Akae Beka
“Righteous Synergy”
(Fifth Son Records – 2021)
Keine Fotos, keine eigenen bildlichen Porträts – diese zutiefst unegoistische, unnarzisstische und auch anti-instagramatische Haltung gegenüber blödsinnigem Sichzuschaustellens, hat Vaughn Benjamin in seiner Inkarnation als Akae Beka weiter fortgeführt, wie auch in unzähligen Midnite-Alben davor. Das Cover musste immer eine tiefere Bedeutung haben und den Inhalt des Albums grafisch widerspiegeln. Es sollte möglichst den ganzen Kosmos beinhalten und das Große Ganze beschreiben, so wie es dieser 2019 verstorbene Sänger von der Insel St. Croix mit seinem Wirken stets beabsichtigt hat. Sie luden zum Verweilen, langer Betrachtung und Meditation ein.
Kurzum, es sollte sich auf den Betrachter wie ein Mandala auswirken. Und statt ihm ein vordefiniertes, bereits fertiges Bild geistig aufzudrängen, sollte dieser in der Lage sein, sich „sein eigenes Bild“ zu machen. Diesen Modus Operandi scheinen Akae Bekas Nachlassverwalter beizubehalten.
Im Fall von diesem neuen, posthumen Akae Beka-Album ist es Produzent John ‚Juaquin‘ Wilson von Fifth Son Records, mit dem Vaughn Benjamin schon in der Vergangenheit des Öfteren zusammengearbeitet hat. Das Material zum „Righteous Synergy“ ist nur ein paar Monaten vor Benjamins Tod entstanden, auf seiner Tour durch Kalifornien. Und es ist erstaunlich, was da in Wilsons Studio innerhalb weniger Tage an Word, Sound und Power zusammenkam.
Es war natürlich immer noch Rohmaterial, das Juaquin Wilson aber in monatelanger Arbeit zu einem eigenständigen Album machte, das sich in dieser finalen Version so anhört, als hätte man gestandenen Jazzmusikern gesagt, sie sollen Reggae spielen. Zusammen mit Wilsons exklusiven Merkmalen wie den sehr mutwilligen Gebrauch der Instrumente.
Wenn also im Titelsong „Righteous Synergy“, das auf dem Cover mittig dargestellten King of Kings besingt, und in „Bubble Up“, dass die irdische Fontäne mit dem Sirius Sternbild zu einer kosmischen Einheit vereint, die Bässe brummen und scheppern, dann ist es wegen des E-Kontrabasses, das dabei zum Einsatz kam. Die schwungvoll aufsteigenden Bläserparts werden gleichzeitig zu einem metaphysischen Aufzug umfunktioniert, dass den Hörer/Betrachter vom unteren Ende des Covers über dem Löwen-Antlitz, den Löwensternendbild, das für viele alte Kulturen als Portal zu anderen Dimensionen und Orten angesehen wurde, hoch und weit hinaus erhebt.
In „Responsible For It“ griff Wilson, ein Multiinstrumentalist noch dazu, selbst zu Strichern und kreierte damit, nebst geschmeidigen Bläsern, einen dunklen, breitgefächerten Kontrast, der auch durch den allumfassenden Urozean auf dem Cover repräsentiert wird. Einen anderen, viel erbaulicheren Weg schlägt „Do My Best“ ein, mit vorwärtsschreitenden Beats und einen sich in Ekstase singenden Vaughn Benjamin.
Das Ganze hat etwas von einer feierlichen Prozession. Vaughn Benjamin tritt auf wie ein Zeremonienmeister, als Hüter einer verlorenen Weisheit, die es vermag, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erklären. Dass er dafür sogar die biblische Geschichte von Esther aufgreift, die auf dem Cover den Mond in ihrer Hand hält, ist beinah selbstverständlich. Konsequent und rituell werden völlig unterschiedliche und augenscheinlich zusammenhanglose Dinge in eine theosophische Einheit zusammengefügt. Und das ist eine, in der Form, ausschließliche Eigenheit von Vaughn Benjamin.
Die flüssige Durchlässigkeit seiner Lyrik findet ihr Äquivalent in der dichten und zähen Spielweise, die Wilson und seine Kollegen auf dem Album veranstalten. In „Spirit Of Love“, dem Schlusslied des Albums, das als Vaughn Benjamins Schlussplädoyer verstanden werden kann, in dem die Lebensenergie, die alles neugeboren werden lässt, beschwört wird, rieselt die Harmonie der Musik wie sommerliche Regentropfen nieder in einen warmen Äther aus tiefen und langsam schlagenden Drums, sonnen befleckten Klavierstreuseln und gewaltig aufatmenden Bläsern. Die übersinnliche Melodramatik, die dabei freigesetzt wird, kann nur als pur destillierte, natürliche Mystik gedeutet werden.
Zvjezdan Markovic
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