Herren habe ich leider auch verpasst 🙁
Ich fand das Reggae Jam mal wieder großartig, man fühlte sich als würde es eine große Familie sein, die mehrere Tage feiert. Danke an euch Allen!!!! eine kleine Sache hat mir nicht so gefallen, worauf ich mich am meisten gefreut habe. Der Clash war aus meiner Sicht ein Reinfall und schlecht organisiert bzw aufgestellt.Die Warmup-Rounds waren zu lang, gut das ist wahrscheinlich alles Geschmacksache, doch nur 17 min für ne Dub fi Dub Runde zu haben ist aus meiner Sicht deutlich zu kurz. Was aber eigentlich mich geärgert hat ist, das ich den Eindruck hatte, dass beide King Jammy und Rodigan sich nicht wirklich vorbereitet haben. Woher kommt dieser Eindruck? Es wurden überhaupt keine Custom-Mades-Dubs speziell für diesen Clash gespielt. Ich dachte King Jammy bringt was besonderes, eventuell ein abgeänderter Sleng Teng Riddim oder ähnliches. Dann benutzte Rodigan Tunes die er gefühlt auf jedem Clash spielt, warum? Er bzw beide haben eine Dubplatekiste von der ich nur träumen kann. Ich würde gerne wissen wie ihr den Clash erlebt habt? Nimmt mir bitte auch meine Kritik nicht als zu böse oder gar persönlich. Ich hatte mich trotzdem gefreut euch Alle wieder gesehen zu haben. Nuff respect!!! much greetingz
Von einem wirklich bedeutenden oder gar echten Clash würde ich an dieser Stelle auch nicht sprechen. Eher von einem unterhaltsamen Entertainment zweier Herren, die Reggaegeschichte geschrieben haben und gepglegte Unterhaltung boten. So richtig um’s Gewinnen ging es ganz offensichtlich auch nicht. Gardy schrieb bei Reggaeville: “…as Rodigan puts it, no student can be put above his teacher”. Das sagt doch schon alles.
war auch enttäuscht. wirkliche Clash-Atmosphäre war das nicht, es wurde ja nichtmal im Publikum abgestimmt
Ums Gewinnen ging es mir auch nicht, sondern was einem geboten wurde. Es wurde angepriesen als das Ding schlechthin! Das Publikum hat ja quasi abgestimmt, überkreuzte Arme über dem Kopf (Unentschieden), ich denke die meisten wussten nicht was sie da tun =) Das Alles ist ja auch ok, doch war meine Erwartung einfach mal viel zu hoch. Naja was solls, das RJ war trotzdem super!!!!
Ein schönes Festival – super zusammengefasst. Ich schließe mich bei Tóke und Anthony B an, beide sehr unterschiedlich, aber wirklich toll.