Black Roots
„With Friends“
(Nubian Records – 1993/2019)
Das sonderbarste Album dieser Engländer als Wiederveröffentlichung zum vierzigsten Jubiläum
Sie sind black und ja, sie sind auch roots. Fast zeitgleich, wie zu einem Startschuss, schossen aus den englischen Ghettos damals Ende Siebziger neue Reggae-Gruppen heraus wie Steel Pulse, Aswad, Capital Letters und Talisman. Black Roots aus Bristol sollten auch dazu mit ganz vorne gehören. Sie sangen über Jugendkriminalität („Juvenile Delinquent“), den Sehnsuchtsort Afrika („Africa“), gleiche Chancenverteilung („Oportunity“) oder über die ungleiche Güterverteilung in der Welt („Release the Food“). Alles Dinge also, die viele Einwandererkinder und Leute aus den unteren Schichten Englands so hätten unterschreiben können. Kommt bekannt vor? Ist es auch. Denn diese Songs sind heute leider genauso aktuell wie damals. Insgesamt elf Alben kamen von diesen Engländern in den Jahren zwischen 1983 und 1994 raus. Doch sie verkauften schließlich nicht ihre Seele an den Mainstream wie die Steel Pulse oder Aswad, sondern vollzogen eine freiwillige Selbstenteignung und fingen an, ihr kostbarstes Hab und Gut mit Freunden zu teilen und ihnen diese für Überarbeitung zur Verfügung zu stellen. In den Neunzigern hörten sie dann irgendwann erstmals gänzlich auf.
Mit der kleinen Hilfe von Freunden
In der Schlussphase dieser zehnjährigen Zeitspanne gingen sie also allmählich vom kahlen, schwergewichtigen Reggae aus den Anfängen über zu damals aktuelleren Variationen, die von ihrer Zusammenarbeit mit Mad Professor („Natural Reaction“) und Dub Judah geprägt waren. Der Letztere hat auf diesem Album nicht nur paar mal selber zum Mikrofon gegriffen, sondern verantwortete auch dessen Produktion. In gewisser Weise ist „With Friends“ genauso sein Album, wie von Black Roots. Dabei zeigt sich dieser Alleskönner, der schon länger als die Black Roots selbst in der britischen Reggae-Szene aktiv war, als begnadeter, tief von der Rastafari-Message bewegter Sänger, der auch erstklassiger Produzent war und den typischen UK-Reggae und Dub mit vorpreschenden Beats und minimalistischen Bassgitarrenläufen in Jah Shakas Tradition mit geprägt hat. Neben ihm sind als Gastsänger andere Freunde der Gruppe wie der Lovers-Rock Barde Trevor Dixon und Mikey Forbes vertreten. Ebenso der legendäre jamaikanische Sänger und Produzent B.B. Seaton ist dabei, der in seiner Ausführung von „Release the Food“ eine Art von melodischen Waterhouse-Gesangsstil an den Tag legt.
Eine Neuauflage
Es handelte sich hierbei wohlgemerkt nicht um neues Material, sondern um Neuauflagen vieler bekannter Songs der Gruppe, die einen Upgrade verpasst bekommen haben. Die Songs sind dementsprechend viel schneller, gelenkiger und klingen moderner als die Originalfassungen. Die Synths kommen viel mehr zum Vorschein, als auch kompaktere Basslinien mit energischeren Beats. Auf einmal waren damit die Black Roots sogar auf den großen Sound Systems gut zu hören und passten sich dem damaligen Zeitgeist an. Dennoch behielten sie auch ihre Melodiösität bei, auch wenn einige der Songs wie „Move On“ mit Trevor Dixon durch dieses Neu-Aufsetzen hier an ihrer früheren Tiefe eingebüßt haben. In dem von Dub Judah gefühlvoll gesungenen „What Them A Do“ wirbelt im Hintergrund eine Gitarren-Dauerschleife, repetitiv und hypnotisch wie im malisch-afrikanischen Amadran. In „Chanting for Freedom“ meldet sich neben spacigen Synths auch freche, exotische Perkussion. Ein Hauch von – wenngleich sehr oberflächlichen – Dancehall weht sogar durch Seatons soulige „Oportunity“-Ausführung. Mit dem Dub „Jah Jah Dub“ wurde schon mal vorneweg ein Einblick in die „Dub Factor“-Serie gewährt, die danach folgte. Es war das vermeintlich letzte Album dieser Truppe aus Bristol, die schon zu seiner Entstehung ohne einiger Gründungsmitglieder war. Es sollten 25 Jahre vergehen, bevor sie sich wieder im Studio zusammenfinden würden. Im Zuge der Digitalisierung zum vierzigsten Jubiläum der Band, die Nubian Records gerade vornimmt, wird dieses Album, das wegen seiner Zusammensetzung so anders als andere Black Roots-Alben klingt, nun auch zum Download und Streaming verfügbar.
Zvjezdan Markovic
“Juvenile Delinquent” ist für mich einer der besten ReggaeBigTunes aller Zeiten.
Da konnte man keine bessere Version von machen. Alfredo Vasquez ist da meiner Meinung nach auch kläglich gescheitert. Auch wenn er jetzt mit Steppers daherkommt,bleibt es bei einem netten Versuch. Im Original marschiert der Tune mit Sieben Meilen Stiefeln gegen die Mauern von Babylon, wohingegen er jetzt “im neuen Gewand” eher auf zehenspitzen dahin tippelt.
Überhaupt muss ich insgesamt ein wenig wiedersprechen, denn ich fand das auch Black Roots spätestens ab ihrer dritten Scheibe versucht haben poppiger zu werden. Ich glaube ihre erste Scheibe heist einfach nur “Black Roots” und die war so dermaßen gut, das Black Roots diese Qualität leider selbst nie wieder erreicht haben.
Natürlich kann diese Version nicht mit dem Original mithalten. Ihr erstes Album hieß in der Tat „Black Roots“ und ist, wie du sagst, ein hervorragendes Stück Reggae-Musik. Allein diese Riddims, dieser kahle, fette Sound… Und die schneidigen Texte. Da war nichts mit `Friede, Freude, Eierkuchen` wie bei vielen anderen.
Ich finde dennoch nicht, dass die zum Schluss poppiger wurden. Jedenfalls nicht so wie Aswad oder Steel Pulse. Die eigneten sich lediglich die damaligen Trends, die im Reggae und Dub vorherrschten, an. Daher auch die Zusammenarbeit mit Mad Professor und Dub Judah. Auch wenn das (leider) meilenweit von dem entfernt war, was die am Anfang machten.
Gruß!