Haghbin im Interview – Dub aus Hamburg

Haghbin im Interview

Daniel Jäckel ist schon seit Jahren in der Soundsystem-Szene Hamburgs unterwegs. Mit dem Künstlernamen Wortfetzen hat er als MC immer wieder gerne zum Mikrophon gegriffen. Seit einiger Zeit arbeitet er als Haghbin an eigenen Dubproduktionen. Grund genug, dem äußerst quirligen Dubhead ein paar Fragen zu stellen.

Die Wahrscheinlichkeit, dich in Hamburg auf einem Soundsystem-Dance zu treffen, ist immens hoch. Wie hat sich deine Faszination für diese Kultur entwickelt? Wo bist du zum ersten Mal mit ihr in Kontakt gekommen?

Das erste Mal so richtig Kontakt gab’s auf dem alternativen Hafengeburtstag in Hamburg. Da hab ich ganz spontan vom Hibration Soundsystem Yard Wind bekommen und bin allein da hin. Es muss 2015 oder 2016 gewesen sein. Die Faszination kam vor allem durch zwei Aspekte zustande, würde ich heute behaupten: einserseits die Bassmassage aus dem Soundsystem, so hatte ich Musik vorher noch nicht wahrgenommen, und dann die Energie der Massive. Obwohl ich das gesamte Wochenende allein zum Soundyard in der Kehre bin und da auch nicht wirklich jemand kannte, hab ich mich super verbunden und wohl gefühlt. Und so hat sich dann die musikalische wie auch menschliche Verbindung zur Kultur in den Folgejahren vertieft.

Was gab dir den Impuls, selbst zum Mic zu greifen?

Das war während eines Dub Cafes – ich habe schon als Teenie gern Rap Texte vorm Spiegel nachgemacht und war als Mittzwanziger ständig irgendwo mit der Gitarre und Singsang auf Hamburgs Grünflächen unterwegs (Grüße and Fernandubs<3). An besagtem Tag im Dub Cafe begriff ich zum ersten Mal, dass das Mic da vorn recht offen zugänglich ist. Als ich das kapiert hab, war’s um mich geschehen glaub ich. Zudem stand JahYu an den Controls, als ich zum ersten Mal den Mut gepackt habe, nach dem Mic zu fragen. Wie konnte ich dem Impuls also noch widerstehen?

Vom Gesangsstil her erinnerst du mich an Ras Tinny, der ja gerne von Alpha Steppa für Kooperationen eingeladen wird. Hast du bezüglich deiner Performances Vorbilder?

Es gibt zahlreiche Einflüsse aus vielerlei Musikrichtungen auf meinen Gesangsstil. Der tune “Freedom Of Movement” von JahYu und Ras Tinny ist bspw. eine große Inspiration für mich und ich hab’ ihn eine ganze Weile lang zuhause gesungen. So verfahre ich gern, dass ich Lyrics von andern Tunes interpretiere und so an Styles und Technik feile. Ich hatte zwar nie wirklich Unterricht in Gesang, aber so hatte ich zumindest gute Lehrer.

2020 hast du zusammen mit dem ebenfalls in Hamburg ansässigen JahYu die „One Day EP“ produziert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Wir hatten während einem Open Air Dance vom I-Revolution Soundsystem auf dem Uni Campus gesprochen, auf dem ich die Lyrics auf eine Version von JahYu gesungen habe, meine ich. JahYu war auch da und sagte mir, dass ihm die Lyrics gefallen und er gern damit arbeiten würde. Wie das häufig ist, zog etwas Zeit ins Land, bis wir das Projekt wirklich umgesetzt haben, aber das kam der Sache zugute, glaube ich. Wir haben uns etwas näher kennengelernt und ein paar Veranstaltungen zusammen gemacht. Außerdem konnte ich in der Zwischenzeit weiter an meinem Gesang arbeiten, damit da alles sitzt, wenn es soweit ist. Und als das dann Anfang 2020 soweit war, ging alles weitere ganz fix. Circa eine Woche nachdem ich die finalen Mixes erhalten hatte, fragte JahYu, ob ich nicht Lust hätte, den Tune via Tripedal Crow Records zu veröffentlichen – und genau das haben wir dann auch gemacht. Viel schöner hätte ich mir mein Debut mit Wortfetzen gar nicht vorstellen können.

Kürzlich habe ich erst bemerkt, dass du als Haghbin selbst Dubs produzierst. Ein weiterer Schritt auf deinem Weg also. Wie kam diese Erweiterung deines Spektrums zustande? Und, was verbirgt sich hinter dem Namen Haghbin?

Wenn ich mir meinen bisherigen Weg so ansehe, war das eine logische Konsequenz. Musik ist eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen und ich glaube, viel auf meinem Lebensweg ging darum, zu verstehen was es mit diesem mystischen Etwas auf sich hat. Über die Stimme konnte ich dem schon ein wenig auf die Schliche kommen und der Schritt zur Produktion eigener Riddims war dann irgendwie naheliegend, um diesem Weg weiter zu folgen.

