David Nesselhauf “Afrokraut” (Légère Recordings)

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David Nesselhauf
“Afrokraut”
(Légère Recordings – 2016)

Vor einigen Jahren gab es hier bei Irie Ites.de schon mal einen Bericht zu einem Tonträger von David Nesselhauf. “The Barrow” hieß das Album von 2012 und präsentierte den Musiker und Produzenten aus Hamburg sehr experimentell und in sich gekehrt. Seitdem ist viel Wasser die Elbe heruntergelaufen und David hat sich, wie auch schon zuvor, auf vielen anderen Musikfeldern ausgetobt. So z.B. als Bassist von Diazpora, einer Funkband aus dem Norden.

Jetzt kehrt er mit “Afrokraut” zurück und hat mit Légère Recordings einen neuen Hafen gefunden. Dabei gibt der Titel die Richtung vor, so man in der Musikgeschichte ein wenig zurück schaut. Mit seinem neuen Album besucht David Nesselhauf eine Zeit in den 70er Jahren, in der sich Bands wie Can an eine Fusion von afrikanischer Musik und Rock sowie diverser anderer Zutaten herangemacht haben. Das Etikett “Afrokraut” wurde damals geboren. “Dieses Album wollte ich schon seit langer Zeit machen”, erzählt David Nesselhauf im Info zum Album. “Diese kurze, fast vergessene Episode in der deutschen populären Musik, die man ‚Afrokraut’ nannte, hat mich schon immer fasziniert. Sie war voller einzigerartiger Stimmungen, sie war so schnell verschwunden wie sie auftauchte und wurde nie richtig aufgearbeitet. Ehrlich gesagt, ich finde auch die Botschaft dieses Sounds so aktuell wie nie zuvor.“ Recht hat er. Und in Zeiten von Globalisierung und Zerreißproben, die aktuell die Welt in großen Teilen ausmachen, mag dieser Ausflug in die Musikgeschichte sogar ein politisches Statement beinhalten.

David Nesselhauf präsentiert seine zeitgenössischen Interpretationen dieser Ära gerne instrumental. Dabei sind seine Tracks sehr ausgeklügelt komponiert, zeugen von seiner Liebe zu Funk und Jazz, spielen mit afrikanischen Klängen und präsentieren sich insgesamt angenehm verspielt. Die meisten Instrumente hat er selbst eingespielt, gelegentlich kommen aber auch Gäste, wie etwa Lucas Kochbeck, Schlagzeuger bei Diazpora, und Amadou Bah, der mit seinem Gesang den Hit des Albums, “Come Along Bintang Bolong”, würzt.

Neben “Come Along Bintang Bolong” sind es vor allem “Boat Mama” und “Open Up”, die in Sachen Tanzbarkeit ganz weit oben stehen. Bin gespannt, wann ich einen dieser Tracks mal auf einer Party zu hören bekomme.

Dazwischen gibt es ein wahres Kaleidoskop an Klängen zu hören – mal eher besinnlich (wie z.B. bei “Wait For Me” oder “Bosso Fataka”), mal dreckig, afrokraut-rockig (“Outer Banks”) und dann wieder irgendwo in der Schnittmenge aus allem vorher Genanntem. Eintönig wird es also nie.

“Afrokraut” ist ein schönes Album geworden und fügt dem bisherigen, musikalischen Weg von David Nesselhauf eine weitere, interessante Facette hinzu. Es erscheint auf Vinyl, als CD und, wie zur Zeit üblich, auch digital.

Karsten Frehe

About Karsten

Founder of the Irie Ites radio show & the Irie Ites Music label, author, art- and geography-teacher and (very rare) DJ under the name Dub Teacha. Host of the "Foward The Bass"-radio show at ByteFM.