Alpha & Omega „Dubplate Selection Vol. 3″ (Mania Dub)

Alpha & Omega
„Dubplate Selection Vol. 3″
(Mania Dub – 2018)

Die Zeichen der Zeit deuteten in eine ganz andere Richtung hin. Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger sollte alles noch tanzbarer, noch synthetischer und auch oberflächlicher werden. Dancehall und Ragga waren auf dem Vormarsch, genauso wie Reggae und Dub immer belangloser und banaler wurden. Ein vermeintlicher Niedergang der jamaikanischen Musik begann sich abzuzeichnen. Doch die Bassistin Christine Woodbridge und der Keyboardspieler John Sprosen, das Duo hinter dem Namen Alpha & Omega, entschieden sich, die Kompasse neu auszurichten. Weg von dem Großstadt-Geplänkel hin zu den Hochtälern Abessiniens, wo die mythologische geistige Heimat des Rastafari verortet wird. Bereits in ihrem ersten Album „Daniel In the Lion‘s Den“ von 1990 klang das Duo wie zwei Einsiedler, die sich in ihrer Londoner Studio-Gruft verschanzt haben, sich lediglich von der Fotosynthese ernährten und ihre meditative Trance nur dann verließen, wenn sie unbedingt mal aufs Klo gehen mussten. Die Cover ihrer Alben, deren Symbolismus und Stil, sahen so aus, als wären sie von der Wand einer Felsenkirche von Lalibela abgedruckt worden.

So klang auch das Ganze dementsprechend: entschlackt und minimalistisch, nach Weihrauch wohlriechend und dennoch jeglichen damaligen Trends und Mode in der Reggae-Szene trotzend. Es klang wie eine Offenbarung und man wunderte sich, wie es überhaupt so eine derbe Anomalie geben kann. Aber der Erfolg war ihnen nicht verwehrt geblieben. Ihre darauffolgenden Platten erreichten reihenweise Kultstatus und waren maßgebend für den weiteren Verlauf und eine gewisse Erneuerung des (britischen) Dubs verantwortlich. Die Jahre zogen ins Land und nicht nur die zeitlichen Abstände zwischen den Alben wurden größer, auch die allgemeine Qualität der Produktionen änderte sich. In den Nullerjahren zog allmählich das Digitale in ihren Sound ein und je mehr dies zum Vorschein trat, desto mehr ging all das Mystische und Einzigartige ihres Sounds verloren.

Alpha & Omega (mit John Sprosen, rechts)

Um es vorweg klarzustellen, Alpha & Omega machten weiterhin noch gute Musik. Die Bassgitarrenläufe von Christine Woodbridge waren und sind immer noch unschlagbar in ihrer fesselnden und hypnotisierenden Wirkung. So auch die stampfenden Drums, die wie eine Elefantenherde über einen herfallen. Die geheimnisvoll und exotisch anmutenden Harmonien sowieso. Aber der anfängliche Kick, dieses momentane, A&O verbriefte Entschweben in spirituelle Gefilden aus den Neunzigerjahre-Platten, stellte sich, wenn überhaupt, nur noch mühsam und mit viel gutem Willen ein. Aber A&O machten weiterhin fleißig auch alternative Versionen, die von den Sound Systems begehrt waren. So auch von den letzten drei Alben, von denen das Material für diese dritte Folge der Dubplate-Serie stammt. Die zwei davor waren bereits vor zwanzig Jahren erschien, wohlgemerkt.

Es handelt sich hier also um Alben „Blessed Are the Poor“ (2012) mit Dan-I, „No Beginning No End“ (2016) mit Ras Tinny und „One By One“ vom letzten Jahr. Alles Alben also, in denen die Balance zwischen dem Analogen und Digitalen aus den Fugen geraten ist, zugunsten des Letzteren. Wenn man diese Tatsache einmal verdaut und so wie sie nun mal ist akzeptiert hat, kann man durchaus Gefallen an dem bassbetonten, rhythmisch ansteckenden Stücken finden. Schon immer haben die Dubplates von A&O eine eigene Dynamik entwickeln können, die im Vergleich zu den Originalen noch eins draufsetzten in Sachen Heftigkeit und Wucht. Auch wenn es mittlerweile so klingt, als würden Christine Woodbridge und John Sprosen sich selbst recyclen. Kontrolliert und wie von einer Geisterhand geführt, schlagen die Beats auf die inneren Chakren, das geistige dritte Auge läuft blau an von den tiefen Bassvibrationen. Dabei breite, rutschige und weithin schallende Keyboardflächen vor sich treibend. Es ist ein eigener A&O-Kosmos, in den man hier eingesogen wird, auch wenn ein wesentlicher Bestandteil davon verloren gegangen ist.

Zvjezdan Markovic

About Zvjezdan Markovic

Immer auf der Suche nach neuen und alten Sounds, hat aber auch seit über 10 Jahren die schlechte Angewohnheit, darüber zu schreiben. (E-Mail zvjezdan[at]irieites.de)