Der Name Haghbin war mein Nachname als Kind. Er kommt von meinem Vater und ist aus dem Iran. Als meine Eltern heiraten wollten und mein Vater um seine Einbürgerung bemüht war, haben wir den Namen allerdings alle abgelegt und den von meiner Mutter genommen. Lange Zeit hatte ich dann auch gar kein Verhältnis mehr zu dem Namen und da ich auf einem Dorf großgeworden bin, war mein Vater und das persiche Essen auch der einzige kuturelle Berührungspunkt zum Iran. Mit der Zeit aber wuchs mein Interesse an diesem Teil meiner Wurzeln. Damit wuchs auch der Wunsch, den Namen Haghbin wieder zu nutzen. Als ich mich, ungefähr zur selben Zeit, stärker auf’s Producing fokussierte, kam dann eins zum Andern. Die Idee Wortfetzen gleichzeitig für Vocal als auch für Dubs zu nutzen, war mir irgendwie zu wild. Und so kam Haghbin zustande.

Aktuell liegt von dir eine richtig gute 7 Inch vor, auf der du mit Annananda zusammen gearbeitet hast. „In deiner Haut“ heißt der Tune. Kannst du Annananda den Leser*Innen einmal kurz  vorstellen?

Annananda kenne ich schon seit ich mit Wortfetzen angefangen habe, an Hamburgs Soundsystem Kultur mitzuwirken. Sie war schon damals eng mit YY Hi Fi verknüpft, mit denen sie heute auch Teil vom Step-By-Step Soundsystem ist. In diesem Kontext ist sie seit vielen Jahren auf den Sessions in Hamburg zu hören und in den letzten Jahren kommen auch vermehrt Produktionen mit ihr raus. So ist ein Tune mit Penguin Sound (“Granted”) auf Woodland Records erschienen und ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass da noch einiges in der Mache ist.

Annananda singt auf Deutsch. Was beeindruckt dich an ihrer Stimme und dem Inhalt des Songs?

Der Text fasziniert mich, denn für mich schafft er es wunderbar, mehrere Themen gleichzeitig zu jonglieren und alle so geschickt miteinander zu verweben, dass zwischen den Zeilen viel Raum für Interpetation enststeht. Das ist für mich eine wesentliche Qualität an Musik: Der Raum zur Interpretation. Zudem finde ich den dreistimmigen Aufbau und die Vielfalt musikalischer Themen beeindruckend. Ich hab den Tune seither wirklich oft gehört und dank Annanandas Einfallsreichtum hat er seine Faszination für mich bis heute behalten.

Du machst immer mal wieder Streetdub-Sessions, die auch bei YouTune zu sehen und zu hören sind. Was macht dir dabei am meisten Spaß?

Die Kurzfristigkeit und das Improvisationsmoment sind für mich sehr spannend. Häufig ist wenig geplant und ich hab einfach meinen Laptop dabei und denk mir: ab dafür! Danach arbeite ich sozusagen mit den Karten, die ich habe. Also probiere ich aus, was am besten funktionieren könnte und teste. Insbesondere wenn ich mit anderen Menschen zusammenarbeite, macht mir das manchmal zu Schaffen, da das Erlebnis und Ergebnis ja auch für die Künstler*Innen zufriendstellend sein soll. Aber ich glaube, bisher war es mehr Vorteil als Nachteil und ich versuche jedes Mal etwas zu lernen, damit ich beim Nächsten mal besser vorbereitet bin.

Ich bin ja mächtig begeistert von deinem Logo. Hast du es selbst gestaltet oder wer steckt dahinter?

Das Design kommt von Ritak_ff – der hat bspw. auch für JahYu das Artwork zu “Center Of Gravity” gemacht. Ich kannte ein paar seiner Arbeiten und mir gefällt sein Stil sehr. Für das Logo hatte ich bereits eine Idee im Kopf und so habe ich Ritak_ff angefragt ob er Lust hat, sie umzusetzen. Das Logo ist angelehnt an das Faravahar – ein Symbol aus dem Zoroastrismus, das im iranischen Kulturkreis von Bedeutung ist. Insbesondere die Schwingen und der Schweif waren bei mir im Fokus. Diese stehen für drei Grundprinzipien: Gutes denken, Gutes sprechen, Gutes handeln.

Was steht demnächst an? Was ist in der Haghbin-Pipeline?

Das Soon Come Studio ist ein Projekt, das mir am Herzen liegt. Ich bin seit etwas mehr als zwei Jahren dabei und wir arbeiten mit sieben oder acht Leuten daran, ein Studio mit ausreichend Raum für Bandaufnahmen aufzubauen. Darüber hinaus wollen wir einen weiteren Treffpunkt für Hamburgs Dubheads schaffen. Sonst mache ich weiter wie gehabt: Promote “music and culture to forward the positive vibration”. Was mich dieses Jahr dabei sehr gefreut hat, waren die Kontakte, die im Kontext der Musik zustande gekommen sind. Die vielen liebevollen Begegnungen und freundlichen Bekanntschaften haben mir gezeigt, dass Musik ein sehr gutes Medium ist, um Menschen zu verbinden.

Interview: Karsten Frehe (12/2023)

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.