Ostroda Reggae Festival
Über ein derart schönes Festival zu schreiben und dann auch noch Highlights herauspicken zu wollen, ist mächtig schwer! Das ganze Spektakel in Ostroda ist für sich genommen ein Highlight. Insofern nehme ich mir ein paar Auftritte und Aspekte vor, weise aber schon mal vorsorglich darauf hin, dass es noch viel mehr zu erleben gab.
Besonders auffällig sind zunächst einmal die gute Organisation des Festivals, die Tatsache, dass neben vielen internationalen Künstlern immer wieder eine ganze Reihe von polnischen Künstlern auftritt (und mächtig gefeiert wird) sowie die Durchführung einer dreitägigen “Uniwersytet Reggae” (dem Rototom vergleichbar). Einheimischer Reggae hat in Polen zudem und offensichtlich einen anderen Stellenwert als hierzulande, was alleine schon an den verdammt guten Slots abzulesen ist, die polnische Bands in Ostroda bekommen.
Donnerstag, 10.8.17
Am Donnerstag standen traditionsgemäß ausschließlich polnische Reggaeartists im Vordergrund. Im Amphitheater direkt am See gaben sich in diesem Jahr fünf heimische Bands die Klinke in die Hand: Bezjahzgh, Bethel, Chonabibe, Damian Syjonfam und Grubson. Ein klasse Anfang bei lauschigem Sommerwetter. Besonders im Kopf blieben dabei die jung-dynamische Show von Bethel und vor allem der sympathische Auftritt von Damian Syjonfam.
Damian Syjonfam hat das Zeug, der nächste polnische Reggae-Superstar zu werden. Leider verstehe ich kein Polnisch, hatte aber das Glück, dass mir einige seiner Texte simultan übersetzt wurden. Lyrisch scheint er demnach eine Menge drauf zu haben. Zudem wird er von seinen Fans schon jetzt frenetisch gefeiert. Da kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Später habe ich ihn gefragt, warum er nicht ein paar Lieder auf Englisch singt, um auch über die Grenzen Polens hinaus bekannt zu werden. Er habe das vor, meinte er. Allerdings empfindet er das Singen und vor allem das Songwriting in der eigenenen Sprache nach wie vor als passender, da so mehr Tiefe erreicht werden könne.
Wuchtig kam der Auftritt von Grubson daher. Die Band hat von den ersten Takten an mächtig Dampf gemacht und bewegt sich stilistisch irgendwo zwischen Hip Hop und Reggae. Mittlerweile hatte sich das Amphitheater auch sehr gut gefüllt und die Ränge brodelten. Was für ein mächtiges Finale für den ersten Tag!
Freitag, 11.8.17
Einen Tag nach der Eröffnung am See beginnt das Festival auf dem eigentlichen Gelände, etwas höher im Ort gelegen, in dem Areal einer ehemaligen Kaserne. Eine gelungene Umnutzung kann man da nur sagen. Alles liegt hier sehr dicht zusammen und weite Wege fallen somit Weg – ein großer Vorteil, da man so sehr viel mitbekommen kann. Die riesige “Red Stage” dominiert den Platz, dahinter liegt in einem alten Militärgebäude die “Green Stage” und etwas weiter entfernt, am anderen Ende, die “Yellow Stage” (auch “Soundsystem Stage” genannt). Dazwischen gibt es die üblichen Buden, einen Platz mit Spielangeboten für die kleineren Festivalteilnehmer sowie eine professionelle Kinderbetreuung und all das, was Festivalbesucher so brauchen. So auch in diesem Jahr. Und direkt neben der Hauptbühne immer wieder der Schaum in den man eintauchen kann.
Ein erstes Highlight war aus meiner Sicht die Kooperation von Stephen Newland (Rootz Underground, Inna De Yard) mit der polnischen Band Jafia. Reggae kennt keine Grenzen und genau das wurde hier eindrucksvoll vermittelt. Vor allem deswegen, weil die Kombination sehr gut funktioniert hat.
Bakshish zählt zu den ältesten Reggaebands in Polen und begann 1982 mit ersten Auftritten. Nach einer Pause hat sich die Truppe vor nicht allzu langer Zeit wieder zusammengefunden und in diesem Jahr bewiesen, dass sie definitiv nicht zum alten Eisen gehört. Auch hier wird auf Polnisch gesungen – und das Publikum singt mit! Ihr Album “Eye” von 1994 wurde übrigens von Felix Wolter (Dubvisionist, The Vision etc.) aus Hannover produziert.
Auf der “Green Stage” war das Irie Ites Soundsystem mit voller Crew präsent. Ein feiner Auftritt vor immer voller werdendem Haus. Irie Ites representing! Gefolgt wurden sie vom K-Jah Sound, der zusammen mit Ras Jah High I und Denham Smith am Start war. Zwei verdammt gute Sessions.
Unerwartet gut war ebenfalls der Auftritt von New Kingston – “a family affair”! Modern Roots mit schönen Melodien und einer angenehm unaufdringlichen, aber durchaus überzeugenden Performance. Doch sollte das große Highlight noch folgen, während sich langsam ein unglaublicher Sturm am Horizont zusammen braute: Steel Pulse!
Was für ein Auftritt! Wer Steel Pulse noch nie gesehen hat, sollte das bei Zeiten unbedingt tun. Hier wird Rootsreggae in einer ganz besonderen, urbritischen Art und Weise gefeiert, ja zelebriert. An dieser Stelle sollen jetzt nicht die unzähligen Hits aufgezählt werden, die von der Band in die Welt geschickt wurden. Ist eigentlich auch egal, denn es geht hier vielmehr um das große Ganze. Und genau das hat die Band um David Hinds eindrucksvoll vermittelt während der Sturm immer stärker wurde. Zum Glück zog er am Festivalgelände vorbei. Trotzdem war für mich und andere an dieser Stelle der Abend vorbei.
Text und Fotos: Karsten Frehe
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