Vibronics meets Ashanti Selah feat. Echo Ranks & Nia Songbird “Humble EP” (Scoops)

Vibronics meets Ashanti Selah
feat. Echo Ranks & Nia Songbird
“Humble EP” – 10 Inch
(Scoops – 2023)

Am 10. Februar erscheint die jüngste Platte von Vibronics. Dafür hat er sich wieder mit dem aufstrebenden und überaus talentierten Ashanti Selah zusammengesetzt. Ashanti Selah, der älteste Sohn von Aba Shanti-I, ist Musikproduzent und Keyboarder in verschiedenen Bands. Vibronics ist aus der Dub- und Soundsystem-Szene nicht wegzudenken. Er wohnt in Leicester und ist einer der etablierten Namen aus UK. Seine Base hat er im eigenen Dub Cupboard Studio. Regelmäßig veröffentlicht er auf seinem Scoops-Label und kooperiert mit namhaften Größen wie zuletzt mit Mafia & Fluxy (“Vibronics meets Mafia & Fluxy In Brixton”) oder Weeding Dub aus Frankreich (“Note Fi Note/Dub Fi Dub”). Aber auch seine Projekte mit der jüngeren Generation kommen nicht zu kurz, bspw. mit Indica Dubs (“Highest Principles Of Dub”). Sein Output ist beachtlich und setzt immer wieder produktive, innovative Impulse in der Szene. Während der Corona-Pandemie hat er u.a. die „Life in Dub“ Podcast Reihe ins Leben gerufen, in der er interessante Interviews und bodenständige Unterhaltungen mit Akteuren der Dub- und Soundsystem-Szene geführt hat. Der Podcast ist übrigens sehr zu empfehlen. An Anspruch, Motivation und Unterhaltung mangelt es also nicht. Die “Humble EP” in Kooperation mit Ashanti Selah” führt diesen Anspruch fort.

Schon die Klassiker, die Fathers of Dub, King Tubby und Co., haben sich dadurch ausgezeichnet, sich nicht unnötig in den Vordergrund zu drängen. Sie begriffen das Mixing Board als Instrument, was zu einer eigenständigen Stilrichtung geführt hat, die wir heute als Dub bezeichnen. Dazu gehören Feingefühl und das Zurückstellen von Elementen, die bei der Produktion im Allgemeinen sonst vordergründig sind. Die Devise lautet: weniger ist mehr. So schafft man Räume für ein einzigartiges Hörerlebnis. Diesen Charakter hat die gesamte Platte, auch wenn es hierbei vorerst nicht um das Dubben selbst geht, sondern darum, den Sängern eine Bühne zu geben. Bei dem titelgebenden Song “Stay Humble” mit Nia Songbird ist das besonders interessant zu beobachten. Der Riddim übernimmt eine cleane, solide und unterstützende Rolle für den Gesang der jungen Sängerin aus Leicester. Bereits 2018 ist ein Song von ihr mit Vibronics auf dem Album “Woman On A Mission” erschienen (“All Sisters Unite”).

Der darauffolgende Tune auf der A-Seite gebührt niemand anderem als Echo Ranks. Souverän hält er den kräftigen und durchpeitschenden Vibronics-Stepper mit “Beware” in Zaum. Sein Gesang bringt Ruhe rein. Nach einer recht langen Release-Pause meldet er sich wieder, was die Fans sicher erfreuen wird. Die Songtexte der beiden Singer-Versions sind eher gewöhnlich. Einerseits ist es ernüchternd, andererseits kann in einer Produktion auch nicht alles abgedeckt werden. Es geht vielmehr um das Ganze. Als solches sollte es auch betrachtet werden. Einen Veteranen wieder ans Mic zu holen und zugleich einen Neuankömmling als Opener für eine frische Produktion zu pushen, zeugen von Weitsichtigkeit.

Flippen wir die Platte und legen die B-Seite auf den Teller, könnte man meinen, dass der Geist der 70s DJ-Cuts durch den Flow Ashanti Selahs erscheint. Mit “Well Humble” toastet er beherzt den nach vorne preschenden Riddim. Immer wieder kommen bekannte Sprechweisen daher, die an Ranking Dread, Michael Prophet oder auch Ranking Joe erinnern. Sie verzahnen sich organisch mit “The Future Sound Of Dub”, wie Vibronics seinen Stil gerechtfertigt bezeichnet. Dabei wahrt Selah seine Eigenart und würzt den Riddim. Der Track ist ein absoluter Favourite, der sich perfekt dazu eignet, bei bebender Atmosphäre mit Soundsystem, Crowd und Crew während einer Session gespielt zu werden.

Vibronics macht mit dem letzten Tune der 10 Inch deutlich, weshalb er seit den 90ern eine der treibenden Kräfte in der Soundsystem- und Dub-Szene ist. Was beim DJ-Cut ansatzweise zu hören war, findet in der Dub-Version “Stay Dubwise” seinen Abschluss. Durch den Mix werden Räume eröffnet, neue Strukturen erschlossen und die Produktion als solches zum Thema selbst gemacht. Ein Genuss, der dazu führt, die Nadel wieder an den Anfang zu senken.

Mit der jüngsten Scoops-Platte erwartet euch ein solider Stepper, der Anthem-Potenzial hat, vielfältig in der Konstellation und vielseitig im Mix ist. Die Stärken des Riddims zeigen sich ganz deutlich bei der Dub-Version. Der Riddim ist melodiös, zuweilen an eine ältere, raue Produktion aus den 2000er Jahren erinnernd (“African Stone”) und musikalisch straight für den Dancefloor gemacht – keine Frage. Auch wenn Vibronics ein langjähriger Protagonist der Szene ist, mit der neuen Platte stellt er unter Beweis, dass er sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat. Das macht Lust auf mehr. Aus ästhetischer Sicht könnte der sprachlich-inhaltliche Gehalt stellenweise überraschender, selbstbewusster und konkreter sein, in dem sich die gesellschaftlichen Lebensumstände unserer Zeit widerspiegeln, insbesondere die im Vereinigten Königreich. Wobei so ein flotter Riddim auch erst einmal gebändigt werden muss und der Unterhaltungswert eines Kunstwerks auch nicht vernachlässigt werden darf. Ranks bekommt ihn in den Griff und Selah reitet in spielerischer Art und Weise die Takte runter, wodurch ein cooler und lässiger Eindruck entsteht. Wer Nachschub für die Selection braucht, ist mit dieser Platte bestens versorgt.

Kaptan Bayraktar

www.vibronics.bandcamp.com

About Kaptan Bayraktar

KAPTAN, born 1991 in Wuppertal, is a producer and has been DJing in clubs and festivals since 2012. He currently lives in Stuttgart. Inspired by Jamaican music and UK sound system culture, he has been creating his own music for several years. Releases: Dub Fields (2022), Pull Out The Dub (2022), Dub Through Darkness (2020). In January 2023 his debut album 'Dubs From The Vault (basscomesaveme) was released.