„Defendjah“ (Rastar Records – 2020)
„La Corona Ship St Mary Tsion“ (Rastar Records – 2020)
„Protocols“ (Iaahden Sounds – 2020)
Erst in der Gruppe Midnite und schließlich als Akae Beka hat uns dieser Sänger, Denker und Poet von den karibischen Virgin Islands mit insgesamt über sechzig Alben ein riesiges Opus hinterlassen, das nicht nur innerhalb des Reggae, sondern in der moderneren Musikgeschichte überhaupt, seines Gleichen sucht. Dabei ist der Abwechslungsreichtum seiner Gesangstechniken, die von rhythmischer Sakralsprache in Spoken Word bis zu liturgisch-dramatischen Gesängen reicht, nur noch von der Fülle an verschiedenen Themen, die er in seinen Songs verarbeitet übertroffen. Genauso vielfältig war auch immer die Musik dazu.
Ob verjazzte Roots Musik, avantgardistischer Hip-Hop oder futuristischer Afrobeat, es wurde immer für ausreichend Abwechslung gesorgt dank einer Vielzahl an beteiligten Produzenten neben Vaughn Benjamin selbst. Obwohl Vaughn Benjamins Hinterlassenschaft definitiv überdauern wird, für eine kurze Zeit lang schien es so, als hätte der Tod gewonnen und der unaufhörliche Fluss an veröffentlichtem Material wäre mit seinem plötzlichen wie tragischen Ableben für immer versiegt.
Leben nach dem Tod
Doch nicht mal drei Monate später folgte schon Akae Bekas erstes posthumes Album „Defendjah“ (Rastar Records), gefolgt von „Protocols“ (Iaahden Sounds) und „La Corona Ship St Mary Tsion“ (Rastar Records). Auch wenn es sich hierbei überwiegend um Überreste vergangener Sessions handelt, die es über eine Demo- oder Dubplate-Phase hinaus nicht geschafft haben, finden sich hier und da einige Perlen.
Zu den Album-Highlights von „Defendjah“ zählen die dynamische „Jezebel“ mit ihren peitschenden Beats oder die alttestamentarische „Isaiah“ mit rollenden Bässen und rigide schlagenden Drums, schneidigen Gitarrenlicks und ekstatischen Streichern. Dieser Song wurde jedoch schon auf der Kompilation „Frontline Souljah“ (Rastar Records) aus 2010 veröffentlicht. Auch die Tracks wie „Negus I Rastafari“ oder „Gi Dem“ sind Überarbeitungen von Originalen, die bereits zu Midnite-Zeiten auf dem Rastar Label erschienen sind und hier einen Nyabinghi-Jazz-Doom-Hop-Anstrich verpasst bekommen haben. Der rootsige Reggae von „Testament“ oder „The Serpent“ rufen dagegen die Erinnerung an Midnite-Ära wieder wach.
Das andere von Rastar Records veröffentlichte Album „La Corona Ship St Mary Tsion“ wechselt genauso zwischen neuen Version bereits bestehenden Songs wie „Honor“ oder „Ithiopya“, die hier als Album-Füller Hip-Hop-lastig überarbeitet worden sind, und Akae Bekas psychotroper Reggae-Dynamik wie in „Who To Live Who To Die“ (Dubplate-artige Version von „Betta Do Good“).
In „Protocols“ wird Reggae noch mehr in Vordergrund gerückt. „Lion On A Throne“ und „Kings Of Goth“ sind Beispiele von Akae Bekas kryptischen Texten mit hypnotisierendem Gesang und in ihren Bann ziehenden Instrumentierung. Wogegen einige andere, wie der Titelsong „Protocols“, eine unverständlich unnötige soulige R’n’B-Richtung eingeschlagen haben. Dass man jedoch in diesem übereinander gewürfeltem Haufen durchaus fündig werden kann, wird deutlich im schlicht genannten Instrumental „Guitar Track“ am Schluss des Albums, wo eine betörende, von Akae Beka selbst gespielte Akustikgitarre und psychedelisches Nyabinghi-Druming den Ton angeben.
Die Sache mit diesen (vermeintlich) letzten drei Alben ist wie übrigens mit dem ganzen Output von Akae Beka bzw. Midnite. Vaughn Benjamin beschrieb so die Entstehung seiner (zahlreichen) Songs: ‚Ich bin noch nie mit einem fertigen Song ins Studio gegangen. Wenn man Jah um Eingebung bittet, sollte man nicht gefüllt mit Ideen vor ihm treten. Ich gehe leer ins Studio‘. Dass so eine demütige Herangehensweise nicht immer die besten Resultate gab, ist aber auch klar. Es zeigte ebenso Vaughn Benjamins ganzes Mindsetting, das einen völlig anderen, viel mystischeren und magischeren Verständnis der (Reggae)Musik aufweist, als gewöhnlich. Und Akae Beka war alles andere als gewöhnlich. Es gab nie so einen, und es wird wahrscheinlich nie wieder so jemanden geben.
Zvjezdan Markovic